Im Ballon zu Nobelpreishöhen#
Für die Entdeckung der kosmischen Strahlung im Jahr 1912 erhielt der Steirer Victor Hess den Physiknobelpreis und gilt als einer der Begründer der modernen Physik.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Um 1900 war die radioaktive Strahlung das große Thema unter Physikern. Man wusste, dass ein wenig ionisierende Strahlung stets vorhanden ist - wahrscheinlich wegen des Vorkommens von Radium, Thorium und Uran in der Erdkruste. Diese Bodenstrahlung müsste dann logischerweise auf hohen Türmen oder Bergen abnehmen, dachte man - was aber kaum der Fall ist. Nun kommt der Steirer Victor Franz Hess ins Spiel, der dieses Phänomen erforschen wollte. Der 1883 in Schloss Waldstein nahe Deutschfeistritz als Sohn des Försters Vinzenz Hess geborene Victor besuchte in Graz das Gymnasium und studierte Physik an der Karl-Franzens-Universität. 1906 promovierte er „Sub auspiciis Imperatoris“ zum Doktor der Philosophie und begann am Physikalischen Institut der Universität Wien zu arbeiten, wo er sich mit den neuesten Erkenntnissen auf dem Gebiet der Radioaktivität vertraut machte. Von 1910 bis 1920 war Hess am Institut für Radiumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften als Assistent tätig. Da er ein begeisterter Anhänger des Ballonsports war, lag es nahe seine Höhen-forschungen zur radioaktiven Strahlung per Ballon auszuüben. 1911 absolvierte er zwei Ballonfahrten, ohne in der Höhe einen starken Rückgang der Strahlung messen zu können. Im Gegenteil: ab 800 Metern bemerkte Hess eine weitere Zunahme der Ionisation und notierte, dass „die Existenz einer von oben kommenden Strahlung nicht auszuschließen“ sei.
Jetzt wollte er noch höher hinauf, das war aber mit dem Wiener Leuchtgas im Ballon nicht zu schaffen, also musste Wasserstoff her, der eine bessere Tragkraft besitzt. Eine Subvention der Akademie der Wissenschaften ermöglichte ihm sieben weitere Starts.
Am 7. August 1912 um 06.12 Uhr stieg Hess mit dem Ballonführer Hauptmann Wilhelm Hoffory im Wasserstoff-Ballon „Böhmen“ im tschechischen Aussig in die Luft, es ging die Elbe entlang Richtung Cottbus. Langsam fiel die Temperatur auf minus 10 Grad Celsius, der Luftdruck sank immer rascher und löste bei Hess Höhenkrankheit aus, berichtet der Fachjournalist Christian Pinter im „Austria Forum“. Der 29-jährige Hess musste Sauerstoff inhalieren, entschloss sich in 5.350 Meter Höhe zur Umkehr und landete sanft auf einer Wiese 50 Kilometer südöstlich von Berlin. Sein Resümee war, "dass in Höhen jenseits 3000 Meter eine von allen drei Apparaten auch quantitativ ziemlich übereinstimmend angezeigte Zunahme der durchdringenden Strahlung erfolgt". Diese müsse demnach "von oben in unsere Atmosphäre eindringen", offenbar sei sie kosmischen Ursprungs. Er nannte sie „Höhenstrahlung“ und legte seine Resultate 1912 in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie dar. Victor Hess gilt damit als Entdecker der kosmischen Strahlung und einer der Begründer der modernen Physik.
1920 wurde Hess an die Universität seiner Studienstadt Graz berufen, wo er als außerordentlicher Professor für Experimentalphysik wirkte und 1929 zum Dekan der Philosophischen Fakultät gewählt wurde. 1931 wurde er an die Uni Innsbruck berufen und leitete dort das neue Institut für Strahlenforschung, auf seine Initiative ging auch die Messstation zur Beobachtung der Kosmischen Strahlung am Hafelekar zurück. In Innsbruck musste ihm aber aufgrund seiner in Wien erlittenen Radiumverbrennungen der linke Daumen amputiert werden, auch einer Kehlkopfoperantion musste er sich unterziehen. Dann kam der Lohn für alle Mühen: 1936 erhielt Victor Hess den Nobelpreis für Physik für jene Arbeiten, die in Wien 1912 zur Entdeckung der Kosmischen Strahlung geführt hatten. 1937 wurde er wieder an die Universität Graz berufen und erlebte hier den „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland. Da Hess als aktiver Katholik und kosmopolitisch denkender Mensch den Nationalsozialismus deutlich ablehnte, wurde er sogleich verhaftet. Am 28. Mai 1938 wurde er 55-jährig in den vorläufigen Ruhestand versetzt und im September fristlos und ohne Pensionsanspruch entlassen. Auch zwang man ihn, das in Schweden erhaltene Nobelpreisgeld in deutsche Reichsschatzscheine umzutauschen. Dafür erlaubte man ihm, im Herbst 1938 eine Berufung an die katholische Fordham University in New York anzunehmen und mit seiner jüdischen Frau Berta zu emigrieren.
Weiterführendes#
Das Neue Österreichische BallonbuchDie Ballonfahrt in Österreich von den Anfängen bis heuteAlfred EitelSt. Johann bei Herberstein2009zur Übersicht