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Vielleicht will Gott die Gemeinden zur Selbständigkeit führen#


Von

Herbert Bartl

Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 226/2017


Die angesehene Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“ hat sich neulich (Nr. 25/17) unter dem Titel „Die verheirateten Priester“ mit dem Problem dieser Gruppe von Geistlichen, aber darüber hinaus mit einem „neuen Entbrennen“ der Zölibatsdebatte vor dem Hintergrund eines rapiden Sinkens der Neupriester befasst. Papst Franziskus habe – von der Öffentlichkeit wenig beachtet – im November eine kleine Gruppe verheirateter Priester mit ihren Frauen und Kindern empfangen und Stunden mit ihnen zugebracht, begleitet von einem Kamerateam. Dass die Begegnung mit dem Kirchenoberhaupt etwas Bewegung in die leidige Geschichte des Zölibats-Problems bringe, sei bemerkenswert. –

Als direkt Betroffener habe ich diesen Artikel mit großem Interesse gelesen, die Entwicklung in Österreich betreffend die Wahrnehmung und Behandlung verheirateter und daher aus dem Amt geschiedener Priester verläuft bei uns ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland.[1] Ich selbst gehöre zur "Konzilsgeneration", bin vor 50 Jahren geweiht worden und feiere schon in zwei Jahren "Goldene Hochzeit".

Ein Rückblick: Unter Paul VI kam es in den Fällen von Priestern, die sich zur Ehe entschlossen, zu eher rascheren Dispensverfahren. Ich vermeide hier ganz bewusst den Begriff "Laisierung". Sogar Kardinal Groer hat in zwei persönlichen Gesprächen, die wir hatten, immer wieder betont, dass nach der gültigen Lehre der Kirche ein einmal geweihter Priester nie mehr "Laie" werden kann. Von den meisten Betroffenen, darunter auch von mir, wurde um Erlaubnis zur Eheschließung, also um Dispens von der Zölibatsverpflichtung gebeten, unser "Weiheversprechen" haben wir niemals zurückgenommen!

Durch die Gewährung dieses Dispenses unterliegen wir auch keiner Beugestrafe (Suspension oder gar Exkommunikation) sondern gleichsam als Preis für die Eheerlaubnis wurde uns ein ein-faches Verbot auferlegt, priesterliche Dienste auszuüben – das wurde uns so auch von Rom bestätigt. Andere Beschäftigungen im kirchlichen Dienst waren nach erfolgtem Dispens durchaus möglich. Viele meiner Kollegen sind bis zur Pensionierung als Religionslehrer tätig gewesen bzw. noch aktiv. Der Dienst des Pastoralassistenten wurde allerdings nicht in Erwägung gezogen und, salopp formuliert, so begründet: Da könnte es zu Spannungen kommen, der Pfarrer wäre uns die Ehefrau neidig und wir dem Pfarrer sein Priesteramt...

Unser Zusammenschluss unter verschiedenen Namen, letztlich als "Verein Priester ohne Amt" (PoA) wurde damals u. a. von Kardinal König auch begrüßt. Der bedeutendste Erfolg, den wir erreichten, war die Mitwirkung bei der Regelung der Pensionssituation im Rahmen einer der zahlreichen ASVG-Novellen.[2] Unsere Zeiten im kirchlichen Dienst werden für die Pensionsberechnung voll anerkannt, obwohl nur die dafür notwendigen Dienstgeberbeiträge von den Diözesen bzw. Ordensgemeinschaften nachgezahlt werden müssen. Für die Zustimmung der Bischöfe und der Ordensoberenkonferenz zu dieser Regelung sind wir sehr dankbar!

Für diejenigen, die nicht in den Schuldienst wechseln wollten, ergaben sich damals auf dem Arbeitsmarkt vor allem im sozialen Bereich Möglichkeiten. Besonders jüngere Kollegen konnten eine zusätzliche Ausbildung machen. Teils wurden sie dabei von unserem Solidaritätsfonds unter-stützt, vor allem wenn die Einkommenssituation durch die Berufstätigkeit der Frau gesichert war. Oft allerdings hatte auch die Frau eine kirchliche Anstellung, was dann zu größeren Problemen führte, weil sie ebenfalls aus dem Dienst ausscheiden musste.

Soweit einige wichtige historische Anmerkungen. Doch wie sieht die Situation heute aus? Meine Generation der Pensionisten trifft sich noch regelmäßig, um miteinander Eucharistie zu feiern, über unseren Glauben zu reden und Gemeinschaft zu pflegen. Die der uns nachfolgenden Gene-ration konnten wir trotz einiger Bemühungen nicht gewinnen. Für sie ist das Kapitel "Priester sein" offenbar abgeschlossen.

Jüngere folgen kaum nach. Zum Teil leben sie auch im Amt mit Partnern (Frauen oder eventuell Männern) zusammen und halten das auch gar nicht so geheim. Das wird von den Gemeinden weitgehend akzeptiert, und wenn sie nicht offiziell heiraten wollen, werden sie auch vom Bischof kaum gestört. Andere sind mit der Zölibatsverpflichtung zufrieden, oder sie scheuen die Probleme, die der Berufswechsel mit sich bringt. Auch die mit ihnen lebenden Frauen dürften sich weitgehend mit der Situation abgefunden haben, wobei sicher sie zunächst am meisten unter der ungeklärten Situation leiden.

Was mich allerdings wundert bzw. auch stört ist die Tatsache, dass die sogar kirchenrechtlich eingeräumte Möglichkeit, dispensierte Priester zu priesterlichen Diensten einzuladen, kaum wahr-genommen wird. Der Can 1335 CIC sieht vor, dass uns die Gläubigen (und das sind wohl auch unsere Bischöfe) zu priesterlichen Diensten einladen könnten, und das wäre „aus jedwedem guten Grund“ erlaubt. (Dass man sich in Rom mit dem Hinweis aus der Affäre ziehen will, es gäbe doch keine guten Gründe dafür, ist juristisch wohl zumindest bedenklich). Man muss uns ja kein Amt anvertrauen, das generelle einfache Berufsverbot bleibt ja aufrecht! Aber zu gelegentlichen Vertretungen in Notfällen oder Urlaubs- und Krankenstandsvertretungen wären wir da und dort durchaus bereit, ohne als „Blaulichtpriester“ von Gemeinde zu Gemeinde eilen zu müssen.

Aber auch wir Alten machen das "pastorale Kraut" nicht mehr fett. Vielleicht ist es der Wille Gottes, die Gemeinden dazu zu führen, selbständig zu werden und sich geeignete Menschen zu suchen, die Leitungsaufgaben übernehmen – auch die Leitung der Eucharistie. Dann wären wir vielleicht sogar prophetische Existenzen – eine durchaus attraktive Vorstellung im Herbst des Lebens.

Herbert Bartl ist Vorsitzender der Vereinigung „Priester ohne Amt“.

Fußnoten#

[1] Die im Artikel genannte Zahl von 500 für die BRD scheint viel zu tief gegriffen, sind wir in Österreich schon mehr als 600!
[2] Allgemeines Sozialversicherungsgesetz


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