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Kleine Ursache, großer Effekt#

Innovationen sind Auslöser und Motor für Wandel und Entwicklung. Sie verändern die Wirtschaft und mit ihr die gesamte Gesellschaft. Ein Forschungsteam am Graz Schumpeter Centre untersucht, wie sich neue Technologien ausbreiten, welche Rahmenbedingungen diesen Prozess beschleunigen oder bremsen und welche gesellschaftlichen Folgen technischer Fortschritt nach sich zieht.#


Der Artikel wurde freundlicherweise zur Verfügung gestellt von dem Forschungsmagazin der Karl-Franzens-Universität UNIZEIT Ausgabe 2/2013


Von

Gudrun Pichler


Grafik: technischer Fortschritt in der Informations- und Kommunikationstechnologie
Die Grafik zeigt, wie technischer Fortschritt in der Informations- und Kommunikationstechnologie die Produktivität (impact) in anderen Sektoren (1–51) mit der Zeit (1970–2010) verändert.
Grafik: © Rita Strohmaier

Forschung schafft die Voraussetzungen für zukunftweisende Erfindungen, die – wenn sie von Unternehmen umgesetzt werden – zu Innovationen werden können, oft mit weitreichenden Folgen. Sie verändern Preise, Löhne, soziale Strukturen. „Ein ökonomisches System ist immer auch ein soziales System, in dem verschiedene AkteurInnen interagieren und dabei von unterschiedlichen Rahmenbedingungen beeinflusst werden“, unterstreicht Univ.-Prof. Dr. Heinz D. Kurz, Leiter des Graz Schumpeter Centre der Karl-Franzens-Universität Graz. Im Rahmen eines vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts untersucht Kurz mit einem Team junger VolkswirtInnen das komplexe Zusammenspiel von ökonomischen, sozialen und institutionellen Faktoren, die bei der Verbreitung technischen Fortschritts eine Rolle spielen.

Typisches Muster. #

Eine zentrale Frage, die das Forschungsteam beschäftigt, ist, wie sich ein neuer Produktionsprozess durchsetzt. „Hier gibt es ein typisches Muster“, erklärt Projektmitarbeiter Mag. Andreas Rainer. „Wird ein Gut mithilfe einer neuen Technologie produ-ziert, geht die Wirtschaftsleistung unter Umständen zuerst zurück.“ Gründe dafür können fehlende Erfahrung, hohe Umrüstungskosten und zu wenig Fixkapital sein. „Nach einem schleppenden Einstieg kommt es dann aber zum ,Take Off’, die Innovation ,hebt ab’ und durchdringt anschließend den Markt. Dieses Muster ist auch bei der Einführung neuer Produkte oder bei aktuellen Modetrends zu beobachten“, berichtet Andreas Rainer.

Heinz D. Kurzmit dem Team des Graz Schumpeter Centre
Heinz D. Kurz (r.) mit dem Team des Graz Schumpeter Centre: Johanna Pfeifer, David Haas, Marlies Schütz, Andreas Rainer und Nicole Palan (v.l.)
Foto: © Pichler

Eine erfolgreiche Innovation heizt immer den Wettbewerb an. Gelingt es einem Unternehmen, durch eine neue Technologie ein Gut kostengünstiger zu produzieren, sinken dadurch die Preise. Durch gesteigerten Absatz kann die Firma höhere Profite erzielen und expandieren, während die Konkurrenz, die noch auf herkömmliche Weise produziert, ins Hintertreffen gerät. Diesen Prozess nennt der Ökonom Joseph Alois Schumpeter (1883– 1950) „die kreative Zerstörung“. Das Alte muss weichen. Es kommt zu einem strukturellen Wandel.

Eine Innovation belebt aber häufig auch andere Wirtschaftssektoren. „Kann zum Beispiel Strom durch eine neue Solartechnologie günstiger als durch kalorische Kraftwerke erzeugt werden, so ist auch im Elektrizitätssektor eine Steigerung der Profitabilität möglich“, erklärt Andreas Rainer, der sich unter anderem mit „General Purpose Technologies“ auseinandersetzt. Dabei handelt es sich um Technologien, die sich auf viele andere Sektoren auswirken, weil sie dort neue Produktionsprozesse ermöglichen, wie eben die Energie- oder Kommunikationstechnologien.

Bedingungen. #

Eine weitere wesentliche Frage, die das Projektteam beschäftigt, ist jene nach dem Einfluss wirtschaftlicher und institutioneller Faktoren auf die Ausbreitung von Innovationen. Die ForscherInnen berücksichtigen dabei sowohl formelle, gesetzliche Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel das Patentrecht oder Umweltauflagen, als auch informelle Normen und Gewohnheiten. Zu letzteren zählen unter anderem die in einem Unternehmen etablierten Strategien und Kompetenzen, die in enger Beziehung zum Bildungssystem stehen. „Innovationen erfordern neue Qualifikationen. Je rascher es gelingt, die benötigten Arbeitskräfte auszubilden, umso schneller kann sich die Innovation durchsetzen. Gleichzeitig wirkt technischer Fortschritt auf das Bildungssystem zurück, indem er es den neuen Anforderungen entsprechend verändert“, erläutert Heinz D. Kurz. Diese Wechselwirkung gilt auch für die anderen am Prozess beteiligten Institutionen.

Soziale Folgen.#

„Eine Innovation hat in einem System eine ähnliche Wirkung wie ein Steinchen, das ins Wasser geworfen wird und weite Kreise zieht“, fasst der Ökonom zusammen. „Kleine Ursache, große Wirkung.“ Von besonderer Bedeutung für die Gesellschaft sind nicht zuletzt soziale Konsequenzen, die durch den wirtschaftlichen Strukturwandel hervorgerufen werden. Im Prozess der „kreativen Zerstörung“ verlieren bisher erlernte Kompetenzen an Bedeutung. MitarbeiterInnen mit traditionellen Berufen werden weniger oder gar nicht mehr benötigt. Die Arbeitslosigkeit steigt. Fachkräfte mit aktuell gefragten Qualifikationen werden hingegen höher entlohnt, so dass sich soziale Unterschiede zusätzlich verstärken. Erst nach einer Phase der Umstellung kommt es wieder zur Angleichung.

Modell.#

Ziel des Projekts ist, ein Modell zu entwickeln, das die Ausbreitung neuer Technologien in wirtschaftlichen Systemen abbildet, indem es Produktionsprozesse, Preisstruktur und Einkommensverteilung in einem komplexen Zusammenhang darstellt. Zur Anwendung kommen neue mathematische Methoden. Das theoretische Modell wird dabei durch empirische Wirtschaftsdaten, die bis in die 1970er- Jahre zurückreichen, abgeglichen. So zum Beispiel aus dem Textilsektor, in dem sich die Produktion von Südeuropa nach Südostasien verlagert hat. Dr. Nicole Palan analysiert den Zusammenhang von Einflussfaktoren, wie niedrigen Löhnen, gesunkenen Transportkosten oder der Öffnung der Grenzen, und den Folgen der massiven Umwälzungen.

Das Modell soll dazu beitragen, die komplexen Abläufe und Mechanismen, Ursachen und Wechselwirkungen besser verstehen und präziser beschreiben zu können.

Heinz D. Kurz #

... ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Karl-Franzens- Universität Graz und Leiter des 2006 gegründeten Graz Schumpeter Centre. Seine Forschungsschwerpunkte bilden die Wirtschaftstheorie in den Themenbereichen Produktion, Wachstum, Einkommensverteilung, technischer Wandel und natürliche Ressourcen. Darüber hinaus befasst sich Heinz D. Kurz mit der Theoriegeschichte in den Wirtschaftswissenschaften und ist Herausgeber der unveröffentlichten Werke Piero Sraffas.

UNIZEIT Ausgabe 2/2013