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Impressionisten zeichneten sehr wohl #

Die Albertina präsentiert mehr als 200 Pastelle, Aquarelle und Zeichnungen von Impressionisten und Postimpressionisten und stellt unter Beweis, dass Arbeiten auf Papier in dieser Epoche keinesfalls, wie bisher oft angenommen, unwichtig wurden – ganz im Gegenteil.#


Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus: DIE FURCHE (16. Februar 2012).


„Négreries Martinique“, Paul Gauguin
Paul Gauguin suchte seine Modelle im fernen Südsee-Paradies Tahiti, wo der 1848 geborene Maler ab 1891 lebte; hier: „Négreries Martinique“ (1890).
Foto: © Collection Jan Krugier, Sammlung Jan Krugier und Marie-Anne Krugier-Poniatowski
„Der Kunde“, Jean-Louis Forain
Jean-Louis Forain fand seine Motive – wie Henri de Toulouse-Lautrec – in der Halbwelt. „Der Kunde“ (so der Titel des Bildes von 1878) hat hier eine pikante Auswahl zu treffen.
Foto: © Collection of the Dixon Gallery and Gardens, Memphis, Tennessee

Warum sollten die Impressionisten, wenn ihnen Zeichnungen und Aquarelle unwichtig waren, ihre eigenen Ausstellungen zwischen 1874 und 1886 zu vierzig Prozent mit Arbeiten auf Papier bestückt haben? Dieser Frage ging der britische Kunstwissenschafter und ehemalige Kurator der Bildergalerie der Queen, Christopher Lloyd, nach – und formte daraus die Ausstellung „Impressionismus: Pastelle, Aquarelle, Zeichnungen“ in der Albertina, die bis Mai dort zu sehen ist und aufzeigt, dass in jener Zeit, in der die Staffeleien in die Natur hinausgetragen und Skizzen obsolet wurden, die Zeichnung keineswegs an Bedeutung verlor, sondern einen neuen Stellenwert bekam. „Die Zeichnung wurde als Kompositionsentwurf überflüssig, da man eben en plein air gemalt hat, aber nun ging man neue Wege“, erklärt Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder. „In Wahrheit wurde sie wichtiger“, fügt Christopher Lloyd hinzu, der die Schau gemeinsam mit Christine Ekelhart kuratiert hat, „aber der Sinn der Zeichnung veränderte sich, die Werke wurden zum Verkauf gemalt.“ Die Zeichnung von ihrer Funktion als Vorstudie zu befreien, war Programm, Pastelle, Aquarelle, Gouachen und Ähnliches wurden den Gemälden nun ebenbürtig, die Arbeiten auf Papier nun als abgeschlossenes, eigenständiges Kunstwerk angesehen. „Wir waren selbst überrascht, dass dieser Aspekt bisher nie Thema einer Ausstellung oder einer Publikation war“, so Schröder.

„Harlekin und Columbine“, Degas
Degas war von der Welt der Künstler angezogen, hier verewigte er „Harlekin und Columbine“.
Foto: © Belvedere, Wien

Die Unmittelbarkeit des ersten Eindrucks #

Die Spontaneität, sie war das wichtige Stichwort jener Künstler, die sich in ihrem Kampf gegen den Klassizismus und den vorherrschenden Kunstkanon der Salons zusammenschlossen, obwohl sie so unterschiedlich arbeiteten. Und wie gut eigneten sich Kreide, Kohle, Bleistift, Feder und Tinte für diese rasche Umsetzung! Wie passend war die Aquarell-Technik, um das helle Tageslicht wiederzugeben, oft einfach, indem Flecken weiß blieben und so das Leuchten der Farben noch unterstrichen. Intimer, heller, leichter, teils leuchtender, weniger aufdringlich zu sein, das konnte die Zeichnung leisten. Teils sind die Künstler in den Arbeiten auf Papier mutiger, oft kann der Betrachter hier unmittelbarer nachvollziehen, welche Eindrücke jene Künstler, denen es ja eben um die erste Impression ging, im Moment des Schaffens hatten.

Manets Blumenstück
Manets Blumenstück kommt mit wenig Farbigkeit aus.
Foto: © Privatsammlung

Auch wenn die Zeichnungen der Impressionisten und Postimpressionisten bisher weniger bekannt waren, schöpft diese Ausstellung mit Leihgaben etwa aus dem Musée d’Orsay, dem British Museum, dem New Yorker Museum of Modern Art und vielen mehr und mit Arbeiten aus dem eigenen Bestand aus dem Vollen und zeigt auf, welche heterogene Gruppe die Impressionisten waren. Die Schau beginnt mit Monet dem wichtigen Vertreter, von dem sich auch ein vereinzeltes Ölgemälde in der Schau findet, der aber auch Pastell bevorzugte und in den weichen Kreiden ideale Behelfsmittel für die von ihm angestrebten Farbabstufungen fand, aber auch mit den Strandansichten eines Eugène Boudin, dem vielfältige Eindrücke wichtiger waren als die genaue Ausführung seines Bildes. Seurats Frauendarstellungen mit Bleistift, Redons Albtraum-Bilder, Gauguins Flucht ins Inselparadies von Tahiti, Monets monochrome Kreidezeichnungen der Küste, Renoirs Wechselspiel von Licht und Schatten, Manets Begeisterung für die schnelle, skizzenhafte Malweise, seine provokanten Darstellungen, meist als flüchtige Notiz kreiert, selten vollendet, Toulouse- Lautrecs und Forains Eindrücke aus den Vergnügungsvierteln … : Welch unterschiedliche Umsetzungen sind hier versammelt!

„Die weinende Spinne“, Odilon Redon
Düsterer die Albtraum-Arbeiten von Odilon Redon wie die Kohlezeichnung „Die weinende Spinne“.
Foto: © Privatsammlung

Impressionismus, Teil III folgt 2013 #

Degas nimmt eine Sonderstellung ein, Plein-air-Malerei interessierte ihn kaum, er malte nur wenige Landschaftsbilder, von denen ein frühes – ein besonderer Ausreißer – hier zu sehen ist: ein Bild aus der Normandie, das er mit weichen Stiften anfertigte. Seine Bilder von Balletteusen und Frauen bei der Toilette, die eine viel größere Breitenwirkung haben, bekommen einen eigenen Raum innerhalb der ansonsten nach Künstlern geordneten Ausstellung in der Basteihalle im Untergeschoss, die ihre Fortsetzung in einer kleinen Spezialschau zu Cézanne und Redon in der Pfeilerhalle findet.

Während die aktuelle Schau einer über die Techniken der Impressionisten folgt, die vor zwei Jahren in „Wie das Licht auf die Leinwand kam“ Blätter und Samen in Gemälden als Beweismittel für die Plein-air-Malerei anführte, kündigt Schröder bereits den dritten Teil der Impressionisten-Serie an: Im Herbst 2013 schließt man mit einer Schau über die Folgen des Impressionismus bei Matisse und den Fauves ab. Mit der aktuellen Ausstellung tritt die Albertina einmal mehr für die Rehabilitierung und Neubewertung der Kunst der Zeichnung ein.

DIE FURCHE, 16. Februar 2012


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