Skandal um Salome-Aufführung in Graz#
Am 16. Mai 1906 fand die österreichische Premiere der skandalumwitterten Oper „Salome“ von Richard Strauss in Graz statt - und Mahler, Puccini, Schönberg und Alban Berg waren dabei. Vielleicht auch der junge Adolf Hitler.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Erst seit 1899 besteht der neobarocke Prachtbau der Grazer Oper, der vom Wiener Architektenduo Fellner & Helmer an der Ringstraße errichtet wurde - doch schon wenige Wochen nach seiner Eröffnung mangelte es an Besuchern. Zwei überdimensionierte Theater in einer mittelgroßen Provinzstadt waren nicht tragbar, hieß es damals. Die Erhaltungskosten waren zu hoch und die Karten zu teuer, wurde kritisiert. Also wurde bereits 1903 Alfred Cavar als neuer geschäftsführender Intendant eingesetzt, der den Kartenpreis herabsetzte, die Abos vergünstigte und auf zugkräftige Operetten setzte. Und auf Gastspiele italienischer Opernaufführungen sowie auf Mozart- und Wagner-Zyklen, mit denen er endlich Erfolge feierte. Das Spieljahr 1905/06 wurde finanziell und künstlerisch zu einem Erfolg und brachte erstmals einen Gewinn von 14.758,65 Kronen, schreibt Volker Klostius in „Das Stadttheater - ein Schmerzenskind“.
Der Höhepunkt der Saison aber war die mutige österreichische Erstaufführung der skandalumwitterten Oper „Salome“ von Richard Strauss am 16. Mai 1906, für die (wie auch für alle folgenden Aufführungen) die Eintrittspreise stark erhöht wurden. Die Welturaufführung der Oper hatte am 9. Dezember 1905 an der Dresdner Hofoper stattgefunden und der Versuch Gustav Mahlers, die „Salome“ gleichzeitig an der Wiener Hofoper aufzuführen, scheiterte an der strengen Zensurpolitik in der Kaiserstadt, wegen der „die Sittlichkeit beleidigenden Handlung“. In Graz war man da liberaler, überdies witterte Intendant Cavar einen großen Erfolg.
Der Komponist Richard Strauss persönlich trat hier als Dirigent auf und die große Welt der Musikschaffenden kam neugierig nach Graz: Gustav Mahler samt Frau Alma, Giacomo Puccini, Arnold Schönberg, Alban Berg, Alexander von Zemlinsky, sogar Adele, die Witwe von Johann Strauß, war mit ihrer Tochter da - für einen Moment war Graz fast eine Weltstadt. Sie alle wohnten im ersten Hotel am Platz, dem einstigen Hotel Elefant am Südtiroler Platz. Sogar der 17-jährige Adolf Hitler soll aus Linz angereist sein, um diese Premiere zu erleben. Strauss erwähnt in einem Brief vom 8. August 1939, dass Hitler seinem Sohn Franz Strauss in Bayreuth erzählt habe, dass „Salome eines seiner ersten Opernerlebnisse gewesen sei und daß er sich das Geld, um zur ersten Aufführung nach Graz zu reisen, von seinen Verwandten erbeten habe“, berichten Andrea Zedler und Michael Walter in ihrem Buch „Richard Strauss' Grazer Salome“ (2014) und Gerhard M. Dienes im Historischen Jahrbuch der Stadt Graz 2006.
„Salome“ war in Graz ein großer Erfolg. „Der Beifallssturm am Schlusse war ein geradezu enthusiastischer und der Komponist mußte immer wieder erscheinen“, schrieb Die Neue Freie Presse, Wien, in ihrem Morgenblatt am 17. Mai. „Vor dem Theater hatte sich Publikum angesammelt, um das Publikum zu sehen ...“, ergänzte die Tagespost in ihrem Abendblatt. Und Wilhelm Kienzl schrieb seitenweise im Grazer Tagblatt: Salome, die für ihren Schleiertanz den Kopf des Propheten Jochanaan auf einem Silbertablett serviert bekommen will, sei „die Ausgeburt der Phantasie einer sexuell perversen Natur“.
„Ist das Kunst oder darf das weg?“ wurde in den Kaffeehäusern, Zeitungen und feinen Zirkeln heftig diskutiert - die breite Masse freute sich höchstens über den Skandal.
Wenn Sie die Grazer Salome-Premiere von 1906 als Opern-Kurzgenuss unter dem Titel „Hotel Elefant“ nachempfinden wollen, gönnen Sie sich eine der Aufführungen im Frühstückssalon des Hotel Wiesler. In der Regie von Marlene Hahn wird charmant und unterhaltsam ein „nicht ganz seriöser Dokumentar-Abend“ dazu geboten.
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