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Brauchen wir die Katholische Kirche noch? Der Versuch einer Antwort#


Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 418/2022

Von

Franz Hammerschmid


Die Ausführungen von Prof. Stetter betreffend die Geschichte der Katholischen Kirche weisen schon auf ein Ereignis hin, das richtungsweisend für diese Institution war. Als im Jahre 380 die Katholische Glaubensgemeinschaft durch Kaiser Theodosius zur

Staatsreligion ernannt wurde, musste diese Gemeinschaft auch Staatsgeschäfte übernehmen. Dies erforderte auch ein imposantes Auftreten, das die Ausübung einer Macht signalisierte. Beides wurde bis heute beibehalten. Nimmt man das gesellschaftliche Verhalten dieser Kirche in der geschichtlichen Vergangenheit und der Gegenwart als Maß, so liegt der Vergleich nahe, dass es sich hier um einen Konzern, eine Firma handelt, deren Bedürfnisse denen eines heutigen Unternehmens nicht unähnlich sind. Heilsam war für mich die begriffliche Trennung bei der Betrachtung der Kirche in die „Firma“ und in den Glauben. Die Anforderungen des Glaubens werden nur marginal durch die Firma bedient, betrachtet man die Geschichte der indigenen Völker, der Glaubenskriegshandlungen, den Missbrauch in der neuen Vergangenheit und den zukünftigen, da keine Änderung, die mit einer Bekehrung verbunden sein sollte, in Sicht ist. Wäre die Kirche gezwungen, so wie alle Konzerne auf der Erde, eine Bilanz per Jahresende zu erstellen, die nicht nur die Vermögenswerte berücksichtigt, sondern auch die Versäumnisse und Schäden bekanntgibt, die sie verursacht hat, wie würde das Firmenergebnis aussehen?

Doch JA, wir brauchen die Katholische Kirche! Wir brauchen sie für die, die durch den Kommunismus, der sie über die Jahrzehnte geprägt hat, im Verständnis von Ethik bzw. deren Forderungen zurückgeblieben sind. Sie sind dadurch zu Blinden und Lahme geworden, die in ihrer Unwissenheit den Lebensraum unserer Erde vernichten.

JA, wir – besser: diejenigen – brauchen sie, die auch in ihrem Glauben fester Strukturen bedürfen, die ihnen mit Vorschriften einen Weg weisen. Sie müssen sich irgendwo festhalten, müssen klare Regeln befolgen können, um in ihrem Weltbild ein Äquivalent zu finden. Ihr Glaube erinnert an den Merkantilismus, wo man durch Gebete in sein Glaubenskonto einzahlt, wo man durch Ausübung der entsprechenden Riten seine Rabattmarken bekommt, wo der Himmel oben ist und die Hölle unten und die anthropomorphe Hierarchie natürlich im Himmel seine Reflexion hat. „Gott will mit Dir sprechen, warum sagst Du Ihm Gedichte auf?“ sage ich vergebens zu diesen „Merkantilisten“.

JA, wir brauchen sie, um den vielen Priestern und Ordensleuten eine materielle Absicherung zu geben, damit sie sich auf ihren Beruf des Hirten konzentrieren können. Und hier kommen wir zu einer transitorischen Stelle. Hier stoßen wir auf die vielen geistlichen Berufe, die von einer Berufung getragen sind. Sie begeben sich an die äußerste Grenze der kanonischen Vorschriften, um die Botschaft und nicht bloß den Wortlaut des Evangeliums in die Tat umzusetzen. Sie sind die Vielen, die einen lebendigen Gottesdienst zur Verbindung der Gemeinde mit Gott bewerkstelligen, die aus den Bedürfnissen der Gemeinde und zu ihrem Wohl ihre tägliche Arbeit leisten. Daher…

Nein, wir brauchen weder die Katholische noch die Evangelische Kirche, soweit sie ihr eigentliches Wesen, geschwisterliche Gemeinschaft zu sein, verfehlen. Das gilt selbst dann, wenn wir an die Caritas, die Diakonie und viele andere karitative Einrichtungen denken. Viele Menschen reagieren ja erstaunt, wenn man ihnen erzählt, dass diese Institutionen kirchliche Einrichtungen sind. So groß ist der Unterschied zwischen der „Firma“ Kirche und der tätigen Umsetzung des Glaubens. Manche treten aus der Kirche aus, um das Kirchenbeitragsäquivalent an die Caritas zu überweisen.

Weder Ja noch Nein. Offen bleibt die Frage: Was aber machen wir mit jenen Menschen, die, wiewohl sie in ihrer Kindheit in die Kirche eingebunden waren, mit dem Erwachsenwerden auch im Glauben gewachsen sind und zu einem persönlichen, liebevollen Gottesbild gelangt sind? Für sie ist jeder Tag mit einem Dialog mit Gott erfüllt, sie pflegen ihr Gewissen wie ein empfindliches Instrument, damit sie die Stimme Gottes hören können. Ihre Prämisse ist „Gott, sei Du in uns, damit wir in Dir sein können“. Für sie ist die Kirche ein archäologisches Grabungsfeld, wo man manchmal Zeugnisse von Gottsuchenden finden kann, wenn man den vielen Schutt entfernt, den die Machtbedürfnisse angehäuft haben.

Die Tatsache, dass die Kirche dringend eines Aggiornamento, eines à jour, einer Anpassung an ihre Tagesbedürfnisse notwendig hat, ist sehr alt und immer aktuell. Es ist dies keine Anbiederung an irgendwelche Trends oder Modeerscheinungen, sondern die Wahrnehmung ihrer eigenen Aufgaben in der heutigen menschlichen Gesellschaft. Geht der Heilige Geist täglich am Überbau der Kirche vorbei, um bei der Basis einzukehren?

Franz Hammerschmid ist engagiertes Mitglied der Pfarre St. Thekla in 1050 Wien