Als man mit Blut die Grenze schrieb#
Am Sonntag feiert Kärnten den 90. Jahrestag der Volksabstimmung über den Verbleib bei Österreich#
Von der Wiener Zeitung (Donnerstag, 7. Oktober 2010) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Wolfgang Zaunbauer
Abwehrkampf wurde trotz Niederlage zu politischem Sieg. Politik machte Kärntner Kampf zu "deutschem" Kampf#
Vier Jahre lang hatten sie Seite an Seite für die Habsburger-Monarchie gekämpft, nun standen sie sich feindlich gegenüber. Wenige Tage nach dem Ende des Ersten Weltkrieges marschierten südslawische Truppen in Kärnten ein, um weite Teile des gemischtsprachigen Landes für den neuen Staat der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS) zu beanspruchen. In der Folge griffen die Kärntner zu den Waffen – vom Rest Österreichs übrigens weit mehr unterstützt, als lange Zeit zugegeben. Militärisch war der Kärntner Abwehrkampf kein Erfolg. Im Juni 1919 besetzten jugoslawische Truppen Klagenfurt. Die Bedeutung des Abwehrkampfes liegt anderswo. "Militärisch war er nicht erfolgreich, politisch schon", sagt der Grazer Historiker Stefan Karner. So hätten die Verhandler der Pariser Friedensverträge erkannt, dass sich in Kärnten Widerstand gegen die jugoslawischen Gebietsansprüche regte – im Gegensatz zur Südsteiermark, wo es keinen Widerstand gab, weshalb dieses Gebiet ohne Plebiszit verloren ging.
Aufgrund des Widerstandes der Kärntner setzte US-Präsident Woodrow Wilson für 10. Oktober 1920 eine Volksabstimmung über die Zukunft Südkärntens an. In zwei Zonen sollte abgestimmt werden. Falls in Zone I eine Mehrheit für den Verbleib bei Österreich stimmt, würde die Abstimmung in Zone II entfallen. Alle südlich der Karawanken gelegenen Gebiete (Kanaltal, Seeland und Mießtal) wurden im Friedensvertrag von Saint Germain ohne Abstimmung abgetrennt.
59 Prozent stimmten für Verbleib bei Österreich#
Die Ungewissheit dauerte bis zum 13. Oktober 1920 um 18.30 Uhr. Dann erst beendeten 16 Böllerschüsse vom Turm der Klagenfurter Stadtpfarrkirche das bange Warten. Nun war es fix: Die Mehrheit der Südkärntner Bevölkerung hatte sich für den Verbleib bei Österreich ausgesprochen. Das Bemerkenswerte dabei: Von den 22.000 Stimmen für Österreich (59 Prozent) waren 12.000 von slowenischsprachigen Kärntnern. 15.000 stimmten für den SHS-Staat. Dieser akzeptierte die Entscheidung nur zögerlich und erst nach einem neuerlichen Einmarsch.
Der Abwehrkampf, in dem man "man mit Blut die Grenze schrieb", wie es in der Kärntner Landeshymne überhöhend heißt, forderte insgesamt 420 Tote, 270 davon Kärntner. Für das Land und sein Selbstverständnis stellt er mit der Abstimmung das wichtigste identitätsstiftende Ereignis dar.
Neue Brisanz erhielt er im Mai 1945, als jugoslawische Partisanen noch vor den Briten Klagenfurt besetzten. Die Tatsache, dass sich Jugoslawien 1945 „das nehmen wollte, was es 1920 nicht bekommen hat“, wie Karner sagt, festigte in Kärnten die fixe Idee der ständigen slawischen Bedrohung – die sogenannte „Kärntner Urangst“ –, die auch auf die Kärntner Slowenen projiziert wurde. Der Same des Ortstafelstreits war damit quasi gesät. Dass Jugoslawien kommunistisch wurde, tat sein Übriges. Abwehrkampf und Volksabstimmung erhielten schon ab den 1930er Jahren eine neue Deutung. Die Politik instrumentalisierte den Kampf der Kärntner um ihre Landeseinheit als einen „deutschen“ Kampf um Kärnten. Dabei wurde verdrängt, dass viele Slowenischsprachige unter den Abwehrkämpfer waren, "weil sie einfach Kärntner waren", wie Karner sagt.
Die politische Rhetorik wird versöhnlicher#
Fragt man heute die Kärntner nach der Bedeutung des 10. Oktober, erntet man oft nur ein Achselzucken und den Hinweis, dass an diesem Tag halt frei ist. Anders die Politik. Sie hat sich jahrelang des 10. Oktobers bedient, um Feindbilder aufzubauen. Auch heute noch wird Landeshauptmann Gerhard Dörfler nicht müde, die Bedeutung von Abwehrkampf, Volksabstimmung und der Verbrechen der Tito-Partisanen – eine Reaktion auf das brutale Vorgehen des NS-Regimes gegenüber der jugoslawischen Bevölkerung – zu betonen. Doch die Rhetorik wird zunehmend eine andere, eine versöhnlichere. In diesem Sinne sieht Dörfler auch das Motto des großen Festumzuges am kommenden Sonntag: „Gestern – Heute – Morgen“. Unversöhnlich zeigt sich Dörfler allerdings gegenüber dem Kärntner Heimatdienst (KHD), weil der lange gegen die Kärntner Slowenen polemisiert habe. Mittlerweile setzt der KHD allerdings auf Versöhnung und Dialog.
Der Kärntner Heimatdienst – vom Saulus zum Paulus#
Die Scharfmacher von einst sind heute um Konsens bemüht. Der Obmann im Interview#
Wiener Zeitung: (zaw) Herr Feldner, wie werden Sie den 10. Oktober feiern?
Josef Feldner: Wir haben einen Vorstandsbeschluss, an den offiziellen Jubiläumsveranstaltungen nicht teilzunehmen.
Wieso nicht?
Weil wir wegen unserer Verständigungs- und Versöhnungsbereitschaft ausgegrenzt werden. Das passt offensichtlich nicht ins Konzept der Kärntner Freiheitlichen.
Wieso sind Sie bei der FPK in Ungnade gefallen?
Ich kann nur vermuten, dass die Arbeit der Kärntner Konsensgruppe vom Landeshauptmann als Eingriff in die Arbeit der Politik betrachtet wird. Und dass es nicht passt, dass wir unseren Weg der Verständigung mit der slowenischen Volksgruppe so konsequent gehen und innerhalb der Konsensgruppe gemeinsame Veranstaltungen abhalten.
Da gibt es offenkundig auch wahlpolitische Überlegungen seitens der FPK. Man will den rechten Rand nicht verlieren oder verärgern. Dieser rechte Rand ist derzeit beim Kärntner Abwehrkämpferbund und dem Kameradschaftsbund.
Sie gehörten früher selber zu den Scharfmachern. Wieso dieser Sinneswandel?
Rückblickend bezeichnen wir die Zeit bis etwa 2005 als Periode der Konfrontation. Diese Konfrontation war aber keine einseitige. Da war auch die slowenische Seite nicht gesprächsbereit. Aus heutiger Sicht haben wir vieles nicht richtig gemacht, zu plakativ argumentiert, das Negative hervorgehoben. Der Wandel passierte nicht von einem Tag auf den anderen. 2005 trat Bundeskanzler Wolfgang Schüssel an uns und die Slowenenvertreter heran und forderte uns auf, im Vorfeld der Politik eine Einigung zu erzielen. Nach kurzer Zeit konnten wir uns auf 67 zusätzliche Ortstafeln zu den 91 seit 1977 bestehenden einigen, also auf insgesamt 158.
Seither arbeiten wir weiter an vertrauensbildenden Maßnahmen und befinden uns in einem Dauerdialog. Ich glaube, wir haben schon einiges weitergebracht. Aber die Freiheitlichen in Kärnten sehen das als Einmischung in die Politik.
Gerhard Dörfler wirft Ihnen vor, jahrelang Grauslichkeiten verbreitet zu haben.
Dörfler verkennt dabei, dass die Kärntner Freiheitlichen bis vor kurzem dieselbe Position vertreten haben wie ich damals.
Wie beurteilen Sie die derzeitigen Fortschritte in der Ortstafelfrage?
Durchaus positiv, weil das eine Abkehr von der bisherigen Position der Kärntner Freiheitlichen ist. So hat das BZÖ noch im November 2008 in einem Grundsatzpapier festgehalten, alle Heimatverbände zu unterstützen, die keine weiteren zweisprachigen Ortstafeln wollen. Wenn Gerhard Dörfler und Uwe Scheuch nun Lösungsbereitschaft zeigen, kann man das nur begrüßen.
Information#
Der Kärntner Heimatdienst (KHD) wurde 1957 als Nachfolger des historischen Kärntner Heimatdienstes (K.H.D.) von 1920 gegründet. Über Jahrzehnte propagierte er eine äußerst rigide Haltung in der Volksgruppenpolitik. Ab 2005 rückte der KHD von seinem Nein zu zweisprachigen Ortstafeln ab und engagierte sich gemeinsam mit dem Zentralverband der Kärntner Slowenen in der "Kärntner Konsensgruppe". Diese wurde für ihre Bemühungen um den Dialog zwischen den Volksgruppen 2009 mit dem "Europäischen Bürgerpreis" sowie dem "Verfassungspreis" ausgezeichnet.