Geheimnis um Ulrichs Lieblingskirche #
In Frauenberg bei Unzmarkt lernen wir Ulrich v. Liechtenstein als geheimnisvollen Bauherrn kennen. Und nicht nur ihn. #
Mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt von der Kleinen Zeitung (Sonntag, 22. November 2015)
Von
Robert Preis
Es war 1871, als zum ersten Mal ans Licht kam, dass die Besiedlungsgeschichte am Frauenberg bei Unzmarkt weit über das Offensichtliche hinausgeht. Damals wurde im Wohnsitz des Minnesängers Ulrich I. von Liechtenstein (1200-1275) der bis dato älteste aufgedeckte deutschsprachige Grabstein entdeckt.
Mehr als hundert Jahre später, 2011, initiierten die Archäologin Astrid Steinegger und die Kunsthistorikerin Monika Küttner einen neuerlichen wissenschaftlichen Anlauf. Über den Forschungsverein Fiale „ermitteln“ die beiden und legen nach vier Jahren eine beeindruckende Zwischenbilanz vor. Um diese Erkenntnisse erlebbar zu machen, steigen wir mit ihnen hinab ins von künstlichem Licht durchflutete Innere der Kirche. Hier könnte eines der größten Rätsel steirischer Baugeschichte liegen. Eine Art „Die Säulen der Erde“ – der mittelalterliche Bau einer eindrucksvollen Kathedrale wie in Ken Folletts Roman-Bestseller, nur nicht in England, sondern in der Steiermark.
„Wir haben hier im Erdgeschoss, das jahrzehntelang als Kellerraum genützt wurde, die Ruine einer kleinen Kirchenapsis gefunden. Diese muss zu einer viel älteren und größeren sakralen Anlage gehört haben“, sagt Steinegger.
Dass die Mauerreste noch so gut erhalten sind, hat den Grund, dass sie bis ins Jahr 1871 zugeschüttet waren. Dadurch war eine dendrochronologische Untersuchung des Lärchenholzbodens möglich. Fazit: Die Oberkirche ist jene von Ulrich von Liechtenstein, die 1270 fertiggestellt wurde. Warum aber wurde die Apsis der Unterkirche im Jahre 1250 vermauert?
Ein weiteres Rätsel geben die Wandmalereien auf, die in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts entdeckt wurden. „Es handelt sich dabei um romanische Malereien aus der Zeit um 1220“, kann Küttner bestätigen. Neben sakralen Themen stellen sie auch eine Szene um einen Handschlag zweier Männer dar. Diese stehen neben einer Stadtanlage mit der Bezeichnung „Caesa...“.
Eine weitere zeigt Menschen, die um eine im Vordergrund liegende Gestalt trauern. „Wir gehen davon aus“, erklärt die Grazer Kunsthistorikerin, „dass hier die Stadt Caesarea Maritima im heutigen Israel gemeint ist und mit Dietmar III. von Liechtenstein, dem Vater Ulrichs I., in Verbindung steht“. Dietmar beteiligte sich an einem Kreuzzug, der ihn 1217 nach Akkon brachte. Sein Heer errichtete Caesarea neu, ehe er 1219 verstarb. Die Grabstätte mit den Malereien könnte also durchaus Sinn ergeben.
Einsatz von Bodenradar #
Die bisher freigelegten Fundamente unter der Pfarrkirche von Frauenberg dürften allerdings nur ein kleiner Teil eines Seitenschiffs aus dem 12. Jahrhundert sein, einer noch viel älteren und größeren Anlage. Ein Altar wurde bisher gefunden, ein leer stehendes Schachtgrab. Wie gesagt: Das Grab blieb leer und die Anlage wurde keine 30 Jahre später zugeschüttet. Warum, bleibt bis heute ein Rätsel.
Höhlensiedlung #
Steineggers und Küttners Erkenntnisse reichen noch weiter. Die gesamte Anlage zeigt Besiedlungsspuren – Mauern, Brandschichten und Gräber –, die sich bis ins 7./8. Jahrhundert zurückdatieren lassen. Insgesamt wurden 20 Gräber in situ dokumentiert und geborgen. Diese Gräber waren weitgehend ohne Beigaben. Heuer dokumentierten die Forscherinnen eine lanzenähnliche Waffe bei einer männlichen Bestattung sowie zwei frühmittelalterliche Kopfschmuckringe.
Steinegger vermutet deshalb, dass die Burganlage auf einem Areal ruht, dessen Besiedlungsgeschichte viel weiter zurückreicht als bisher angenommen. Kohlenstoffuntersuchungen ergaben, dass der Burgberg zumindest eine spätantike Höhlensiedlung getragen haben dürfte und dass der Kernbau römische Bausubstanz hat. „Unsere größte Hoffnung liegt auf dem Bodenradar der Zentralanstalt für Geodynamik in Wien“, so Küttner.
Die Forschungen des Vereins Fiale, der von Subventionen und Spenden lebt, könnten also noch einiges an Erkenntnissen zutage bringen – denn Steinegger stellt die Frage in den Raum: „Hatte Ulrich ursprünglich größer gedacht? Wollte er eine richtige Pfarrkirche machen, obwohl das Pfarrgebiet klein war? Vielleicht für seinen Neffen, der Pfarrer von Pöls war, später aber zum Bischof aufstieg?“
Also doch, die Säulen der Erde?