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unbekannter Gast

Herrn Bundespräsident Dr. Heinz Fischer#


Von

Herbert Kohlmaier

Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit, Nr. 24/2011


Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Erlauben Sie mir, dass ich als langjähriger Politiker und Abgeordneter sowie zuletzt Volksanwalt Ihre Aufmerksamkeit auf ein Problem lenke, das mir und vielen Anderen äußerst wichtig erscheint.

Nach offiziellen Berichten haben Sie neulich Kardinal Schönborn einen Weihnachtsbesuch abgestattet, wobei „Verbundenheit und Dankbarkeit für das gute Miteinander zwischen Politik und Religionsgemeinschaften“ bekundet wurden. Dies ist natürlich deshalb berechtigt, weil gerade die Katholische Kirche vor allem auf dem Gebiet der Sozialhilfe, der Erziehung und Krankenpflege sehr wertvolle Beiträge für unser Gemeinwesen leistet. In vielen Pfarren finden Menschen religiöse Vertiefung sowie wertvolle zwischenmenschliche Kontakte.

Die Kirche ist freilich andererseits eine vom Vatikan geleitete Institution, die mit dem Codex Iuris Canonici über ein eigenes Rechtssystem verfügt. In diesem spiegelt sich eine Verfassung der Glaubensgemeinschaft wider, die in einen ganz erheblichen Widerspruch zu heute in der zivilisierten Welt allgemein anerkannten und unverzichtbaren Grundsätzen der Gemeinschaftsbildung geraten ist.

Bei genauer und kritischer Betrachtung handelt es sich um ein strikt autoritäres System, das alle Macht in der Hand einer Person, nämlich des Papstes, konzentriert, dessen Entscheidungen keiner Kritik oder Korrektur zugänglich sind. Den Mitgliedern der Kirche stehen kaum oder nur unzureichende Möglichkeiten zur Verfügung, an Entscheidungen, von denen sie betroffen sind, mitzuwirken oder Kontrollmechanismen in Gang zu setzen. Die zur Verfügung gestellten Rechtsbehelfe sind unzureichend und beschränken sich im Wesentlichen auf ein Anhörungsrecht, dem nicht einmal der Anspruch auf Erledigung hinzugefügt ist.

Was besonders ins Gewicht fällt, ist eine mangelnde Beachtung der Menschenrechte. So gibt es in der Katholischen Kirche eine gravierende Diskriminierung der Frauen und eine Missachtung des Rechtes auf Familiengründung. Allein die Äußerung von Änderungswünschen kann zu Sanktionen führen, wie sich erst unlängst bei einem Australischen Bischof zeigte. Es hat auch berechtigtes Ärgernis hervorgerufen, dass die Kirche Amtsträger, die sich an Schutzbefohlenen vergingen, der weltlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen versuchte.

All diese schweren Mängel bewegen seit Längerem viele verantwortungsbewusste Menschen, Korrekturen im Sinne heutiger Standards zu fordern. Es wird dies – unter anderem ein Memorandum Hunderter Universitätslehrer der Theologie – allerdings verworfen oder einfach ignoriert. Das von Willkür gekennzeichnete System fühlt sich zu unbeschränkter Machtausübung berechtigt, weil der Papst Nachfolger des Apostel Petrus sei, dem eine entsprechende Vollmacht erteilt worden wäre. Diese Behauptung ist allerdings von der Wissenschaft längst widerlegt, sodass in Wahrheit eine autokratische Selbstermächtigung vorliegt.

Nun könnte eingewendet werden, dass es das verbürgte Recht der Religionsgemeinschaften ist, ihre inneren Angelegenheiten autonom zu regeln, worin sich der Staat nicht einmischen dürfe. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass es in einem demokratischen Rechtsstaat keine Zonen geben darf, in denen dessen elementare Prinzipien verletzt werden. So achtet die Republik das Recht der Bürger, sich in freien Vereinigungen zusammenzuschließen, gibt aber doch wichtige Regeln über die Rechte der Mitglieder vor. Es ist auch zu beachten, dass es unmittelbare Auswirkungen des absolutistischen Kirchensystems auf die Allgemeinheit gibt, etwa bei der Ernennung von Bischöfen, die ohne früher selbstverständliche Mitwirkung der Ortskirchen nun nach Belieben des Vatikans erfolgt.

Es ist wichtige Gepflogenheit, dass Politiker bei der Begegnung mit autoritären staatlichen Systemen die Beachtung der Menschenrechte einmahnen. So ist es für mich unbegreiflich, dass dies gegenüber einem System gänzlich unterbleibt, das die eigenen Staatsbürger unerträglicher Willkür aussetzt. Sicher ist unverzichtbar, dass der Staat den Religionsgemeinschaften Freiheit einräumt, sie schützt und achtet. Aber er darf die eigenen Bürger nicht einem System mit derartigen schweren Mängeln überantworten und dazu sogar Wohlgefallen äußern.

Es erscheint überhaupt unumgänglich geworden, die Beziehungen zwischen der Republik und der Kirche, die in früheren Konkordaten geregelt sind und auch das Recht auf Einhebung von Beiträgen mit staatlicher Hilfe vorsehen, neu zu überdenken. Es gilt das für alle Religionen, wobei die in jüngerer Zeit erfolgten berechtigten Bemühungen zu erwähnen sind, auf eine korrekte Ordnung der inneren Angelegenheiten der islamischen Gemeinschaft zu achten. Mir ist es ein Anliegen, sehr geehrter Herr Bundespräsident, auf diese Umstände hinzuweisen. Ich meine, dass die Organe der Republik die Beachtung elementarer Rechte der Staatsbürger auch in einer vom Staat anerkannten und geförderten Religionsgemeinschaft zu beobachten und nicht nur Lob zu bekunden hätten.

In der Hoffnung, auf Ihr Verständnis zu stoßen, bin ich mit respektvollen Grüßen

Ihr (Volksanwalt i. R. Herbert Kohlmaier)


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