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Max Frey, „Die Ausrufung der Republik am 30. Oktober 1918“#


Mit freundlicher Genehmigung des Heeresgeschichtilichen Museums (30. Oktober 2018)

Von

Stefan Kurz


Blick in den Ausstellungssaal 'Republik und Diktatur'. Im Hintergrund das Ölgemälde von Max Frey.
Blick in den Ausstellungssaal "Republik und Diktatur". Im Hintergrund das Ölgemälde von Max Frey.
Foto: ©HGM

Dieses von Max Frey (1902-1955) geschaffene Gemälde verweist auf eines der zentralen politischen Ereignisse in der Entstehungsgeschichte der Republik Österreich, trägt aber bemerkenswerter Weise einen eigentlich irreführenden Titel – und dies obwohl das Werk explizit für das unter Bundespräsident Karl Renner (1870 – 1950) geplante „Museum der Ersten und Zweiten Republik“ geschaffen wurde. Zur Republik wurde „Deutschösterreich“ wie sich dieser Staat damals noch nannte, nämlich erst am 12. November 1918. Am 30. Oktober kam es allerdings zur vielleicht noch bedeutsameren Begründung eines eigenständigen „deutschösterreichischen“ Staates, indem der von der provisorischen Nationalversammlung gewählte Staatsrat zum Träger der Regierungs- und Vollzugsgewalt in den deutschsprachigen Gebieten des Habsburgerreiches ausgerufen wurde, womit der Anspruch auf die Unterordnung der in jenen Gebieten befindlichen Behörden und Truppen einherging.

Bereits einige Tage zuvor war am 21. Oktober 1918 auf Grundlage des Völkermanifestes von Kaiser Karl I. (1887 – 1922), mit dem dieser zur Bildung von Nationalräten als Voraussetzung für die föderale Neuordnung des Habsburgerreiches aufgerufen hatte, im Niederösterreichischen Landhaus in der Herrengasse die provisorische „deutschösterreichische“ Nationalversammlung zusammengetreten, die von den deutschsprachigen Reichsratsabgeordneten aller politischen Parteien gebildet wurde. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde unter Bezug auf die Formel vom „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ deutlich gemacht, dass das alte Habsburgerreich als bereits untergegangen betrachtet wurde und durch selbstständige, gänzlich demokratisch konstituierte Staaten der einzelnen Nationalitäten ersetzt werden müsse.

Die Abgeordneten der ersten provisorischen Nationalversammlung bei deren Konstituierung im Niederösterreichischen Landhaus, 21.10.1918.
Die Abgeordneten der ersten provisorischen Nationalversammlung bei deren Konstituierung im Niederösterreichischen Landhaus, 21.10.1918.
Foto: © HGM

Wie sich deren Verbindungen zueinander gestalten würden und welche Staatsform ein zukünftiger „deutschösterreichischer“ Staat haben sollte, blieb da jedoch noch offen. Die Positionen reichten vom Erhalt des gemeinsamen Wirtschaftsraumes der Nachfolgestaaten im Rahmen eines Bundesstaates bis hin zu einem Anschluss an das Deutsche Reich. Weitgehend einig waren sich die Abgeordneten jedoch darüber, dass, wie es der sozialdemokratische Parteiführer Viktor Adler am 21. Oktober 1918 formulierte, der deutschösterreichische Staat auf sich alleine gestellt „kein wirtschaftlich entwicklungsfähiges Gebilde wäre“. Geprägt waren die Debatten dieser konstituierenden Sitzung der Nationalversammlung über die politischen Grenzen hinweg von allerdings unterschiedlich stark ausgeprägten Bezügen zur „deutschen Nation“, in Abgrenzung zu dem mit dem alten Reich verbundenen Begriff „Österreich“.

Bereits in seine Eröffnungsrede knüpfte der sozialdemokratische Präsident der provisorischen Nationalversammlung Karl Seitz (1869 – 1950) zudem an die auch in der öffentlichen Diskussion hergestellten Bezüge zum Revolutionsjahr 1848 an, wobei die nunmehrigen Staatsbildungsprozesse auf dem Gebiet der Habsburgermonarchie als Realisierung der bereits 70 Jahre zuvor erhobenen Forderungen interpretiert wurden.

Max Frey, 'Die Ausrufung der Republik am 30. Oktober 1918'.
Max Frey, "Die Ausrufung der Republik am 30. Oktober 1918".
Foto: © HGM

Diese Tendenzen kommen auch in der von Max Frey geschaffenen künstlerischen Darstellung der Ereignisse des 30. Oktober 1918 zum Ausdruck. Neben roten Fahnen werden von der vor dem Landhaus versammelten Menschenmenge auch Fahnen mit den deutschen Farben mitgeführt. Tatsächlich sollen unter den mehreren tausend Personen in der Herrengasse hauptsächlich Arbeiter und eine kleinere Gruppe prononciert Deutschnationaler gewesen sein. Die roten Fahnen verweisen neben der deutlichen Präsenz von Sozialdemokraten auch auf das sozialrevolutionäre Potential der vorherrschenden öffentlichen Atmosphäre. Schon am 30. Oktober wurden vor dem Landhaus Forderungen nach Ausrufung der Republik erhoben und Soldaten und Offiziere wurden dazu gedrängt kaiserliche Kokarden zu entfernen und durch deutschösterreichische Nationalitätenabzeichen zu ersetzen. Jenseits der organisierten Sozialdemokratie traten radikalere sozialistische Kräfte für einen völligen Umbruch der Gesellschaftsordnung ein. Statt der bürgerlichen parlamentarischen Demokratie wollte sie eine Räterepublik wie sie dann 1919 in Bayern oder Ungarn entstand.

MMag. Stefan Kurz#

Ich bin Historiker, Politikwissenschafter und Milizoffizier des Bundesheeres. Als wissenschaftlicher Assistent des Direktors ist mein Aufgabengebiet sehr vielfältig und jeweils anlassbezogen mit den verschiedensten musealen Tätigkeiten verbunden. Es erstreckt sich damit u.a. von eigentlichen Assistenzaufgaben, über das Kuratieren von Ausstellungen bis hin zu wissenschaftlichen Arbeiten.

Meine Forschungsinteressen liegen insbesondere in der Militärgeschichte der Habsburgermonarchie des „langen 19. Jahrhunderts“, der Militärdiplomatie und dem Zusammenhang zwischen der Entwicklung des stehenden Heeres und der modernen Staatlichkeit. Aktuelles Forschungsgebiet ist die Geschichte des Heeresgeschichtlichen Museums.

Heeresgeschichtiliches Museum, 30. Oktober 2018


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