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Die bedeutsame Belanglosigkeit der Bischofssynode#

Von

Herbert Kohlmaier

Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 161/2015


Zwei Arten von Kirche#

Heutzutage gibt es viele Kirchen unterschiedlicher Art und Größe, es kommen auch immer wieder neue dazu (Frei-, Pfingstkirchen etc.). Doch darum geht es bei den folgenden Überlegungen nicht, sondern um zwei Arten, Begriffe oder auch Modelle von „Kirche“ und deren Verständnis. Sie unterscheiden sich wesentlich voneinander. Einerseits existieren die Kirchen als Institutionen, welche auf eine bestimmte organisierte und sichtbare Weise Christen versammeln. Auf der anderen Seite bedeutet Kirche weitreichende spirituelle Gemeinschaft, „Familie Gottes“. Sie bildet sich durch das Wirken des Heiligen Geistes und umfasst alle, die sich von Wort und Heilshandeln Jesu Christi betroffen fühlen.

Es ist klar, dass jede Kirche meint, sie werde natürlich beidem gerecht, also der praktischen und der geistigen Dimension. Handfeste Gründe verlangen ja nach Organisation und nach dem verbindlichen Festschreiben von gemeinsamen Glaubensinhalten. Religiöse Praxis und Kult wollen geordnet sein, was Regeln und das Einsetzen von Ämtern erfordert. All das soll aber in Übereinstimmung mit dem spirituellen Kirchenbegriff geschehen, ja, diesen ganz befördern, damit sich Kirche wahrhaft und auf vollkommene Weise manifestiert.

Allerdings ist die gewünschte Harmonie dieser beiden religiösen Sphären keineswegs einfach zu bewerkstelligen. Organisation ist des Menschen, Glaube als Bindung an Gott ist aber dessen Sache. Institutionen sind stets den sich wandelnden Umständen von Zeit und Ort ausgesetzt, ebenso der Unvollkommenheit und Fehlerhaftigkeit derer, die sie gestalten und lenken. Wie kann also erreicht werden, dass die dem Wirkungsbereich des Geistes innewohnende Kraft das weltliche Gebilde prägt? Und dass dieses nicht gar umgekehrt mit seiner Fehlerhaftigkeit die hehre Sphäre des eigentlichen Glaubens beeinträchtigt?

Der historische Befund ist ebenso eindeutig wie enttäuschend: Noch keiner Glaubensgemeinschaft ist das Kunststück gelungen, nur Heiliges „top-down“ fruchtbar werden zu lassen und die schädlichen Wirkungen „bottom-up“ zu vermeiden. Menschenwerk mehr oder weniger heiliger Art (auch allzu Menschliches!) wird auf die Bildfläche des Glaubens projiziert und damit oft zu dessen problematischer Prägung. Umgekehrt findet sich für manch Geisteswalten kein Platz im noch so bemühten frommen Getriebe.

Das Problem ist ja nicht nur das der Religionen. Was wurde aus der Idee einer konfliktfreien klassenlosen Gesellschaft des Karl Marx, geschrieben auf die roten Fahnen der kämpfenden Bataillone? Und was aus den hehren Idealen von Nation und Volk, wenn sie von Menschenverächtern verwirklicht werden sollten? Also wird stets ratsam sein, das Erstrebte klar zu bestimmen und voll Sorgfalt festzuschreiben, bevor man es irgendjemandem zur Verwirklichung überlässt. Und die mit dieser Aufgabe Betrauten müssen als Erstes in strenge Pflicht genommen werden, damit kein Unfug passiert und das Anliegen nicht beschädigt wird.

Das große Rechtfertigungsmanöver#

Im öffentlichen Leben sollen das die Grundsätze rechtsstaatlicher Demokratie sicherstellen. Das als Staatsziel gezeichnete Idealbild muss allein durch seine Darstellung in diesem ersten Schritt ganz überzeugen. Erst im nächsten sind jene zu bestimmen, die sich der Umsetzung des Gewollten in die Realität widmen. Deren Vorgehen muss dann stets und kritisch von allen, denen es dienen soll, beobachtet und kontrolliert werden. Unabhängige Instanzen haben das ebenfalls zu überprüfen; und vor allem muss vorgesehen sein, dass ungeeignete, schlechte oder gar falsche Diener der Idee wieder entfernt werden.

Nicht der Träger des Amtes bestimmt also dessen Befugnis; diese richtet sich vielmehr danach, dass eine vorgegebene, klar beschriebene und vor allem begrenzte Aufgabe zu erfüllen ist. Gänzlich verfehlt wäre ja, es dem Belieben der Diener des Wohls zu überlassen, was sie zu tun haben, was zu erreichen ist und auf welche Weise das geschehen soll! Aber es ist eigentlich unfassbar: Die Katholische Kirche Roms beschreitet genau diesen Weg! Sie hat es unternommen, denen, die dem Glauben dienen sollen, auch diesen selbst ganz zu überantworten: zur alleinigen Bestimmung seines Inhalts und der Art seiner Handhabung!

Der gordische Knoten im beschriebenen Spannungsfeld zwischen geistiger und organisierter Kirche sollte auf diese gar kühne Weise durchschlagen werden. Beide werden einfach zusammengelegt, der spirituelle Teil wird damit vom weltlichen gleichsam aufgesaugt und so kann es keine Diskrepanz mehr geben. Doch dieser scheinbar perfekten Konstruktion steht die eindeutige Erfahrung entgegen, dass Menschen, wenn sie irgendeine Aufgabe erfüllen, fehlbar sind. Macht korrumpiert, und das umso mehr, je größer sie ist.

Um Bedenken und Einwände dieser Art auszuweichen, folgte die Kirche dem Beispiel der weltlichen Herrscher früheren Zeiten. Diese waren prinzipiell göttlich, oft berufen durch überirdische Zeugung. Damit war jede Frage nach der Legitimität ihrer Macht und der Rechtmäßigkeit ihres Handelns von vornherein ausgeschlossen. Ganz in diesem Sinn bemächtigte sich die Kirche der Göttlichkeit Jesu, um Herrschaft über den Glauben und die Gläubigen auszuüben. Dass Jesus eindringlich vor Machtausübung gewarnt hatte, konnte man vermeintlich ignorieren, denn man tat ja alles in seinem Namen, an seiner Stelle und in seinem Auftrag.

Es ist unbedingt geboten, das dabei angewandte und eigentlich recht plumpe Rechtfertigungsmanöver sichtbar zu machen, dessen man sich nach wie vor bedient, um einfach kraft kirchlichen Amtes Heiligkeit und gar Göttlichkeit zu erlangen, sozusagen alles auf einen Streich. Am besten geben darüber Auskunft der Katechismus (Nr. 763 – 766, „Die Kirche – von Jesus Christus gegründet“) und das sog. Kirchenrecht (Can 331 – Der Papst). Nach dem Dokument der Lehre hätte Gottvater schon seit dem Ursprung der Welt beschlossen, die an Christus Glaubenden „in der heiligen Kirche zusammenzurufen“. Dann hätte Jesus den Anfang der Kirche gesetzt, indem er die Frohbotschaft verkündete.

Es wird also zunächst der spirituelle Kirchenbegriff bemüht, aber wenn von „Kirche“ die Rede ist, gilt dies natürlich nur für die einzig als wahre errichtete katholische. Doch dann folgt der Schritt zur Institution: Jesus „gibt seiner Gemeinschaft eine Struktur“, heißt es da, an erster Stelle durch die Wahl der Zwölf mit Petrus als ihrem Haupt. „Durch all diese Akte gründet Christus die Kirche und baut sie auf“, lesen wir weiter. Dem Katechismus schließt sich dann nahtlos der Codex an: Im Bischof von Rom dauert das von Jesus dem Petrus übertragene Amt fort. So ist der Papst Stellvertreter Christi und verfügt über „höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt“.

Der Weg zu Willkür und Hybris#

Diese absolut uneingeschränkte göttliche Kompetenz des Papstes wird also auf folgende Weise begründet: Jesus habe dem Petrus die Aufgabe und Vollmacht übertragen, seine (schon lang vorgesehene) Kirche zu errichten und zu leiten; nämlich derart, dass dieser eine göttliche Vertretungsvollmacht ausübt, also anstelle von Christus handeln kann. Und diese Aufgaben und Befugnisse seien ganz und genau so auf den Bischof von Rom übergegangen, der ja Nachfolger des Petrus wäre.

Nun könnte eine umfangreiche Darlegung folgen, welche die Unhaltbarkeit dieser Behauptungen aufzeigt – es ist dies allerdings schon vielfach geschehen und heute allgemein bekannt, dass der jüdische Rabbi Jesus keine neue Religion gründen wollte. Bei der Aufforderung an Petrus, aus der Gruppe der Jünger eine viel umfassendere institutionelle Gemeinschaft zu entwickeln, handelt es sich wahrscheinlich um eine nachösterliche Textbildung. Sie ziert heute als Inschrift den Petersdom als Legitimation des Papsttums.

Doch selbst wenn Jesus die Worte von Petrus dem Felsen und der darauf zu gründenden Kirche ausgesprochen hätte, wären sie an fromme (und übrigens verheiratete) Juden gerichtet gewesen, von einem Beschnittenen an Beschnittene. Ein Auftrag, Gemeinschaft des Glaubens „Struktur zu geben“ konnte sich daher keinesfalls auf das Christentum bezogen haben, das Ergebnis eines erst Jahrzehnte später eintretenden schmerzlichen Prozesses der Loslösung von der Mutterreligion war. Was die Apostelgeschichte berichtet, lässt auch keineswegs den Schluss zu, Petrus habe das jüdische Gesetz zugunsten von etwas Neuem aufgeben wollen.

All das ist ja bekannt, ebenso, dass es keineswegs eine Substanz dafür gibt, eine dieselbe Aufgabe lückenlos fortsetzende Verbindung von den Aposteln zu den Bischöfen anzunehmen. Deren Amt wurde ja erst später nach weltlichem Muster ausgestaltet, also ausgerichtet auf Befehlsgewalt und mit deren Attributen geziert. Bei der „Nachfolge“ handelt es sich also um einen bloßen Anspruch, wie ihn jedermann in Bezug auf früher Lebende stellen kann. Er mag natürlich durchaus auch seinen Wert haben, wenn er mit der Absicht verbunden ist, deren Wirken fortzusetzen. Das hat die Kirche zweifellos zumindest versucht; und niemand kann übersehen, dass sie dabei auch viel Großes und Gutes geleistet hat.

Kehren wir aber zu den zwei Kirchenmodellen zurück: Die in Anspruch genommene Befugnis der Hierarchie, im Auftrag und mit Vollmacht Jesu die Kirche zu gestalten, prägte deren Wesen durch und durch. Dieses Gebilde entwickelte man zwar stets unter Berufung auf Jesus, aber das Ergebnis war weitaus überwiegend von den Ansichten und Entscheidungen seiner Amtsträger bestimmt. Der Wille des angeblichen Auftraggebers trat gegenüber dem, was man als vermeintliche Auftragnehmer meinte, tun zu müssen und zu dürfen, weit in den Hintergrund. Schließlich musste das Willkür erzeugen, in der weiteren Folge Hybris. Man sah sich schließlich im Besitz der einzigen Wahrheit, der alleinigen Fähigkeit zur Heilsvermittlung und der Berechtigung, totalen Gehorsam zu verlangen. Das Modell organisierte Kirche triumphierte in einzigartiger Monopolstellung von Allmacht.

Es geht nicht um konservativ oder fortschrittlich!#

Der Sieg des bis in jede Einzelheit durchorganisierten Religionsgebildes war jedoch nur ein scheinbarer, denn die spirituelle Kirche ließ und lässt sich nicht verdrängen. Sie inspirierte für sich allein zu allen Zeiten unzählige Menschen in der Kirche, nicht nur deren Heilige, sie veranlasste zu vielfachem heiligen Tun. Sehr oft wich dieses von dem ab, was vorgeschrieben war. Die Kirche der Inspiration ist ungebunden und frei. Sie kommt leichtfüßig einher, gar tanzenden Schrittes, während sich die Institution Kirche unter der Last ihrer Gebilde mühsam dahinschleppt. Nun entsetzt beobachtend, dass sie trotz aller Anstrengungen nicht recht weiterkommt, während ihr die vom Geist Erfassten davoneilen, nach vorn blickend, nicht selten auch zurückwinkend und zum Nachkommen ermunternd.

Immer wieder wird gesagt, es gäbe in der Kirche Fortschrittliche und Konservative. In Wahrheit gibt es die Zugehörigkeit zur Vorschriftenkirche auf der einen und die zur spirituellen Kirche auf der anderen Seite. Ganz kann man nicht in beiden beheimatet sein, man muss sich entscheiden, wo man wohnen und wohin man in erster Linie blicken will – auf Gott oder auf die in seinem Namen von Menschenhand konstruierten Gebilden.

Zurzeit tagt eine Bischofssynode in Rom. Einberufen von einem Papst, der sich sogleich als Bewohner der spirituellen Kirche deklariert hat, und das mit aller eindrucksvollen Deutlichkeit! Alle warten, ob nun Entscheidungen über bestehende und womöglich zu ändernde Regelungen erfolgen. Doch das ist in Wahrheit belanglos. Vorschriften haben nur in der organisierten Kirche Bedeutung, aus der bereits eine Massenflucht eingesetzt hat – entweder durch das Verlassen oder durch ein sich innerlich Loslösen und Ignorieren.

Beschlüsse der Institution Kirche sind für die Kirche des Geistes ohne Bedeutung, auch wenn sie in feierlicher Versammlung herbeigeführt werden. Sie sind heute nur mehr Selbstzweck einer total veralteten Glaubensbürokratie. Sie erfolgen zur Befriedigung oder zum Entsetzen von Bischöfen, die nicht nur geografisch aus verschiedenen Welten kommen. Ansonsten sind sie schon deshalb belanglos, weil kaum jemand Kirchengeboten irgendeine Wichtigkeit für sein Leben beimisst.

Was in Wahrheit Bedeutung hat, ist das höchst spannende Aufeinandertreffen der beiden Kirchenmodelle in Rom. „Siegen“ wird dieser Tage da wohl niemand, aber es wird für die Zukunft der Kirche von sehr großer Bedeutung sein, ob im so weiten Land des Glaubens eine Orientierung der Versammlung erkennbar ist und in welche Richtung sie erfolgt.


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