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Aus für den Kirchenlift in der Karlskirche #

Nach zwei Jahrzehnten wurde der umstrittene Aufzug in einem der wichtigsten Wahrzeichen Wiens kürzlich abgebaut.#


Von der Wiener Zeitung (6. Februar 2023) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Johann Werfring


16 Jahre lang stand diese Konstruktion in der Wiener Karlskirche. Nachdem sie 2018 durch eine etwas kompaktere Konstruktion ersetzt worden war, wurde diese Ende November 2022 abgebaut.
16 Jahre lang stand diese Konstruktion in der Wiener Karlskirche. Nachdem sie 2018 durch eine etwas kompaktere Konstruktion ersetzt worden war, wurde diese Ende November 2022 abgebaut.
Foto: Thomas Ledl. Aus: Wikicommons, unter CC BY-SA 4.0

Seit dem Jahr 2002 gab es in der Wiener Karlskirche eine besondere Attraktion: Über einen gigantischen Kirchenlift gelangten Besucher auf eine 32 Meter über dem Bodenniveau befindliche Plattform, von wo aus sie die von dem bedeutenden Barockmaler Johann Michael Rottmayr geschaffenen Fresken der gewaltigen Kuppel aus nächster Nähe in Augenschein nehmen konnten. Über eine Treppe konnte man sodann noch in die oberhalb der Kirchenkuppel befindliche "Laterne" gelangen, wo ein Ausblick über die Stadt geboten wurde.

Eigentlich war der Aufzug ursprünglich zum Zwecke der Kuppelrestaurierung aufgestellt worden. Nach deren Beendigung im Jahr 2005 wollte man den Aufzug wieder abbauen. Bis dahin sollten zahlende Besucher den Restauratoren bei der Arbeit gewissermaßen über die Schulter schauen dürfen.

Nachdem sich der Kirchenlift als veritabler Publikumshit erwiesen hatte, wurde die Ankündigung, ihn 2005 wieder abzubauen, nicht umgesetzt. Waren die einen hocherfreut über die fortgesetzte Möglichkeit, die Kuppelfresken aus nächster Nähe betrachten zu können, so rief die den Kircheninnenraum dominierende mächtige Stahlkonstruktion immer wieder auch Kritiker auf den Plan. Doch die kritischen Stimmen und Berichte in diversen Medien veranlassten die Kirchenverantwortlichen zunächst nicht zum Abbau der umstrittenen Konstruktion.

Nachdem diese bereits 16 Jahre lang bestanden hatte, wurde sie im Jahr 2018 durch eine neue, kompaktere Konstruktion ersetzt. Diese nahm wesentlich weniger Fläche des Kirchenraumes ein. Die zuvor vorhandene Plattform mit den Stufen in die oberhalb der Kuppel befindliche "Laterne" war nun weggefallen, was den Vorteil hatte, dass jetzt ein Großteil der Kuppel vom Bodenniveau aus sichtbar war. Während Touristen und sonstige Wienbesucher auch den neuen Kirchenlift begeistert frequentierten, gab es weiterhin Kritik, da auch das in seinen Ausmaßen reduzierte neue Stahlgerüst das Kircheninnere erheblich dominierte. Aber wie es schien, sollte dies nun eine langfristige, dauerhafte Lösung sein.

Überraschender Rückzieher#

Umso erstaunlicher war der bis Ende November 2022 erfolgte gänzliche Abbau von Lift und Stahlkonstruktion. Immerhin konnte infolge der Corona-Epidemie nach bloß zweijährigem Bestand der neuen Konstruktion das Kuppelerlebnis ab 2020 für einen längeren Zeitraum nicht mehr geboten werden. Als die epidemiebedingten Beschränkungen endlich wegfielen und der Kirchenraum wieder bespielt werden konnte, wurde der Lift nach relativ kurzer Zeit des weiteren Betriebs abgebaut.

Laut Auskunft des Bundesdenkmalamts war für den Verbleib von Stahlkonstruktion und Kirchenlift mehrfach ein Verlängerungsantrag eingebracht und jeweils bewilligt worden, da die daraus resultierenden Einnahmen für die Erhaltung der Karlskirche benötigt wurden. Die letzte Verlängerung war bis Ende 2022 befristet, jedoch wurde vom Verein der Freunde der Karlskirche, der für die Finanzierung von Betrieb und Renovierung des Gotteshauses zuständig ist, keine weitere Verlängerung beantragt.

Vonseiten des Vereins heißt es dazu, dass es von Beginn an klar gewesen sei, dass der Kirchenaufzug keine Dauereinrichtung sein konnte, es sei dies auch mit dem für die Karlskirche zuständigen Rektorat des Ritterordens der Kreuzherren mit dem Roten Stern so abgesprochen gewesen. Aus diesem Grund habe man neue Attraktionen ersonnen, die einen Ersatz für den Kirchenlift darstellen können. Im Hinblick auf weitere Sanierungsvorhaben werden die aus Eintrittsgeldern lukrierten finanziellen Mittel auch weiterhin dringend benötigt. Jene, die das Gotteshaus rein zum Beten aufsuchen möchten, werden ohne Entrichtung von Eintrittsgebühren eingelassen.

Die Karlskirche ist einer der prächtigsten Barockbauten Österreichs, ihre Erhaltung erfordert beträchtliche finanzielle Mittel, weshalb auch nach der Demontage des Lifts Eintritt erhoben wird.
Die Karlskirche ist einer der prächtigsten Barockbauten Österreichs, ihre Erhaltung erfordert beträchtliche finanzielle Mittel, weshalb auch nach der Demontage des Lifts Eintritt erhoben wird.
Foto: Dennis Jarvis. Aus: Wikicommons, unter CC BY-SA 2.0

Neue Kirchenattraktionen#

Über die Besichtigung des Kircheninnenraumes hinaus, die für sich genommen schon ein Erlebnis ist, wird den Besuchern nun eine Tour durch mehrere Räume der Karlskirche bis hinauf auf eine über dem Hauptportal befindliche Aussichtsplattform geboten. In einem separaten Raum kann zunächst ein 2,48 Meter hohes Kirchenmodell im Maßstab 1 : 28 besichtigt werden. Es bietet Perspektiven, die bei einer üblichen Besichtigung nicht wahrnehmbar sind. Der weitere Rundgang führt zu einer Schatzkammer und nach dem Aufstieg zur Aussichtsplattform, wo auch die Reliefs der mächtigen Triumphsäulen aus nächster Nähe zu sehen sind, gelangen die Besucher bei ihrem Abstieg auf die Orgelempore, von wo aus ungewöhnliche Einblicke in den Kirchenraum möglich sind.

Kaiserliches Gelübde#

Die Schatzkammer soll in nächster Zeit museumsdidaktisch noch aufgewertet werden, mittelfristig wird den Besuchern auf ihrem Rundgang auch noch der Zutritt zur ehemaligen Kaiserloge mit beeindruckendem Ausblick auf den Altarraum ermöglicht. Zudem plant der Verein der Freunde der Karlskirche die weitere Öffnung des Gotteshauses für moderne Kunst. Nachdem bereits vor der Pandemie im Jahr 2019 eine künstlerische Intervention von Tomás Saraceno geboten worden war, wird für 2024 bereits an einem neuen Ausstellungsprojekt gearbeitet.

Für die nächsten vier Jahre ist die Sanierung der beiden gigantischen Triumphsäulen geplant. Dafür werden sogar noch mehr finanzielle Mittel vonnöten sein als für die Renovierung der gesamten Außenfassade.

Gebaut wurde die Karlskirche aufgrund eines Gelübdes, das Kaiser Karl VI. während der Wiener Pest des Jahres 1713 abgelegt hatte. Kirchenpatron ist der im 16. Jahrhundert als Erzbischof von Mailand wirkende Karl Borromäus, dessen Biografie klarer fassbar ist als jene von anderen Pestheiligen, etwa des heiligen Sebastian (gestorben um 288) oder des heiligen Rochus (gestorben 1379), deren Wirken von einem Legendenkranz umgeben ist.

Vorwürfe gegen Kirchenpatron#

Seit einigen Jahren wird Karl Borromäus in Wien auch kritisch kommentiert. Nachdem eine in den Jahren 2011 bis 2013 bestehende historische Kommission zur Prüfung der Wiener Straßennamen den Karl-Borromäus-Platz im 3. Bezirk als "Fall mit Diskussionsbedarf" eingestuft hatte, verlangte Bora Akcay, Bezirksrat der Grünen in Wien-Landstraße, im Oktober 2020 die Anbringung einer Zusatztafel auf dem Karl-Borromäus-Brunnen oder auf dem daneben befindlichen Amtshaus.

Kuppelfresko mit dem heiligen Karl Borromäus und den himmlischen Mächten in Blickrichtung Kirchenlift. In Wien ist der Heilige im öffentlichen Raum als Namenspatron von Kaiser Karl VI. und Bürgermeister Karl Lueger stark präsent, zuletzt wurden Vorwürfe gegen ihn erhoben.
Kuppelfresko mit dem heiligen Karl Borromäus und den himmlischen Mächten in Blickrichtung Kirchenlift. In Wien ist der Heilige im öffentlichen Raum als Namenspatron von Kaiser Karl VI. und Bürgermeister Karl Lueger stark präsent, zuletzt wurden Vorwürfe gegen ihn erhoben.
Foto: Johann Michael Rottmayr Edited by Alberto Fernandez Fernandez. Aus: Wikicommons, unter PD

Ebenso wie Akcay bezeichneten Teilnehmer der im Herbst 2022 vor der Karlskirche abgehaltenen "Femizid"-Demonstrationen den heiligen Karl Borromäus als "Hexenjäger" und "Antisemit". Diese Zuschreibung ist dem Vernehmen nach auch der Grund, weshalb die Demonstrationen vor der Karlskirche stattfanden. Wiederholt beklagten Kirchenverantwortliche der Karlskirche in diesem Zusammenhang Störaktionen während der Gottesdienste. Auch seien von den Demonstranten die jeweils nach der Messe vom Hauptportal der Kirche aus vom Priester mit einer Monstranz vorgenommenen Stadtsegnungen gestört worden. Die von den Demonstranten erhobene Forderung, während ihrer Veranstaltung auf das jahrhundertealte Glockengeläut und die Stadtsegnung vor dem Kirchentor zu verzichten, lehne man ab.

Replik des Rektors#

Bezüglich der neuerdings gegen Karl Borromäus erhobenen Vorwürfe erklärte Marek Pučalík, Rektor der Karlskirche, gegenüber der "Wiener Zeitung": "Karl Borromäus wird seit 1610 von der Katholischen Kirche als Heiliger verehrt, besonders im Zusammenhang mit seinem Wirken als Erzbischof von Mailand, wo er sich auf herausragende Weise der Pflege von Pestkranken widmete. Daher gilt er auch als einer der wichtigsten Schutzheiligen gegen Pest und sonstige Epidemien. Aus diesem Grund widmete Kaiser Karl VI. die Karlskirche, die aus Dank für das Ende einer verheerenden Pestepidemie im Jahr 1713 als kaiserliche Votivkirche errichtet wurde, dem Karl Borromäus, der zugleich auch Namenspatron des Kaisers war. Es ist vor allem dieser Aspekt dieses bestimmt vielseitigen Heiligen, den wir in der Karlskirche betonen und leben. Wir verschließen uns jedoch nicht einer vertieften historischen Auseinandersetzung."

Der an der Universität Wien lehrende Kirchenhistoriker Rupert Klieber möchte die nach Maßstäben moderner Werthaltungen gegen Karl Borromäus vorgebrachten Anschuldigungen in dieser verkürzten Betrachtungsweise nicht gelten lassen. Es handle sich um eine komplexe Thematik. Wenngleich Vertreter der Obrigkeiten, so auch Karl Borromäus, restriktiv gegen religiöse Abweichler vorgingen, seien die Geschehnisse durch diverse Faktoren beeinflusst und zuweilen auch "durch Druck von unten befeuert" worden, nicht selten habe die Bevölkerung von den Obrigkeiten und Gerichten vehement Schutz vor den vermeintlichen Unglücksbringern eingefordert. "Angesichts des beeindruckenden und vielseitigen Wirkens des Karl Borromäus", so Klieber, erscheine es unangemessen, "ihn einzig auf Basis der Verfolgungen von Ketzern, Hexen und Juden zu beurteilen, so wie es unangebracht ist, Persönlichkeiten wie Martin Luther und Maria Theresia, die ebenfalls einschneidende Maßnahmen gegen Juden (Letztere auch gegen Protestanten) verfügten, einzig darauf zu reduzieren."

Wiener Zeitung, 6. Februar 2023


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