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Kaiserjubiläen in Prag und Wien #

Mehrere Ausstellungen würdigen die Jubiläen zweier großer Herrscher. Der 700. Geburtstag Karls IV. und der 100. Todestag Franz Josephs werden dabei sehr unterschiedlich begangen, doch es fehlt nicht an Berührungspunkten. #


Mit freundlicher Genehmigung der Wochenzeitschrift DIE FURCHE (Donnerstag, 1. September 2016)

Von

Wolfgang Bahr


Veitsdom
Patriotisch. Im Veitsdom (1344 von Karl IV. in Auftrag gegeben; im Bild der Bauzustand von 1887) würdigte man den 700. Geburtstag von Karl IV. mit einem Hochamt. Zahlreiche Ausstellungen erzählen vom „Vater des Vaterlandes“.
Foto: Prager Burg/© Jan Gloc

Karlsbrücke, Karlsuniversität und Karlsbad sind selbst jenen ein Begriff, die noch nie in Böhmen waren, und die 100-Kronen-Banknote mit dem Konterfei des Langzeitregenten (1346 bis 1378) halten die Tschechen tagtäglich in ihrer Hand. Auf kaum einen Herrscher können sich alle Tschechen so einigen wie auf den „Vater des Vaterlandes“. Er hält die Balance zwischen europäischer und nationaler Ausrichtung.

Wie in Tschechien üblich, wartete man mit der Eröffnung der meisten Ausstellungen bis zum Stichtag, dem 14. Mai, zu. An diesem Tag feierte Kardinal Duka im Veitsdom ein Hochamt, bei dem Präsident Zeman seinen Amtsvorgänger als „größte Persönlichkeit der tschechischen Geschichte“ würdigte. Großherzog Henri von Luxemburg – Karl entstammte der Dynastie der Luxemburger – sowie die Regierenden Fürsten von Liechtenstein und Monaco repräsentierten die europäischen Adelshäuser, Papst Franziskus sandte eine Grußbotschaft.

Auf dem Hradschin #

Die noch bis zum Wenzelstag, dem 28. September, geöffneten fünf Ausstellungen, die von der Verwaltung der Prager Burg ausgerichtet wurden, kreisen freilich mehr um den böhmischen König als um den römischen Kaiser. Zentral ist die Schau „Szepter und Krone“ im Marstall der Burg, in der „Karl IV. und die böhmischen Königskrönungen“ abgehandelt werden. Die Objekte umfassen sowohl das Krönungskreuz Ottokars II. als auch eine „Reskriptpfeife“, die auf den Wortbruch Kaiser Franz Josephs anspielt, sich zum König von Böhmen krönen zu lassen. Ein Gemälde, das den Habsburger mit der Wenzelskrone neben sich zeigt, schließt die Schau ab.

In der Reitschule der Burg wird als „Krone des Königreichs“ nicht die Wenzelskrone, sondern die „Kathedrale zu Sankt Veit und Karl IV.“ vorgestellt. Man hat dort Gelegenheit, dank Abgüssen die berühmten Triforiumsbüsten und figurale Details aus dem von Karl IV. errichteten gotischen Dom aus der Nähe zu betrachten. Die Ausstellung „Die Krone der Mutter der Städte“ im Theresianischen Flügel der Burg dokumentiert in Fotografien den „Fertigbau der Kathedrale“ im 19. und 20. Jahrhundert. Die spannendste aller Prager Karls-Ausstellungen findet man in den sonst nicht zugänglichen gigantischen romanischen Kellern der Burg, denn hier wurden im Zweiten Weltkrieg die Kroninsignien eingemauert. Die „Krone ohne König – das Schicksal der böhmischen Krönungskleinodien nach dem Jahr 1918“ umfasst auch die bis heute erhalten gebliebene Schlüsselverteilung für die Kronkammer. Zwei Wochen lang war die Krone heuer zu Ehren Karls IV. ausgestellt. Im Palais Rosenberg wartet dann noch die Exposition „Die Krone auf dem Handteller – die ewige Münze des Königreichs“ mit Informationen auch über Bergbau, Glasbläserei und die königliche Schreibstube auf. Und dankbar blickt der erschöpfte Besucher aus den Erkern hinaus auf das Panorama der von Karl IV. erweiterten und befestigten Stadt.

Relief Karl IV.
Relief Karl IV.
Foto: Prager Burg/© Jan Gloc

Der Gründung der Prager Neustadt und der Errichtung der 3,5 Kilometer langen Befestigung widmet sich die Ausstellung „Ci Civitas Carolina oder das Bauwesen der Zeit Karls IV.“ im Nationalen Technischen Museum. Die funktionsfähige Replik eines riesigen Krans vor dem Gebäude sowie einer in Bau befindlichen Festungsmauer im Ausstellungssaal sind die Blickfänge der technologie-, aber auch sozial- und lokalgeschichtlich ausgerichteten Schau. Mit ihrer erlebnisorientierten und kindergerechten Gestaltung sticht sie von den anderen Ausstellungen ab. Da sie bis zum 5. Februar geöffnet bleibt, wird sie gut zwei Monate lang mit einer Ausstellung zum 100. Todestag Kaiser Franz Josephs am 21. November parallel laufen. „Das zweite Leben Karls IV.“ nennt sich die Ausstellung der Karlsuniversität, die mit nüchtern wissenschaftlichem Blick die Vereinnahmung des Kaisers und Königs von Deutschen und Tschechen, Monarchisten und Republikanern, Nationalsozialisten und Kommunisten ins Visier nimmt. Den Abschluss bildet eine Filmografie.

Ganz patriotisch ausgerichtet ist die Ausstellung im Nationalen Pädagogischen Museum mit dem bezeichnenden Titel „Das Leben des Vaters des Vaterlandes – bedeutende Taten des böhmischen Königs und römischen Kaisers Karls IV.“. Neben den bereits genannten wird auch die Gründung des slawischen Emmausklosters in den Kanon der nationalen Eckdaten aufgenommen. Die siegreichen von 9347 eingesandten Arbeiten eines Wettbewerbs „Karl IV. in den Augen der Kinder“ bezeugen, wie die Saat der Erziehung aufgeht.

Ein Hauch von Europa #

Ein Solitär bleibt schließlich die am stärksten besuchte Ausstellung in der Reitschule des Palais Waldstein zu Füßen des Hradschins. Mit ihrem Titel „Karl IV. und seine Zeit – Realität versus Fiktion“ stellt sie den Anspruch, die umfassendste Sicht zu bieten. Eindeutig steht hier der Kaiser im Mittelpunkt und der böhmische König konkurriert mit dem deutschen. Dass die deutschen Nebenländer Böhmens zu Karls Zeiten breiteren Raum einnehmen, verwundert nicht, übersiedelt die „Erste Bayerisch-Tschechische Landesausstellung“ doch nach dem 25. September nach Nürnberg.

Kaiser Franz Joseph Portrait im Jagdgewand
Nuanciert. Verschiedene Themenbereiche beleuchtet die Ausstellung zum 100. Todestag von Kaiser Franz Joseph (Portrait im Jagdgewand).
Foto:© Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H./© Alexander Eugen Koller

Nur diese Ausstellung verfügt über Legenden auch in deutscher Sprache. Dass auch in ihr die Bedeutung der Hofkanzlei Karls IV. für die Entwicklung der deutschen Schriftsprache nicht thematisiert wird, mag man der kunsthistorischen Ausrichtung der Exposition zuschreiben. Offensichtlich unerschöpfliche Geldquellen ermöglichten Leihgaben aus New York und Cleveland, London und Paris, Venedig und auch Wien, die aber vielfach böhmischer Provenienz sind. Zurück bleibt der Eindruck überwältigenden Reichtums und unermesslicher Schönheit – das Goldene Prag.

Bescheidenes Wien #

Gegenüber den enormen Kraftanstrengungen Tschechiens zugunsten Karls IV. muten die Bemühungen Österreichs um Franz Joseph I. mickrig an. Vielleicht liegt es daran, dass man sich eines Geburtstages lustvoller erinnert als eines Todestages. Entscheidend ist aber wohl die Akzeptanz des zu Feiernden, und die ist bei Franz Joseph nicht im selben Maß gegeben wie bei Karl IV. Es ist sowohl den Gestaltern der vier Ausstellungen der Schönbrunn Betriebsgesellschaft als auch jenen der Schau in der Nationalbibliothek zu attestieren, dass sie differenziert vorgehen und auf eine Aufpäppelung durch ein aufdringliches Sisi-Gedenken verzichten. Eine Reskriptpfeife in Schönbrunn stellt einen Konnex zur Krönungsausstellung auf dem Hradschin her.

Die Ausstellung „Mensch und Herrscher“ im Schloss Schönbrunn wurde in die verdunkelten und engen Bergl-Zimmer verbannt, in denen die Gegenstände nicht atmen können. In der Wagenburg und im Hofmobiliendepot kommen sie schon besser zur Geltung. Am besten gelungen ist wohl die kleine Schau über Franz Joseph als Jäger im Schloss Niederweiden. In der Nationalbibliothek schöpft die Republik Österreich aus dem Vollen ihres Erbes. Andächtig wie in der Kirche betrachten In- wie Ausländer die Relikte des Vielvölkerstaats.

In Prag wird diesen Samstag ein Ritt Karls IV. auf den Vyšehrad und am Sonntag seine Krönung auf dem Hradschin nachgestellt. Da ufert das Gedenken in Kommerz aus, doch ist es eingebettet in ein ungebrochenes nationales Bewusstsein. Dagegen ist die Kaisermesse in Ischl ein Minderheitenprogramm, und mag Franz Joseph I. auch doppelt so lang regiert haben als Karl IV. – kein Bundespräsident wird ihn am 21. November als „größte Persönlichkeit der österreichischen Geschichte“ bezeichnen.

DIE FURCHE, Donnerstag, 1. September 2016


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