Schönborns Ansinnen#
Von
Herbert Kohlmaier
Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit, Nr. 4/2011
Als reformorientierter Katholik kann man oft von Konservativen den keineswegs wohlgemeinten Rat hören, man solle doch zu den Evangelischen übertreten. Denn dort gäbe es ja das, was Reformer anstreben. Dem ist dann entgegenzuhalten, dass man bei aller Wertschätzung für die Protestanten eben der katholischen Kirche angehöre. Änderungen würden ja aus Zugehörigkeitsgefühl und Verbundenheit mit dieser Gemeinschaft eingemahnt, in die man getauft wurde und die viel Gutes tut, aber auch arge Mängel aufweist.
Es ist unfassbar, aber in der Auseinandersetzung mit der Pfarrerinitiative hat sich nun auch der Wiener Erzbischof zu der Empfehlung verstiegen, „im äußersten Fall den Weg nicht mehr mit der römisch-katholischen Kirche zu gehen“. Das sei die Konsequenz, wenn jemand aus seinem geprüften Gewissen zur Überzeugung komme, dass Rom auf einem Irrweg sei, der gravierend dem Willen Gottes widerspricht.
Man stelle sich vor: Jemand kritisiert die Regierung und erhält dann von dort den Rat, er möge doch seine Heimat verlassen und auswandern. Oder es beschwert sich ein Kunde über die Qualität einer Ware und die erzeugende Firma erklärt ihm daraufhin kühl, er solle eben wo anders einkaufen. Schon daraus erkennt man die Dummheit und Pflichtvergessenheit, die hinter so einer Haltung stünde.
Bei einem so genanten Oberhirten kann der Rat, die Kirche zu verlassen, noch viel weniger ertragen werden. Ob das zu Jesu Gleichnis vom guten Hirten passt? Wenn einer die Schafe, die ihr Futter wollen, in eine andere Herde schickt, damit sie ihn nicht mehr belästigen? Offenbar schwebt Schönborn eine von kritischen Geistern bereinigte Kirche vor, wo man unter sich ist. Klein, aber fein. Er komplimentiert Christen hinaus, die sich eine bessere und tauglichere Kirche wünschen. Das ist ungeheuerlich!
Dankbar hätte ein Bischof zu sein, wenn Menschen eben nicht so wie unzählige andere weggehen, sondern sich vielmehr dafür einsetzen, dass Seelsorge von sturem Beharren auf theologisch unhaltbaren Vorschriften befreit wird. Er sollte in dieser Situation über seine Pflicht und Schuldigkeit nachdenken, selbst etwas zu tun, um das Auseinander- und Weglaufen zu überwinden. Es genügt nicht, wenn er sich abgefunden hat, er übt sein Amt nicht für sich und den Papst aus.
Eigentlich muss einem so ein Bischof leid tun. Hat man von Schönborn je eine plausible Begründung für das gehört, was heute unzählige Gläubige – darunter viele Geistliche und Theologen – für nicht mehr zeitgemäß halten? Nein, dazu fällt ihm nichts ein, auch er weiß, dass es dafür keine Argumente gibt. Wenn er nur blinden Gehorsam einmahnt, gibt er wie viele seiner Amtsbrüder ein trauriges geistliches Armutszeugnis ab. Er opfert Reichtum, Lebendigkeit und Vielfalt des Glaubens einer ängstlichen und gar nicht heiligen Obrigkeit, die er kurioser Weise „Weltkirche“ nennt. Kann er das vor dem Herrn verantworten?