Karl May stand in Leoben vor Gericht#
Der berühmte Autor Karl May führte 1904 in Leoben einen Ehrenbeleidigungsprozess gegen einen steirischen Mönch, weil dieser behauptet hatte, May zeige „Irrsinnserscheinungen“.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Karl May (1842-1912) ist einer der meistgelesenen Autoren des deutschen Sprachraums. Berühmt wurde er vor allem durch seine Reiseerzählungen aus dem Orient und dem Wilden Westen Amerikas. Seine Haupthelden Old Shatterhand, Winnetou und Kara Ben Nemsi waren jahrzehntelang die Idole von jung und alt und erlebten durch die Verfilmungen in den 1960er-Jahren ihre vielumjubelte Wiederaufstehung.
Aber Karl May hatte auch eine dunkle Vergangenheit, die er stets verleugnete, die ihn aber immer wieder einholte. Denn seine Laufbahn als junger Lehrer endete sehr schnell, weil er wegen „widerrechtllicher Benutzung fremder Sachen“ vorbestraft wurde. Da er vom Privatunterricht aber nicht leben konnte, beging er immer wieder kleinere Gaunereien, wurde sogar wegen Diebstahls, Betrugs und Hochstapelei steckbrieflich gesucht und zu vier Jahren Arbeitshaus in Zwickau verurteilt. Kaum entlassen, nahm er seine Betrügereien wieder auf, wurde festgenommen, konnte aber während des Gefangenentransportes entfliehen. 1870 wurde er wegen Landstreicherei festgenommen, behauptete Albin Wadenbach zu heißen und der Sohn eines reichen Plantagenbsitzers auf der Insel Martinique zu sein, der alle Papiere auf der Seereise verloren hätte. Schnell wurde er aber als der gesuchte Kleinkriminelle Karl May erkannt und nach Sachsen überstellt, wo er für vier Jahre ins Zuchthaus musste. Nach seiner Entlassung begann er zu schreiben und hatte erste Erfolge. Denn im Zeitalter der Industrialisierung boomte das Verlagswesen und vor allem die Unterhaltungsblätter suchten beständig nach phantasievollen Redakteuren. Nun schrieb May für verschiedene Zeitschriften und unter verschiedenen Pseudonymen Geschichten, 1877/78 veröffentlichte sogar Peter Rosegger in seiner Zeitschrift „Der Heimgarten“ Mays Erzählung „Die Rose von Kahira“, berichtet Günther Jontes in „Kurioses aus der Steiermark“.
Karl Mays Durchbruch gelang 1892, als seine Erzählungen in Buchform erschienen. Allerdings konnte er bald nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden. Er steigerte sich immer mehr in die Rolle seiner Helden, in die „Old-Shatterhand-Legende“, hinein. Er behauptete nicht nur, selbst Old Shatterhand zu sein und alle seine Romanabenteuer persönlich erlebt zu haben, sondern ließ sich auch die legendären Gewehre seiner Romanfiguren, den „Bärentöter“, den berühmten „Henrystutzen“ und Winnetous „Silberbüchse“ nachbauen. Seine Verlage unterstützen diese Märchen, weil sie dadurch das große Geschäft witterten. Doch Karl May ging noch weiter, er behauptete Übersetzer zu sein und Arabisch, Türkisch, Persisch und viele Indianerdialekte zu sprechen. Überdies wäre er als Nachfolger Winnetous der Häuptling von 35.000 Apatschen. Seit 1875 schmückte er sich auch mit einem Doktortitel, ohne je eine Universität besucht zu haben. Plagiatsvorwürfe folgten, aber seine Bücher verkauften sich hervorragend. 1899/1900 bereiste Karl May erstmals den Orient, erlitt dabei einen Nervenzusammenbruch und seine Frau berichtete später, dass sie „befürchtete, ihn einer Irrenanstalt zuführen zu müssen“. Nun begannen in der Presse auch heftige Angriffe gegen Karl May wegen seiner Schwindeleien, seinem Old-Shatterhand-Theater und seiner zahlreichen Strafen. Insgesamt führte er 46 Ehrenbeleidigungsprozesse und Verfahren wegen seiner Autorenrechte. Seine gekränkte Ehre führte ihn im Oktober 1904 auch zu einem Prozess nach Leoben, wo er mit seiner zweiten Frau Klara im feinen Hotel Gärner (später Baumann) abstieg. Schnell hatte sich herumgesprochen, dass der berühmte Schriftsteller und Abenteurer Karl May in der Stadt sei und vor allem die Jugend stellte sich neugierig in großer Zahl ein, um ihr Idol zu sehen. „Das geschah auch, als der Dichter das gastliche Haus verließ. Aber es war weder der Kara Ben Nemsi im arabischen Burnus noch Old Shatterhand mit seiner nie fehlenden Silberbüchse. Ein eher kleines und schmächtiges Männlein kam aus dem Tor, wegen einer Verkühlung tropfte die Nase, und er war in einen großen Schal gehüllt. So hatte man sich seinen Helden nicht vorgestellt, und bald hatte sich der Schwarm der Buben wieder verlaufen“, berichtet Jontes.
Doch zum Prozess: Der Benediktinerpater Willibrord Beßler aus dem Stift Seckau hatte Karl May in der katholischen Zeitschrift „Stern der Jugend“ vorgeworfen „Irrsinnserscheinungen“ zu zeigen und schon in einer Irrenanstalt gewesen zu sein. May wurde von Leobens prominentestem Verteidiger, dem Rechtsanwalt Dr. Hermann Obermayer, vertreten, der eine schriftliche Abbitte des Mönchs erzwang und einen Vergleich schloss. Am 12. Oktober fuhr das Ehepaar May mit dem Zug nach Salzburg ab.
zur Übersicht