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Das Problem mit dem episkopalen Prinzip#


Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 411/2022

Von

Matthias Jakubec


Dieser Text versteht sich als Fortsetzung meines Artikels „Demokratie und die Ethik Jesu“. Insbesondere die dort gemachten Vorbemerkungen sind auch als Voraussetzungen des vorliegenden Textes zu beachten.

Dass demokratische Prinzipien für Staaten gelten sollen, wird mittlerweile auch von der Lehre der katholischen Kirche so gesehen. Dass aber auch die Kirche diesen Richtlinien entsprechen soll, weist sie zurück. Klar, die Kirche ist keine Demokratie, weil sie ja kein Staat ist, aber die Mechanismen zur Eindämmung von Machtmissbrauch gelten ja generell für Institutionen, nicht nur für Staaten. Und ja, die Kirche ist keine Demokratie sondern wird von den Bischöfen als Hierarchie verstanden, die allerdings unverkennbar monarchische Züge trägt. Was sie aber nicht ist, kann und soll sie durchaus werden. Das Problem der katholischen Kirche ist ihr Festhalten am episkopalen Prinzip. „Die Bischöfe leiten Teilkirchen, die ihnen anvertraut worden sind, als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch und Beispiel, aber auch mit Autorität und heiliger Vollmacht" [Lumen Gentium 27]. Wie wichtig ihr das ist, zeigt die Stellungnahme des Vatikans zu den Konvergenzdokumenten von Lima. Dort heißt es: „In seinem ganz persönlichen Dienst repräsentiert der Bischof die Ortskirche, die ihm anvertraut ist. Er ist ihr qualifizierter Sprecher in der Versammlung der Kirchen. Gleichzeitig ist er der erste Repräsentant Jesu Christi in der Gemeinschaft. Durch seine Weihe zum Bischofsamt ist er beauftragt, in der Gemeinschaft die Leitung auszuüben, mit Autorität zu lehren und zu urteilen.“ [„Katholische Stellungnahme Taufe Eucharistie und Amt“; in „Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 79“; Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz; 1987; S. 2163 – 2211; Abschnitt „Die Sukzession in der apostolischen Tradition“]

In den Anfängen des Christentums war das episkopale Prinzip vermutlich eine logische Einrichtung: Die Christengemeinde brauchte eine Leitungsperson. Wenn ein Apostel oder ein anderer Missionar, häufig wohl eine Frau, eine Gemeinde gegründet hatte und diese wieder verlassen musste, übertrug er oder sie deren Leitung an einen dafür geeigneten Menschen. Möglicherweise im Rahmen einer Zeremonie durch Handauflegung, aber gesichert ist das nicht. Die „apostolische Sukzession“ entpuppt sich bei genauer Betrachtung der frühen Kirche als relativ späte Konstruktion, der dann schon machtpolitisch agierenden Kirchenoberhäupter.

Seit dieser Zeit haben sich die Dinge aber geändert. Die Kirche ist gewachsen und benötigt Leitungsstrukturen, die über die Koordination einer überschaubaren Gemeinde hinausgehen. Außerdem ist klar geworden, dass auch kirchliche Machthaber nicht vor Machtmissbrauch gefeit sind. Diese Entwicklung erreichte mit den Päpsten und Fürstbischöfen der Renaissance einen traurigen Höhepunkt. Die säkulare Welt hat spät aber doch soziale Techniken gegen den Missbrauch von Macht entwickelt: eben jene Einrichtungen, die wir im Allgemeinen unter dem Stichwort „Demokratie“ zusammenfassen. Es wird wirklich höchste Zeit, dass auch die Kirche diese Errungenschaften in ihren Reihen umsetzt. Vor allem die Aufspaltung der Leitungsfunktionen in Legislative, Exekutive und Judikative und damit die Abschaffung des episkopalen Prinzips.

Die Idee von der apostolischen Sukzession behauptet, die Bischöfe würden, weil sie ja in der Nachfolge der Apostel stünden, die Lehre Jesu unverfälscht weitergeben. Dass es sich dabei um eine Schimäre handelt, ist offensichtlich. Pomp and Circumstances des Vatikans entspringen sicher nicht der anspruchslosen Lebenshaltung Jesu sondern eindeutig dem byzantinischen Hofzeremoniell, dem geraden Gegenteil dessen, was Jesus vorgelebt hat.

Wären da nicht immer wieder glaubensstarke Menschen gewesen, hätte sich die Lehre Jesu wohl kaum bis in unsere Tage gehalten. Oft wurden gerade diejenigen, die im ursprünglichen Geist Jesu lebten, von den Offiziellen der Kirche als Ketzer verfolgt und ermordet. Und auch heute kann man nicht behaupten, der Katechismus der Katholischen Kirche enthielte das, was Jesus vorgelebt hat. Es ist die mühselige Arbeit von Theologen, diesen ursprünglichen jesuanischen Geist aus all dem auszugraben, was ihn in den Jahrhunderten verschüttete. Und auch heute noch werden solche Theologen von den meisten Bischöfen angefeindet, und, wenn sie in den Augen der Kirchenleitung zu hohe öffentliche Aufmerksamkeit erhalten, mit Lehrverbot belegt. Es sind also nicht die Bischöfe, die Jesus Christus repräsentieren, sondern es ist der kritische Geist all derer, die in diesem Geist leben wollen und darum die Exegeten hören, wenn sie falsche Übersetzungen der Bibel korrigieren und die Kirchenhistoriker, wenn sie die abenteuerlichen Verstrickungen der Kirchenleitung in säkulare Geschäfte und Machtkämpfe darstellen. Es sind Theologen und andere Wissenschaftler, die tatsächlich das Lehramt ausüben.

Gegen Demokratie in der Kirche wird auch oft eingewendet, über Glaubenslehre könne man nicht abstimmen. Dass die heutige Form der Glaubenslehre rein das Ergebnis von Abstimmungen ist, an denen aber immer nur eine ausgewählte Schar von Mächtigen teilnehmen durfte, verschweigt man geflissentlich. Die „Väter“, ausschließlich Männer, welche die heute „gültige“ Glaubenslehre formulierten, taten dies häufig motiviert durch politische Interessen und selbstverständlich ohne das heutige Wissen über das Wesen von Begriffsbildung. Mitunter wurde jene Lehre für verbindlich erklärt, die dem Kaiser gerade in den Kram passte. Fast nie wurde berücksichtigt, wie verschiedene Personen mit unterschiedlichen Worten das gleiche sagen und umgekehrt mit gleichen Worten ganz Verschiedenes meinen.

Niemals kann eine einzelne Person „Repräsentant Jesu Christi“ sein, wie es in der LimaStellungnahme heißt. Nur die Gemeinschaft der Gläubigen wird zum Leib Christi, wenn sie in seinem Namen versammelt ist, und verkörpert dann Jesu Geist. Deshalb muss das Volk Gottes die bestimmende Kraft, die Legislative, der Kirche sein, direkt oder durch gewählte Vertreter. Der Geist geht auch in der Kirche vom Volk aus, nicht von den Bischöfen und nicht vom Papst. Durch das Volk Gottes leitet der Geist, das ist Demokratie.

Was noch erwähnt werden soll, sind die Komplikationen, die durch das Staatskirchenrecht entstehen. Durch die Jahrhunderte gewachsen erkennen die meisten Staaten die vom Papst ernannten Vertreter, die Bischöfe, als diejenigen an, die befugt sind, für die Kirche zu sprechen. Was der Bischof sagt, gilt als Meinung der Kirche. Das Kirchenvolk wird da nicht gefragt. Auch von den Medien werden die von den Stellungnahmen der Bischöfe abweichenden Ansichten von Kirchenmitgliedern nur als innerkirchliche Opposition dargestellt, niemals aber als die eigentliche Meinung der Kirche. Müsste die katholische Kirche heute um Anerkennung als Religionsgemeinschaft ansuchen, würde ihr diese wohl wegen ihrer mangelnden inneren Repräsentationskultur nicht erteilt werden. Trotzdem hüten sich die Staaten davor, ihre Beziehungen zur katholischen Kirche anzutasten. Der zu erwartende Wirbel zahlt sich für sie einfach nicht aus. Und die katholische Kirche macht davon schamlos Gebrauch.

Dipl. Ing. Matthias Jakubec ist 1. stellvertretender Vorsitzender der Plattform „Wir sind Kirche“.