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In den Stürmen des Kulturkampfs#

Ulrich Moser gründete vor 150 Jahren mitten im „Kulturkampf“ seine Buchhandlung in Graz, die heute ein steirisches Bücherparadies ist.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Ab 1907 gab es in der Herrengasse eine k.k. Hofbuchhandlung
Ab 1907 gab es in der Herrengasse eine k.k. Hofbuchhandlung (KK)
Moser in den 80er-Jahren
Moser in den 80er-Jahren: So haben viele Kunden die Buchhandlung in Erinnerung (KK)
2005 übersiedelte 'Moser' in das Palais Welsersheimb gegenüber
2005 übersiedelte "Moser" in das Palais Welsersheimb gegenüber (KK)

Graz im Jahr 1868, also vor 150 Jahren, sah ganz anders aus als heute. Das alte, klassizistische Rathaus stand noch am Hauptplatz, das Eiserne Tor am Ende der Herrengasse war erst vor kurzem abgebaut worden, Straßenbahn gab es noch keine, erst ab 1878 verkehrte eine Pferdebahn zwischen Jakominiplatz und heutigem Hauptbahnhof. Jeder Hausbesitzer hatte die Pflicht, Teil der Stadtwache zu sein oder sich freizukaufen.

Eines aber war ganz neu - es gab Freiheiten, denn seit 1867 waren Vereins- und Versammlungsaktivitäten erlaubt. Damit brach die Zeit der poltischen Aktivitäten für alle an. So fand im März in Graz die erste Arbeiterversammlung statt, die von mehr als 100 Personen besucht wurde, der Arbeiterbildungsverein „Vorwärts“ konstituierte sich und forderte die Reduzierung der Arbeitszeit. Das liberal gesinnte Bürgertum sammelte sich im Deutschen Demokratenverein. Und als am 1. Jänner 1868 das „Grazer Volksblatt“ erschien, hatte auch die katholische Bewegung in der Steiermark ihr tägliches Organ. 1869 wurde der Katholische Pressverein gegründet, der die Zeitung umgehend in der Vereinsdruckerei am Stainzerhof (heute Sparkassenplatz) drucken ließ. Die farbtragenden studentischen Verbindungen entstanden wieder - man war mitten im „Kulturkampf“, im Machtkampf zwischen Staat und katholischer Kirche, zwischen National-Liberalen und Konservativen. Das Ziel war die Trennung von Staat und Kirche.

Mitten in dieser aufgeheizten Stimmung lasen die Grazer im April 1868 folgende Zeitungs-Anzeige: „Ulrich Moser's Buchhandlung in Graz, Bischofplatz 153, empfiehlt sich zu geneigten Bestellungen auf Bücher und Zeitschriften des In- und Auslandes mit Ausschluß jeglicher gegen Kirche und Staat gerichteter Schriften ... Neuere Erscheinungen sind in der Regel vorräthig, das etwa nicht Vorhandene wird schnellstens besorgt.“

Wer aber war dieser Ulrich Moser, der jetzt eine neue Buchhandlung eröffnete? Er wurde 1837 als Sohn eines Architekten in der Saline Wilhelmsglück in Württemberg geboren, erlernte in Schwäbisch-Hall den Buchhandel und war dann in der Verlagsbuchhandlung Herder in Freiburg tätig. 1864 ging er für vier Jahre nach Innsbruck und machte sich 1868 in Graz selbständig. Aber der rührige Mann war mit seiner Buchhandlung nicht ausgelastet, sondern betätigte sich als Verleger und übernahm auch noch eine Buchbinderei. Sein kleines Geschäftslokal am Bischofplatz 153 hat heute die Adresse Stempfergasse 1 bzw. Bischofplatz 5.

Doch schon 1881 starb Moser, erst 43 Jahre alt, an einem Gehirnödem. Das Geschäft wurde als Witwenbetrieb weitergeführt, ging aber mit 1. Jänner 1882 in den Besitz von Julius Meyerhoff aus Hamm in Westfalen über. Dieser geschickte Kaufmann betätigte sich ebenfalls als Verleger und brachte viel beachtete juridische Werke heraus, dazu landesgeschichtliche und theologische Bücher.

Im Dezember 1896 verlegte Meyerhoff die Buchhandlung n die weit attraktivere Herrengasse 23, ins Gebäude des Stadtparramtes. Nun nahm auch der in bescheidenem Ausmaß betriebene Kunsthandel einen Aufschwung. 1907 wurde Meyerhoff der Titel eines k.k. Hofbuchhändlers verliehen und am 1. April 1918 erwarb der Katholische Pressverein, dem Meyerhoff als Ausschussmitglied angehörte, die Buch- und Kunsthandlung. Im Frühjahr 1943 wurde sie „auf Kriegsdauer vereinigt mit der Buchhandlung Cieslar“, das heißt Moser wurde von den Nazis gesperrt. Im Juni 1953 wurden dann die alten Geschäftsräume völlig erneuert und erweitert. Weitere Umbauten und Erweiterungen folgten alle paar Jahre, Moser expandierte unter der Leitung von Wilhelm Alfred Krejci immer weiter. Die Kunsthandlung existiert heute als „Haus der Kunst“ am Joanneumring weiter. 2001 fusionierten die Styria Buchhandels GmbH und die Morawa Buch und Medien GmbH, 2005 kaufte Morawa dann alle Anteile. Im selben Jahr übersiedelte die Buchhandlung Moser unter ihrem Filialleiter Franz Kriutz in das vis-à-vis gelegene Palais Welsersheimb - ein schönes Gebäude im Stil des Hochbarock, wo sich die Buchhandlung heute auf 2500 Quadratmetern Fläche samt Literatur-Café großzügig über drei Etagen erstreckt und als größte steirische Buchhandlung das Eldorado unserer Buchwelt darstellt.



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele