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Wieder ein Rückschrittssignal!#


Von

Herbert Kohlmaier

Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit, Nr. 50/2012


Es sieht so aus, dass der Regensburger Bischof Müller demnächst Präfekt der Glaubenskongregation werden soll. Gleichsam als Empfehlung und Legitimation für dieses Amt wetterte er neulich (in „Stimmen der Zeit“) gegen den emeritierten Bamberger Dogmatiker Georg Kraus. Dieser hatte zuvor den Standpunkt vertreten, nach dem Heilswillen Jesu dürfe Frauen die Priesterweihe nicht versagt werden.

In seiner Zurechweisung stellt Müller fest, dass die Offenbarung in Christus durch Tradition, Schrift und apostolische Sukzession weitergegeben sei. Wollte man die so garantierte Unfehlbarkeit des kirchlichen Lehramtes und seine „moralische Integrität“ in Frage stellen, würden Grundprinzipien der katholischen Lehre ausgehöhlt. Der pneumatische (also vom Geist Gottes erfüllte) und der geschichtliche Jesus seien nicht auseinanderzudividieren. Denn falsch wäre die Ansicht, dass dieser „mit dem angeblich erst im 2. Jahrhundert entstandenen Amt nichts zu tun habe“.

Beschränke man sich, so Bischof Müller, auf eine „pneumatisch-spritualistische Sicht von Offenbarung“, welche das Lehramt für überflüssig erachte, wären letztlich Leitungsgremien und Kirchenstruktur nicht mehr göttliches, sondern nur mehr menschliches Recht. So entstehe heute eine innere Distanz meinungsbildender katholischer Kreise gegenüber dem Lehramt des Gesamtepiskopats mit dem Papst an der Spitze.

Gegensätze als Zerreißprobe#

Diese Äußerungen stellen mit unüberbietbarer Deutlichkeit jenen Gegensatz dar, der die Kirche einer historischen Zerreißprobe aussetzt. Wurde ihre autoritäre Leitungsstruktur, wie sie sich heute darstellt, von Menschen oder vom „geschichtlichen Jesus“ errichtet? Kann sie sich wirklich in Allem auf göttliche Offenbarung berufen? Es ist eindeutig: Eine solche Behauptung ist falsch! Die theologische Wissenschaft, der man laut Müller die Letztkompetenz nicht überlassen dürfe, hat das längst widerlegt.

Die kirchlichen Ämter haben sich nicht nur „angeblich“ sondern tatsächlich wie die Kirche überhaupt erst viele Jahrzehnte nach dem österlichen Geschehen gebildet. Hier zeigt Müller arge Unkenntnis der Kirchengeschichte. Eine „Apostolische Sukzession“ in der Form, dass Jesus Menschen mit der Leitung einer neuen Religionsgemeinschaft beauftragt hätte, die das dann getreulich in ununterbrochener Ämterfolge weitergegeben hätten, ist frei erfunden. Und das nicht einmal gut.

So entstand auch jene Behauptung, die in ihrer Arroganz unerträglich ist und jede Intelligenz beleidigt: Benedikt hat sich jüngst abermals als „Stellvertreter Christi“ bezeichnet. Die persönliche Verbindung zu ihm (nämlich dem Papst!) sei daher Teil einer Spiritualität, die zu jedem Katholiken und noch mehr zu jedem Priester gehöre. Aber was ist ein „Stellvertreter“ wirklich? Ganz eindeutig jemand, der über die Ermächtigung verfügt, an Stelle eines Anderen zu reden und zu handeln. Das setzt natürlich voraus, dazu einen Auftrag erhalten zu haben und genau zu wissen, was der Vollmachtgeber will!

Ebenso, dass ein Solcher nicht selbst handeln kann oder das nicht beabsichtigt! Jesus wäre also – aus welchen Gründen auch immer – nicht gewillt oder in der Lage zu entscheiden, also tut es der Papst an seiner Stelle. Daher erklärt er uns auch die Unwürdigkeit der Frauen, Seelsorger zu sein. Jedoch: Ist Jesus wirklich ein Abwesender und Schweigender? Gerade nach der Lehre der Kirche nicht! Sandte er uns allen doch den Geist – als wahren „Stellvertreter“!

Doch der Geist wird uns nicht verlassen!#

Ja, das ist die Tragödie der Katholischen Kirche. Dort, wo sie nach wie vor lebendig ist und segensreich wirkt, vertraut sie auf den „pneumatischen“ Jesus, der keinen Statthalter braucht. Denn wir können aus dem Evangelium sehr wohl erkennen, was der Herr wollte. Das macht eine kirchliche Lehre nicht überflüssig, aber diese hätte ganz einfach die Aufgabe, Jesus nachzufolgen aber nicht selbsternannten Stellvertretern zu folgen.

Müller spricht von der „moralischen Integrität“ des Lehramtes. Diese Lebenslüge der Hierarchie erkennt heute jeder denkende Katholik und sie stößt ihn ab. Bis zum vielfachen Verlassen der Kirche. Durch die ganze Geschichte war das Verhalten nicht weniger kirchlicher Amtsträger alles andere als moralisch. So genante „Heilige Väter“ mordeten, hurten und bereicherten sich in ihrem Machtrausch der „Sukzession“. Widerlich! Jeder weiß das bis in unsere Gegenwart, wo man schwere sexuelle Verfehlungen von Priestern vertuschen statt ausreichend ahnden wollte.

All das schreit geradezu nach einer Erneuerung der Kirche an Haupt – nämlich dem meschlichen! – und Gliedern. Die „Antrittsvorlesung“ eines uns drohenden obersten Glaubenshüters ist allerdings ein neuerliches Signal in die Gegenrichtung. Es lässt auch ganz Schlimmes für die Entscheidung über den nächsten Papst befürchten. Denn Männer wie Müller werden darüber befinden – einem total veralterten diktatorischen Prinzip folgend.

Doch wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Heute hat eine vatikanische Klerikomafia das Sagen. Ihr, nicht Jesus, sollen wir Gehorsam erweisen, was dieses notwendige Prinzip menschlichen Zusammenlebens zur Aufgabe des eigenen Verstandes pervertiert. Doch der Geist Gottes bleibt nicht untätig, er lässt sich nicht verdrängen. Er wird die Hirne und Herzen der Christen dorthin lenken, wo die Zukunft des Glaubens liegt. Jeder von uns muss das wissen und darauf vertrauen. Dann wird es zur Erneuerung kommen.

Bis dorthin müssen wir freilich mit den „Müllers“ leben. Das ist nur schwer zu ertragen, auch wenn man sie – wie es christliche Gesinnung fordert – in ihrer Verblendung bemitleidet. Aber dann ihr Geschwätz der Unterwürfigkeit statt echter Demut ignoriert! Auch das ist im wohlverstandenem Sinn christlich, weil dem Gebot des eigenen Gewissens folgend. Als Weg der Reform durch „sanfte“ aber konsequente Entmachtung einer geistlos gewordenen geistlichen Obrigkeit.