Gottes Werk und Gaudís Beitrag #
Sechs neue Türme sollen nun den Schlussstein hinter die bisher mehr als 120-jährige Bauzeit der Basilika Sagrada Família in Barcelona setzen. #
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Kleinen Zeitung (Sonntag, 9. Oktober 2016)
Von
Monika Schachner
Es war sein Lebenstraum: Als Antoni Gaudí 1883 den Bau der „Sagrada Família“ im Herzen von Barcelona übernahm, war das nicht nur der Höhepunkt seiner Karriere als Architekt, sondern auch seines Lebens als tiefgläubiger Katholik. Sein Plan: die christliche Botschaft in Stein zu meißeln.
So findet sich im Osten die Weihnachtsfassade, die die Geburt Christi zeigt und deren Bau Gaudí noch selbst beaufsichtigte. Nachdem er 1926 bei einem Straßenbahnunfall gestorben war, wurden die Bauarbeiten immer wieder unterbrochen. Im Spanischen Bürgerkrieg (1936 bis 1939) gingen schließlich alle Baupläne verloren. Um die Arbeit fortsetzen zu können, mussten in mühevoller Kleinarbeit aus Trümmern und alten Fotos neue Modelle konstruiert werden. 1950 wurden die Bauarbeiten schließlich fortgesetzt.
Ein Teil davon war die Passionsfassade im Osten, die das Leiden und Sterben Jesu Christi zeigt. Auffällig sind hier die harten Konturen der einzelnen Figuren. Den Abschluss im Süden bildet die Glorienfassade. Sie soll von der Ehre zeugen, die Gott gebührt. Über allen drei Fassaden erheben sich jeweils vier Türme – in Summe zwölf, entsprechend den zwölf Aposteln.
Stilistisch lehnte sich Gaudí bei der Gotik und den großen Kathedralbauten des Mittelalters an. Doch anstelle von Stützpfeilern und Strebebögen setzte er auf schräge Säulen. Darüber hinaus ließ er an vielen Stellen Elemente des „modernisme“, des spanischen Jugendstils, einfließen.
Augenscheinlich sind auch die „Farbkleckse“, die der katalani sche Architekt der Kirche verlieh: Neben den bunten Glasfenstern beeindrucken beispielsweise die bunten Früchte auf den Spitzbögen als Symbol für Gottes Schöpfung. Gaudí über seinen Hang zur farbenfrohen Architektur: „Die Natur ist auch nicht einfarbig.“ Krönender Abschluss sollen aber jene sechs Türme werden, deren Bau nun mit Anfang Oktober in Angriff genommen wurde: So soll die Vierung von vier Türmen begrenzt werden, die für die vier Evangelisten stehen. Direkt über der Apsis soll sich d er 140 Meter hohe Marienturm erheben. Der 172,5 Meter hohe Jesusturm schließlich soll zugleich Schluss- und Höhepunkt sein. Trotzdem ist er niedriger als Barcelonas 180 Meter hoher Hausberg Montjuïc. Bewusst – oder wie Gaudí sagte: „Des Menschen Werk darf nicht höher sein als Gottes Werk.“
„Verändert Barcelona“ #
2018 sollen die Türme erstmals sichtbar sein. „Sie werden die Skyline Barcelonas verändern“, ist sich der nunmehrige Chefarchitekt Jordi Fauli sicher. 2022 sollen die Türme, 2026 dann das ganze Gotteshaus nach 144-jähriger Bauzeit fertig sein. Dann begeht Barcelona den 100. Todestag seines bekanntesten Architekten. Um diesen engagierten Zeitplan zu halten, setzt das 40-köpfige Architektenteam auf neueste Technologie: So werden die Türme in Werkstätten als Ringe vorgefertigt und an der Baustelle nur noch zusammengefügt.
Doch auch finanziell ist das Vorhaben gewagt: 25 Millionen Euro werden derzeit pro Jahr verbaut – eine Summe, die nur durch die Eintrittsgelder – die Sagrada Família ist die meistbesuchte Sehenswürdigkeit Barcelonas – und Spenden finanziert wird. Auch Antoni Gaudí selbst soll schon mit dem Hut herumgegangen sein, um Geld für den Weiterbau zu sammeln.
Seit 2005 steht die Sagrada Família auf der Liste des Unesco- Weltkulturerbes. 2010 weihte Papst Benedikt XVI. das Gotteshaus ein und erhob es zur Basilika. Antoni Gaudí selbst zweifelte übrigens nie an der Fertigstellung: „Der heilige Josef selbst wird sie vollenden.“
DATEN & KARTEN #
Offiziell heißt das Gotteshaus Basílica i Temple Expiatori de la Sagrada Família, Sühnekirche zur Heiligen Familie.