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unbekannter Gast

Vorbemerkung#

Es gibt einen verdienten Priestertyp, den wir alle kennen und schätzen, der aber leider immer seltener anzutreffen ist. Meist handelt es sich um eher schon betagte Geistliche, die über große Seelsorgeerfahrung verfügen und von ihrer Gemeinde geschätzt werden. Das unterscheidet sie von Manchen, die in der Hierarchie (sehr) hoch hinaufgeklettert sind!

Nicht Wenige davon sind bereits im Ruhestand, aber noch immer engagiert in jenem Geist, der sie ihre Berufung erkennen ließ. Da melden sie sich auch kritisch zu Wort. Der Verfasser der folgenden Briefe – an den Vorsitzenden der österreichischen Bischofskonferenz und schon vor drei Monaten an Papst Franziskus – tut dies recht energisch. Er hat ausdrücklich zugestimmt, dass die beiden Texte veröffentlicht werden.

Herbert Kohlmaier


01. 02. 2014

Gott zum Gruß, Herr Kardinal!#

Von

Willibald Eichinger

Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 112/2014


Danke für Deine Antwort auf mein Email vom 23. 6. 2013. Meine Botschaft an Dich hat fast zwei Seiten gehabt. Deine Antwort drei Zeilen, in denen Du die beleidigte Majestät spielst, weil ich Euch Bischöfe Hampelmänner und Radfahrer[1] genannt habe. Ein Axiom in der Psychologie sagt: „Es trifft mich, was mich betrifft!“ Scheint’s haben Dich die zwei Wörter getroffen. Ich kann mir nur hoffen und wünschen, dass von Deiner Seite entsprechende Konsequenzen folgen.

Ich habe bis heute überlegt, ob ich es noch einmal unternehmen soll, Dir zu schreiben. Dein letzter Fernsehauftritt vorige Woche und ein Gespräch mit einem engagierten Laien, dem es ähnlich erging wie mir, hat mich bewogen, es noch einmal zu tun. Es ging um den päpstlichen Fragebogen[2] und die österreichische Beantwortung. Ich habe bei Gott nicht das Gefühl gehabt, dass Du auch nur ein Bisschen hinter den Anliegen der österreichischen Katholiken stehst. Ihr Bischöfe habt die Antworten 1:1 dem Papst übergeben und seid froh gewesen, die heiße Kartoffel aus den Händen zu haben.

Mit welchem Engagement steht Ihr Bischöfe hinter den Anliegen Eurer Katholiken? Seid Ihr für Eure Katholiken da oder für die päpstliche Kurie? Euer Engagement in den letzten Jahrzehnten war enttäuschend. Ihr habt Eure Gläubigen verraten! Wo war Euer Engagement beim Kirchenvolksbegehren, wo beim Dialog für Österreich? Ihr werdet von den Gläubigen Eurer Diözesen bezahlt und nicht von der Kurie! Oder liege ich da falsch? Ein weises Sprichwort sagt: „Wes Brot ich ess´, des Lied ich sing!“

Als der Hl. Vater Dich bat, ihm beim IOR zu helfen[3], da hat im Fernsehen Dein Gesicht gestrahlt. „Gerne helfe ich dem Hl. Vater!“ Wie gerne hilfst Du deinen Gläubigen? Bei Deinem letzten Fernsehauftritt vorige Woche hat Dein Gesicht nicht so gestrahlt. Man merkte die Mühe, wie Du um Worte gerungen und Dich um klare Antworten gedrückt hast. Immer wieder hast Du – so war mein Eindruck und der meines oben zitierten Gesprächspartners – Mt 19,6 (wörtlich ident mit Mk 10,9) mit einer gewissen Schadensfreude wie eine Keule geschwungen gegen die Geschiedenen und Wiederverheirateten.

Hast Du Dir einmal die Mühe genommen und Mt. 19,6 (Mk. 10,9) im offiziellen, vom Lehramt autorisierten lateinischen Text zu lesen? Dort steht: „Quod ergo Deus coniunxit, homo non separet!“ Als alter Lateiner weißt Du, dass „separet“ 3.P. Sg. Konjunktiv Präsens ist. Der Konjunktiv ist die Möglichkeits- – oder Wunschform, aber niemals eine Befehlsform. Wenn der Übersetzer ein klares und eindeutiges Verbot mit dem „homo non separet“ zum Ausdruck hätte bringen wollen, hätte er drei andere Möglichkeiten gehabt:

  1. „homo non separat“
  2. „homini separare non licet“ (homini separare non licitum est)
  3. „homini non separandum est“

Es ist schon richtig, dass es ein großes Ideal ist, dass der Mensch nicht trennen möge, was Gott verbunden hat. Aber wer hat das Recht fest zu stellen, wen Gott wann und wo und wie verbunden hat? Ist nur die Verbindung von einem Mann und einer Frau das einzige, wahre und sichtbare Zeichen für die liebevolle Zuwendung Gottes an uns Menschen? Ist nicht jede Zuwendung zu einem anderen Menschen ein sichtbares Zeichen? Zeichen sind Zeichen, die aus sich heraus wirken, und wenn Zeichen nicht mehr wirken, haben sie ihren Sinn verloren.

In der Dogmatik haben wir beim Sakrament der Eucharistie gelernt, wenn das eucharistische Brot aufhört, Brot zu sein, und der Wein nicht mehr Wein ist, dann ist auch die Realpräsenz Gottes nicht mehr gegeben. Wenn eine Glühbirne ausgebrannt und somit kein leuchtendes Zeichen mehr ist, muss man sie durch eine neue ersetzen, damit sie wieder ein leuchtendes Zeichen sein kann. Analog müsste man beim Sakrament der Ehe sagen können und dürfen: wenn eine Ehe nicht mehr Zeichen der gegenseitigen Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung und Liebe ist, dann ist dieses Zeichen eo ipso kein Hl. Zeichen mehr, das etwas Positives sichtbar macht. Eine – aus welchen Gründen auch immer – gescheiterte und kaputte Beziehung ist kein Zeichen mehr für die liebevolle Zuwendung Gottes, sondern das Gegenteil: ein Zeichen für die Abwesenheit Gottes = die Hölle. Und kann es im Sinne einer Kirche sein, die dem Menschen Freude und Heil bringen soll, den Menschen zu einer Hölle auf Erden zu verdammen? Das ist sicher nicht im Sinne Jesu und schon gar nicht der Auftrag der Kirche!

Die Kirche hat den Auftrag, Heil zu vermitteln und nicht Unheil! Warum tut sich die Kirche so schwer mit Menschen, die atypisch sexuell veranlagt sind? Sind diese Menschen keine Geschöpfe – und eben Abbilder Gottes? Wenn Gott den Menschen asexuell, bisexuell, heterosexuell oder homosexuell geschaffen hat, dann ist es unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, den Menschen so anzunehmen wie er ist, so wie Gott ihn geschaffen hat. Wir können Gott keine Vorschriften machen, wie er die Menschen auszustatten hat. Die zölibatäre Männergesellschaft der Kirchenführung nimmt sich das Recht heraus, sagen zu dürfen, wer wann, wo und wie leben darf und soll, damit er den Vorschriften der Kirche entspricht.

Das ist unchristliche, menschenverachtende Diskriminierung. (Das Gesetz ist für die Menschen da und nicht umgekehrt!) Und noch dazu ist es eine scheinheilige Doppelmoral, wenn Menschen „in der Welt“ (auch einfache und gewöhnliche Priester- siehe Z. B .Walhala!) so diskriminiert werden, während höhere Kleriker die Stufenleiter der Hierarchie mühelos und – vielleicht so gar noch unterstützt von oben – noch weiter nach oben klettern können. Scheinheiliger geht es wirklich nicht mehr! Es ist nicht zu verwundern, wenn normal denkende Menschen diese ganze scheinheilige Doppelmoral durchschauen und der Kirche den Rücken kehren. In Sachen Ehemoral hat die Kirche ohnehin schon jede Autorität verloren, sie steht ihr auch nicht zu. Die Kirche hat nicht das Recht von etwas zu reden, das sie selbst nicht lebt. Das macht sie unglaubwürdig.

Herr Kardinal, Du hast in Deiner kurzen Antwort den Wunsch geäußert, dass ich Euch Bischöfen Wohlwollen entgegenbringen soll. Ich bringe grundsätzlich jedem Menschen mein Wohlwollen entgegen. Ich wünsche mir von meinen Bischöfen, dass Ihr endlich begreift, dass Ihr auf Seiten Eurer Gläubigen zu stehen habt, sonst bleibt Ihr weiterhin Vasallen Roms (Hampelmänner und Radfahrer: bitte, beweist das Gegenteil!). Laut Oberösterreichische Nachrichten vom 31.1.2014 hat der Hl. Vater zu Euch Bischöfen gesagt: „Seid den Menschen nahe“ (nicht der Kurie!!!) Es wäre schön und befreiend, wenn wir Katholiken von Euch Bischöfen mit einem strahlenden Gesicht hören könnten: „Mit Freude unterstützen wir eure Anliegen und stehen voll und ganz auf eurer Seite!“

In Liebe und Sorge um die Kirche von heute verbunden verbleibe ich

W. E., par. emer.


01. 11. 2013

Hochwürdigster Herr Bischof von Rom, lieber Bruder Franziskus!#

Ich bin pensionierter Priester der Diözese Linz und verfolge aufmerksam Deine Worte und Taten. Es ist wohltuend, wie es Dir in den wenigen Monaten Deiner Dienstzeit gelungen ist, wieder die Fenster und Türen der Kirche zu öffnen. Endlich haben die Menschen wieder Mut zum Atmen, das ihnen in der stickigen Luft der letzten Jahrzehnte vergangen ist. In der Kirche ist wieder eine Hoffnung eingekehrt, die man schon verloren glaubte. Danke für Deine Einfachheit und Schlichtheit, für Deine Demut und Deine unbeirrbare Hoffnung. Danke, dass Du wieder den Menschen in den Mittelpunkt der Kirche gestellt hast und nicht das System Kirche.

Du setzest Dich ein für die Armen in der Welt. Bitte, vergiss die Armen nicht, die an der und in der Kirche leiden, weil die Kirche kein Verständnis für ihre Sorgen und Nöte hat. Um den Menschen in seiner konkreten Situation geht es: wie er ist und wie er lebt, nicht wie er sein oder leben soll. Gott ist Mensch geworden, der reale, fehlerhafte, endliche und begrenzte Mensch, nicht ein Idealmensch.

Du hast in deinen Worten und Taten schon viel angeregt und bewegt. Unter anderem hast Du vorgeschlagen, die Titel Prälat und Monsignore abzuschaffen. Die Frage ist berechtigt, ob man diese Titel braucht. Aber warum bei den Reformen bei den Kleinen unten beginnen? Die können sich nicht wehren. Diese Titel sind eine Anerkennung und Auszeichnung für besonders verdienstvolle Persönlichkeiten. Warum diese abschaffen? In der Kirche wird ohnedies zu wenig gelobt und Anerkennung ausgesprochen. Auf die Verzierungen an den Gewändern kann man gerne verzichten. Die sind nur äußerer Tand.

Warum bei den Reformen nicht oben beginnen? Dort wäre es bitter notwendig. Ein deutsches Sprichwort sagt: „Der Fisch beginnt beim Kopf zu stinken“. Das Vatikanum II hat den Papst als den „Primus inter pares“ bezeichnet. Zwischen dem „Primus“ und den „Pares“ sind die „Secundi“, die Kardinäle, die Privilegierten. Das Kardinalskollegium geht auf „kein Wort“ Jesu zurück, ist daher weder göttlichen noch jesuanischen Ursprungs. Es ist eine Erfindung herrscherlichen Machtdenkens, ein Apparat mit einem überbordenden Pomp und Prunk. Es ist ein Kreis, von Senioren, der vom Papst ernannt wird und der den Papst wählt. Das ist ein zirculus vitiosus. Die in Rom amtierenden Kardinäle waren in den letzten Jahrzehnten die eigentlichen Regenten der Kirche, die zum Niedergang geführt haben. Wozu braucht die Kirche die Kardinäle? Ich sehe keine Notwendigkeit.

Wenn der Papst „Primus inter pares“ ist, dann ist der Papst auch von den „Pares“ zu wählen. Und dann hat der Papst auch den „Pares“ mit gutem Beispiel voranzugehen und mit 75 Jahren um Pension einzureichen, ebenso die Kardinäle, die ja alle Bischöfe sind oder sind die mehr wert als die „gewöhnlichen“ Bischöfe?

Kehren wir zurück zur alten „Dreifaltigkeit“: Diakonat, Presbyterat, Episkopat. Die Diözesen wählen ihren Bischof, so wie es Jahrhunderte lang gewesen ist. Der Bischof von Rom kann den Ortsbischof bestätigen. Die einzelnen Bischofskonferenzen wählen Vertreter in die Weltbischofssynode. Diese wählt den „Primus“. Das wäre eine transparente und menschliche Vorgangsweise. Und der aufgeblasene Apparat würde um ein Beträchtliches kleiner und überschaubarer. Korruption hätte dann auch keinen so großen Raum mehr und die Kirchenführung würde wieder glaubwürdiger werden.

An dieser Glaubwürdigkeit hat es in den letzten Jahrzehnten gewaltig gefehlt. Die lokalen Bischofskonferenzen brauchen wieder mehr Bewegungsfreiheit. Probleme müssen dort menschenwürdig gelöst werden, wo sie sind. Die Vertröstung auf weltweite Problemlösungen sind nur feige und verantwortungslose Ausreden. Die Probleme der Kirche in Afrika sind andere als die in Europa. Lösungen für Europa können für Afrika total daneben gehen und umgekehrt. Einheit gibt es nur, wenn es Vielfalt gibt. Jesus hat um Einheit gebetet und nicht um Uniformität.

Und noch ein Wort zur Glaubwürdigkeit und Einfachheit: Mitra, Pilleolus und Hirtenstab sind keine Zeichen mehr für die Gegenwart, die versteht niemand mehr. Nehmt Eure Kopfbedeckungen ab, damit der HL. Geist wieder auf Euren Häuptern landen kann! Gebt das Pastorale aus der Hand, damit Eure Hände frei werden zum Handeln! Und lasst den schönen Worten auch entsprechende Handlungen folgen. Du, lieber Bruder Franziskus, zeigst uns einen Weg. Danke dafür und viel Mut!

In der Sorge um die Kirche und in der Liebe zur Kirche mit Dir verbunden grüßt herzlich

W. E., par. emer.

Konsistorialrat Willibald Eichinger lebt in Pregarten, Oberösterreich, wo er als Pfarrer wirkte.

Fußnoten#

[1] Diese Redewendung soll Menschen beschreiben, die sich nach oben bücken und nach unten treten

[2] Zur Akzeptanz kirchlicher Ehe- und Sexualmoral

[3] Berufung in die Kardinalskommission zur Aufsicht über die Vatikanbank


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