Tauende Böden#
Das Fenster für das Erreichen der Pariser Klimaziele könnte noch früher zugehen.#
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung, 18. September 2018
Laxenburg/Wien. Das Kontingent, das der Mensch noch in die Atmosphäre bringen kann, ohne einen Anstieg der weltweiten Temperaturen um mehr als zwei Grad Celsius zu riskieren, könnte schneller erschöpft sein als bisher vermutet. In einer Studie im Fachblatt "Nature Geoscience" haben Forscher des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg nämlich errechnet, wie stark das Tauen von Permafrostböden das Fenster zum Erreichen der Klimaziele verkleinert.
Um als Permafrostboden durchzugehen, muss dieser mindestens über zwei Jahre gefroren sein. Die Böden speichern viel organisches Material. Tauen die oberen Schichten auf, entweichen von dort auch die Treibhausgase Kohlendioxid und Methan. Im Zuge des Temperaturanstiegs vor allem in kühlen Regionen der Erde tauen immer größere Flächen auf, was dazu führt, dass vorher gespeicherter Kohlenstoff in die Atmosphäre gelangt.
Große Schwankungsbreite#
Bei der Einigung zum Pariser Abkommen, dessen Ziel die Begrenzung der Erwärmung auf ein Plus von zwei bzw. 1,5 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts ist, wird von noch zur Verfügung stehenden Emissionsbudgets ausgegangen. Wie viel Kohlendioxid der Mensch aber tatsächlich noch sozusagen zur Verfügung hat, hängt auch davon ab, wie sich der Ausstoß aus diesen Böden entwickelt. Dieser Faktor sei bei den Prognosen bisher wenig berücksichtigt worden, so das Team unter der Leitung von IIASA-Forscher Thomas Gasser.Unter der Annahme verschiedener Zukunftsszenarien errechneten die Wissenschafter, dass die Emissionsbudgets zwischen acht und 25 Prozent schrumpfen, wenn der Beitrag der Permafrostböden berücksichtigt wird. Allerdings sind die Prozentangaben in ihrer Arbeit mit großen Schwankungsbreiten behaftet.
Dass es hier viele Variablen gibt, zeigt auch eine in "Nature Climate Change" erschienene Studie von Wiener Forschern. Denn im Allgemeinen geben Böden, sobald sie wärmer werden, mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre frei. Der Grund dafür ist, dass darin enthaltene Mikroorganismen bei höherer Temperatur schneller arbeiten und organische Substanz abbauen, so die Forscher um Andreas Richter vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Uni Wien in der Publikation. Doch die Mikroben passen sich ihren Experimenten zufolge nicht an die Wärme an - was wiederum gut für das Klima sei.
Im Boden sei drei Mal so viel Kohlenstoff enthalten wie in der Atmosphäre. Sollten also die Mikroben unter wärmeren Bedingungen mehr davon abbauen, könnte dies die Erderwärmung beschleunigen. Doch die Reaktion der Mikroorganismen auf die Erwärmung war bisher noch schlecht vorhersagbar.
Mikroben mitentscheidend#
Die aktuelle Arbeit präsentiert Daten eines Langzeitexperiments über 50 Jahre - länger als bisher alle Beobachtungen weltweit. Die Forscher untersuchten Böden in Island, die sich aufgrund geothermaler Aktivität erwärmt haben, und analysierten, wie sich die Erwärmung langfristig auf die Aktivität und Zusammensetzung der Mikroorganismen auswirkt."Es zeigte sich, dass durch die wärmebedingt höhere Aktivität der Mikroorganismen 40 Prozent des Kohlenstoffes der oberen Bodenschichten verloren gegangen waren, das ist eine gewaltige Menge", so Richter. Nach rund fünf Jahrzehnten gab es aber keine höheren CO2-Verluste mehr, es bestanden keine Unterschiede mehr zwischen Kontrollböden und den bis zu sechs Grad Celsius wärmeren Böden.
Die Wissenschafter fanden heraus, dass sich die Mikroorganismen nicht an die wärmeren Bedingungen angepasst haben, sondern auch nach 50 Jahren Erwärmung noch immer schneller Kohlenstoff abbauten als bei Normaltemperaturen. Was sich allerdings angepasst habe, war die Menge der Organismen im Boden, so Richter. So waren viel weniger Mikroben zu finden, weil weniger Kohlenstoff zur Verfügung steht.
Offenbar gebe es einen Mechanismus, der einen fortgesetzten Verlust von Kohlenstoff aus den Böden verhindert. Allerdings nur, solange die Temperaturen nicht noch weiter steigen.