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Galgenfrist für Gletscher#

Niederschlagsreicher Frühling mit viel Schnee in den Bergen führte zu geringerem Abschmelzen der Gletscher#


Von der Wiener Zeitung (Dienstag, 22. Oktober 2013) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Petra Tempfer


Langfristig werden die Eismassen auf den Bergen dennoch verschwinden.#

Jahresvergleicch des Goldbergkees in der Sonnblick-Region der Hohen Tauern
Zumindest die Schneedecke auf dem Goldbergkees in der Sonnblick-Region der Hohen Tauern ist heuer gewachsen, wie im Jahresvergleich ersichtlich. Das Eis darunter schmolz dennoch - wenn auch langsamer, weil die Schneemassen die Sonne reflektierten und den Gletscher schützten.
© apa/Zamg

Wien. Wer denkt, der sengend heiße Sommer dieses Jahres hätte das Gletschereis auf Österreichs Bergen vermehrt zum Schmelzen gebracht, der irrt. Tatsächlich sind die von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) vermessenen Gletscher in den Hohen Tauern heuer langsamer geschmolzen als im langjährigen Mittel. Im Bereich des Hohen Sonnblicks etwa reduzierte sich die Eisdecke um nur einen halben statt wie durchschnittlich einen Meter. Der untere Pasterze-Gletscher schmolz um rund sieben Meter - in den vergangenen Jahren waren es zwischen acht und neun Meter.

Ein Grund für Antithesen zur Klimaerwärmung ist das aber noch lange nicht: Im langfristigen Trend gehen die Eismassen auf den Bergen zurück. Niedriger gelegene Gletscher in Österreich wie der Hohe Sonnblick (um die 3000 Meter Seehöhe), die sich nicht in höhere Gebiete zurückziehen können, werden sogar noch in diesem Jahrhundert komplett verschwinden.

Am Beispiel des größten Gletschers Österreichs, der acht Kilometer langen Pasterze (zwischen 2100 und 3450 Meter Seehöhe) am Fuße des Großglockners, sieht man das Abschmelzen am deutlichsten. "In den niedriger gelegenen Bereichen zerfällt der Gletscher zuerst in kleine Gletscher, die dann nach und nach verschwinden", sagt Zamg-Klimaforscher Daniel Binder im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Seit 1856 ist die Pasterze bereits um fast die Hälfte auf heute 15 Quadratkilometer Fläche geschrumpft.

In der Schweiz legten Gletscher sogar Eis an#

Warum die Gletscher heuer trotz des ungewöhnlich heißen Sommers langsamer schmolzen, erklärt Binder so: "Die hohen Niederschläge des späten Frühjahres gingen in höheren Lagen als Neuschnee nieder. Dadurch hat die Schmelzperiode später eingesetzt." Die Neuschneedecke lag gleich einem Schutzschild über den Gletschern, da sie aufgrund ihrer weißen Farbe die Sonnenstrahlen reflektierte. Zudem musste sie zuerst selbst schmelzen, bevor das Gletschereis zutage kam.

Auch in Österreichs Nachbarländern sind die Masseverluste der Eismassen heuer geringer. "Das ist vielerorts beobachtbar, in der Schweiz gab es teilweise sogar einen Massezuwachs", sagt Andreas Vieli, Glaziologe am Geographischen Institut der Universität Zürich. "Das heißt aber nicht, dass die Gletscher in der Länge gewachsen sind - seit etwa 20 Jahren ziehen sie sich aufgrund der Klimaerwärmung tendenziell zurück."

In den vergangenen 150 Jahren sind die Temperaturen aufgrund des Treibhauseffekts global um rund 0,8 Grad Celsius gestiegen. Im gleichen Zeitraum gab es in Österreich eine Erwärmung um 1,8 bis 2 Grad Celsius. Helga Kromp-Kolb, Leiterin des Instituts für Meteorologie an der Universität für Bodenkultur in Wien, erklärt, warum: Gebirgige Regionen wie in Österreich der alpine Raum reagieren besonders sensibel auf Sonne, weil die Flächen, die sich durch die Bestrahlung erwärmen können, aufgrund der hohen Berge größer sind. Ein Teufelskreis, werden doch die Alpen durch die schrumpfenden Gletscher zunehmend dunkler - und dadurch leichter aufheizbar.

Gletscherskifahren boomt durch heiße Sommer#

Dem Gletscherskifahren taten die Klimaerwärmung und das Schmelzen der Eismassen bisher allerdings noch keinen Abbruch. "Diese Sportart boomt generell und wird immer häufiger nachgefragt", heißt es vonseiten der Tourismusverbände im Westen Österreichs. Auch das Wandern auf gesicherten Gletscherpfaden werde immer beliebter. Heiße Sommer wie der heurige kommen dem Gletscher-Tourismus sogar entgegen: Zahlreiche Sportler zog es in eine der acht Ganzjahres-Skiregionen (fünf in Tirol und je eine in Salzburg, Kärnten und der Steiermark), um der Hitze im Tal zu entfliehen.

Wiener Zeitung, Dienstag, 22. Oktober 2013


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