Politisierende Kirche? #
Von
Herbert Kohlmaier
Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 208/2017
In unserer so wechselhaften jüngeren Geschichte ist immer wieder die Frage aufgetreten, ob und in welcher Form die Kirche zu politischen Fragen Stellung beziehen soll. Heute ist man zur richtigen Auffassung gelangt, dass dies nur dann angebracht ist, wenn es um Grundsatzfragen und insbesondere um Menschenrechte und Menschenwürde geht. So äußert sich die Kirche etwa zum Thema Abtreibung oder aktuell zur Haltung gegenüber Flüchtlingen, die bei uns Schutz suchen.
In den täglichen politischen Fragen übt man aber zu Recht Zurückhaltung. Bei einer bevorstehenden Abstimmung in unserem Nachbarland Schweiz, wo es um Unternehmenssteuern und die Einbürgerung von Zugewanderten der dritten Generation geht, hat die Kirche ausdrücklich fest-gestellt, keine Position zu beziehen. Wenn wir ins vergangene Jahrhundert zurückblicken, war die Situation allerdings noch anders. In der Auseinandersetzung mit dem Marxismus um die Grund-lagen der Gesellschaftsordnung hat die Kirche in den Sozialenzykliken eindeutig Haltung bezogen und wurde dabei von politischen Parteien unterstützt, auch von konfessionellen.
Letzteres erwies sich schließlich als weder notwendig noch der Glaubensgemeinschaft förderlich. Heute berufen sich Christlich-demokratische Parteien in ihren Grundsatzprogrammen noch auf entsprechende Wertvorstellungen, handeln aber nicht in Gemeinsamkeit mit den Glaubensgemeinschaften sondern entsprechend der allgemein anerkannten Trennung von Kirche und Staat. Es muss ja bedacht werden, dass nicht nur zwischen den politischen Kräften sondern auch in-nerhalb dieser Standpunkte unterschiedlicher Art vertreten werden. Da wäre man keineswegs gut beraten, sich einzumischen und dann in die Konflikte und deren Austragung zu geraten!
So verwundert es sehr, dass dies nun in Österreich geschieht. Hier ist ein Volksbegehren gegen die abzuschließenden Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA veranstaltet worden. Mehrere kirchliche Organisationen unterstützen diesen Protestschritt durch Aufrufe und das mit offensichtlicher Unterstützung der Hierarchie. Weihbischof Scharl engagiert sich in diesem Sinne und Erzbischof Schönborn wird in einem verwendeten Werbefolder mit der Aussage zitiert, dass es ihm Sorge mache, wenn es um „den freien Markt und nicht das Wohl der Menschen“ gehe. Tatsächlich ein Gegensatz?
Es gibt sicher Argumente pro und kontra solche internationale Regulierungen, aber das Volksbegehren erscheint eher überholt. Das beanstandete Abkommen TTIP mit den USA dürfte mit Trump wohl obsolet sein und TiSA als Erleichterung des Austausches von Dienstleistungen in 23 Staaten steckt noch in den Kinderschuhen. Man hat insbesondere Bedenken gegen die Vereinbarungen von Investitionsschutz, aber derer gibt es bereits etwa 3000 weltweit und auch Österreich weist mehr als 60 solche auf; von deshalb entstandenen Problemen ist nichts bekannt.
Aktuell ist also nur der Einwand gegen das bereits sehr weit gediehene Abkommen CETA zwischen der EU und Kanada. Bekanntlich gab es dazu bereits ausführliche Diskussionen. Sie führten dazu, dass in fortgesetzten Beratungen als kritisch empfundene Punkte modifiziert wurden, insbesondere durch eine bessere Ausstattung und Transparenz der vorgesehenen Schiedsgerichte. Zweifellos handelt es sich hier um eine äußerst komplizierte Materie und den wenigsten Menschen – auch unter den katholischen Aktivisten – dürfte wirklich bekannt sein, um welche Inhalte es da konkret geht und was bereits modifiziert wurde.
So entsteht der Eindruck, dass nicht die geplanten Verträge das Ziel des Protestes sind, sondern dass grundsätzliche Bedenken gegen die Globalisierung und das weltweit stark verflochtene Wirtschaftssystem das eigentliche Motiv sind. Dass es da insbesondere bei den ausufernden Transaktionen spekulativen Charakters manches sehr zu kritisieren gibt, liegt auf der Hand. Papst Franziskus hat das zum Gegenstand eindringlicher Mahnung in seiner Enzyklika Laudato si‘ gemacht. Die Frage ist aber, ob man diese Bedenken an einem Freihandelsabkommen festmachen kann und soll, das eigentlich der Routine des Wirtschaftsablaufs zuzurechnen ist.
Es sollte auch bedacht werden, dass Österreich als kleines Land seinen vergleichsweise hohen Lebensstandard einer Wirtschaft verdankt, die auf den internationalen Märkten erfolgreich ist. Der nun immer öfter auftretende Wunsch nach einer Abschottung nationaler Volkswirtschaften ruft mittlerweile große Sorgen hervor. Die Brexit-Entscheidung in England und das ebenso simple wie hemdsärmelige Vorgehen von Donald Trump lässt Ökonomen erheblichen wirtschaftlichen Schaden befürchten! Es geht da um ganz gewichtige Fragen, die in der Verantwortung von Politik und Fachwelt zu lösen sein werden, aber sicher nicht von der Kirche.
Dass die offenbar mit Wohlwollen von bischöflicher Seite auftretenden Aktivisten all das nicht ausreichend bedenken ist befremdlich. Recht blamabel ist, dass der Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz für internationale Entwicklung prompt seine Bedenken äußerte. Und überhaupt: Ist es sinnvoll, bei einem Volksbegehren mitzumachen, das wohl kaum eine Wirkung haben wird, was dem ohnedies belasteten Ansehen der Kirche kaum gut tun kann? Es ist daher zu hoffen, dass alle, die sich da um die Katholische Aktion bei einer Aktion scharen, die mit „katholisch“ wohl wenig zu tun hat, zukünftig genauere Überlegungen anstellen!