Zur "inneren" Glaubenskrise des Lehramts #
Von
Theodor Gams, Gießhübl
Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit, Nr. 87/2013
Zu Recht wurde an dieser Stelle neulich von der Entfremdung zwischen Kirchenzentrale und Volk Gottes gesprochen, die sich in der Selbstüberhöhung der Zentrale zeigt. Ich habe Hoffnung, dass die menschliche Umgangsform von Papst Franziskus diese Entfremdung der Form nach mildert. Nur einen Hoffnungsschimmer habe ich allerdings, dass dies auch zu Veränderungen in der kirchlichen Struktur führen wird.
Befürchtung hingegen hege ich, dass die Entfremdung weiter zunimmt, welche zwischen dem Lehramt und dem Teil des Volkes Gottes besteht, der hinter der Fassade des überalterten Lehrgebäudes dessen Morbidität erkennt und daher schon längst ausgezogen ist; es möglicherweise noch als Museumsobjekt schätzt, aber darin nicht mehr leben will.
Der Auswege aus der Situation der Entfremdung sehe ich zwei: Einen rationalen Weg, das "Auf-den-Stand-der-Zeit-Bringen" der Lehre; und den anderen, eher mystischen Weg, nämlich die radikale Beschneidung der überholten Lehre auf die Theologie Jesu und das Hinwenden zu seinem Handeln. Beide Wege müssten wohl parallel verlaufen, um die Entfremdung zu beenden.
Zum Ausweg des "Auf den Stand der Zeit Bringens" der Lehre: In Gesprächen mit theologisch interessierten Katholiken, darunter auch Priestern, wird deutlich, dass wesentliche Glaubensaussagen nicht mehr ernst genommen werden. Das Credo selbst, die Dogmen und andere Lehraussagen haben, zumindest im Leben kritisch denkender mitteleuropäischer Katholiken, keinen "Sitz" in deren Leben.
Die Folge: Diejenigen, die selbst durch intensive theologische Beschäftigung die Diskrepanz zwischen Lehre und modernem Denken aufzulösen in der Lage sind, indem sie z. B. bei Rahner, Küng, Steindl-Rast u. v. a. Theologen Rat suchen, finden ihren eigenen Glaubensweg.
Andere aber haben schon längst die Kirche verlassen und werden dies weiterhin tun, sofern das Lehramt die innere Glaubenskrise nicht zu beenden vermag. Dies aber wäre ein sehr langer Prozess, der auch eine neue Theologengeneration braucht. Selbst viele und auch kritische Verkündiger haben heute die alten Lehraussagen so verinnerlicht, dass sie glaub-würdige Aussagen zu Auferweckung, Leben nach dem Tod, Allmacht, Personalität Gottes, Trinität, Jungfrauengeburt, Wundern, u. v. a. m. nicht in heutige Sprache umzusetzen vermögen; ja selbst gute Prediger umgehen kritische Themen zumeist.
Damit gehen der Kirche weiterhin die Vordenker verloren, welche, wie Paulus zu seiner Zeit, der Entfremdung zwischen Glaube und Welt wehren und als Wegbereiter für eine Neu-Evangelisierung wirken könnten.
Dipl. Ing Theodor Gams ist Unternehmer auf dem Gebiet der Biotechnologie und als Diakon mit Zivilberuf in der Erzdiözese München-Freising inkardiniert.