Klarheit wird dringend nötig!#
Von
Herbert Kohlmaier
Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit, Nr. 95/2013
Nach der Wahl des neuen Papstes sah ich es als richtig an, nun mit kritischen Äußerungen innezuhalten, denn es wäre jetzt abzuwarten, wie sich die Dinge weiter entwickeln würden ("Gedanken" Nr. 89 v. 9. 5. 13). Insbesondere gab ja die positive Aussage von Franziskus über den fortzuführenden Geist des Vatikanums viel Anlass zur Hoffnung! Bald darauf sah ich mich freilich zur Frage veranlasst, ob nicht zu befürchten sei, dass hinter der sympathischen Offenheit und Bescheidenheit Bergoglios am Ende doch wieder der traditionelle Klerikalismus stünde? ("Elchtest", Nr. 93 v. 8. 6.). Die Reformbewegungen sollten daher möglichst bald versuchen, vom Papst empfangen zu werden, um hier Klarheit zu erhalten.
Mittlerweile hat man weiterhin viel Positives von Franziskus erfahren, was ihm große Sympathien einträgt und eben Hoffnung auslöst! Besonders bemerkenswert ist hier eine Feststellung bei der Generalaudienz vom 26. Juni. Dabei erklärte der Papst u. a., dass kirchliche Würdenträger keine Sonderstellung vor Gott hätten. Durch die Taufe seien die Rangunterschiede letztlich aufgehoben, jeder habe denselben Anteil an der Kirche. "Wir sind alle gleich. Und wenn einer kommt und sagt: Herr Papst, sie haben doch nicht den gleichen Rang wie wir, dann sage ich: Doch den habe ich. Ich bin einer von Euch."
Das ist eine Botschaft, deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Sie zertrümmert geradezu die bisherige autoritäre Mentalität der Hierarchie! Setzt Franziskus das als künftiges Handlungskonzept durch, würden wir von sehr, sehr Vielem befreit, das uns bisher niedergedrückt hat und maßloses Unheil über die Kirche brachte!
Ist die große Enttäuschung zu befürchten?#
Doch am exakt selben Tag hat der Präfekt der Römischen Glaubenskongregation, Kurienerzbischof Gerhard Ludwig Müller, Forderungen nach einem Frauendiakonat in der katholischen Kirche eine klare Absage erteilt. "Das Weihesakrament in den Stufen Bischof, Priester, Diakon kann nach der katholischen Lehre nur von einem Mann gültig empfangen werden". Auch für ein nicht an eine sakramentale Weihe gebundenes Amt nach dem Vorbild der altkirchlichen Diakonissen sehe er keine Grundlage.
Es ist nicht anzunehmen, dass der Inhaber eines solchen hohen Amtes der Kurie eine derartige grundsätzliche Aussage mit dem Charakter einer endgültigen Entscheidung tätigt, ohne dies mit dem Papst abgestimmt zu haben. (Andernfalls müsste dies größte Besorgnisse über den Zustand der Kirchenzentrale und die Autorität des Oberhauptes der Kirche auslösen!). Ist damit klargestellt, dass sich an den gravierenden Fehlern und Missständen in unserer Kirche nichts ändern wird? Denn die Öffnung des Diakonats für Frauen wäre nicht nur theologisch und nach der Kirchentradition absolut angemessen, sondern wäre ein wichtiger erster Schritt zur Behebung des dramatischen Seelsorgenotstandes.
Umso mehr gilt dies für die Zulassung verheirateter Männer zu den priesterlichen Diensten. Der Pflichtzölibat ist einer der Hauptgründe für den Mangel an geistlichem Nachwuchs und hat unzählige kostbare Berufungen abgewehrt und zerstört. Ein Anachronismus einer Kirche, die mit einer schweren Krise - nicht nur ihrer Glaubwürdigkeit - kämpft! In diesem Zusammenhang fällt sogleich auch auf, was Kurienkardinal Walter Kasper am 7. Juni in Köln vor rund 700 Priestern, Diakonen und Bischöfen erklärte: Der Rückgang ihrer Mitgliederzahlen müsse die Kirche nicht schrecken, das "Leben in der Minderheit" gehöre zu ihrer Geschichte! Und er appellierte, sich "nicht von den Medien auf Nebenkriegsschauplätze wie die Frage Diakoninnen und Zölibat drängen zu lassen".
Auch hier liegt nahe, dass dies kein Alleingang war. So entsteht die erschreckende Sorge, es könnte zutreffen, was ich neulich befürchtete: dass der Papst zwar den Stil seiner Amtsausübung ganz entscheidend verbessert und einer ganz anderen Gesinnung als seine beiden Vorgänger zum Durchbruch verhilft, dass er aber die Kirche von ihrer schrecklichen Altlast der Sexual- und Frauenfeindlichkeit nicht zu befreien beabsichtigt.
Es ist müßig, zu diesem Gegenstand Näheres auszuführen. Es gibt unwiderlegbare Argumente dafür, dass Jesus - wie auch nach ihm der Völkerapostel Paulus - keine Zurücksetzung der Frauen und keineswegs die Verkündigung und Pflege des Glaubens zölibatären Amtsträgern vorbehalten wollte. Hier sei nur nochmals auf das so treffliche Wort des Tübinger Pastoraltheologen Ottmar Fuchs hingewiesen, der die Abwehr kostbarer Berufungen zur Seelsorge als "strukturelle Todsünde" bezeichnete.
Ich spreche daher neuerlich meine hoffende Erwartung aus, dass die international tätigen und im Kirchenvolk breit unterstützten Reformbewegungen sich alsbald und dringend um eine Unterredung mit dem Papst (im imperialen Vatikanstil "Audienz" genannt) bemühen werden. Mit dem Bischof von Rom also, dessen Gesprächsbereitschaft gegenüber Allen gerühmt wird. Es bedarf unbedingt der Klarheit über diese für das Wohlergehen und die Zukunft der Kirche elementaren Fragen!