Gustav Klimt (1862 - 1918)#
Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus dem Buch: Große Österreicher. Thomas Chorherr (Hg). Verlag Carl Ueberreuter, Wien. 1985.
Die üppige, überladene Ringstraßenzeit, jene Epoche, die das Dekorative zum Symbol gemacht hatte, in der das Traumhaft-Erotische den Alltag umnebelte und einem Sigmund Freud ein reiches Arbeitsgebiet verschaffte, die Zeit, in der Hans Makart dem Horror vacui zu Leibe rückte, indem er jedes Fleckchen Wand schmückte - nur eine solche Periode hat einen Gustav Klimt hervorbringen können. Man nennt ihn heute den größten österreichischen Maler der Jahrhundertwende. Als »Mordskerl« hat ihn der Ringstraßenarchitekt Hasenauer bezeichnet. Die Öffentlichkeit freilich hat ihn hart, ja bisweilen bösartig kritisiert.
Gustav Klimt ist gefeiert und verdammt worden in seiner Heimatstadt - und hat diese Heimatstadt Wien doch mit jeder Faser seines Herzens geliebt. Er war ein Einsamer und doch ein Großer. Er hat dunkle Augen gehabt mit tiefen Schatten darunter - was bei ihm als göttlicher Funke galt, hat seine Mutter und seine Schwester zerrüttet, sie wurden geisteskrank. Auch Gustav Klimt selbst hat sich zeitlebens davor gefürchtet, irre zu werden. Von der Genialität zum Wahnsinn ist stets nur ein ganz kleiner Schritt. Klimts erbliche Belastung war indes eine rein künstlerische. Der Vater ist Graveur gewesen, auch Gustavs Brüder Georg und Ernst haben die Künstlerlaufbahn eingeschlagen, Kunstgewerbler und Medailleur der eine, Maler wie Gustav der andere, Ernst. Zweifellos aber ist Gustav der begabteste gewesen. Er hat ursprünglich Mittelschullehrer für Zeichnen werden wollen, deshalb begann er als Sechzehnjähriger an der Kunstgewerbeschule zu studieren, die zum »k. k. österreichischen Museum für Kunst und Industrie« gehörte. Rieser, Minningerode, Hrachovina, Laufberger, Berger waren seine Lehrer. Früh schon wurde sein Talent erkannt, gemeinsam mit seinem Bruder Ernst und dem Maler Franz Matsch arbeitete er im Schulatelier des Professors Laufberger, und dessen Verbindung mit den Theaterarchitekten Helmer und Fellner brachte den drei jungen Künstlern bald die ersten Aufträge - damals durchwegs im Sinn der herrschenden architektonischen Prunksucht. Es waren zumeist dekorative Aufgaben, die man den beiden Brüdern Klimt und deren Freund Matsch übertrug, Wand- und Deckenmalereien für die in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in allen Teilen der Monarchie entstehenden mehr oder minder prunkvollen Kulturbauten, Theater zumeist, die, dem Geist der Zeit entsprechend, überreich ausgestattet wurden. Die neuen Theater in Reichenberg, Fiume, Karlsbad wurden ebenso von Klimt dekoriert wie das Kurhaus in Karlsbad, wie die Hermesvilla im Lainzer Tiergarten - die Skizzen dazu hat Hans Makart angefertigt - und wie das königliche Schloß von Sinaia in Rumänien.
Krönung dieser Aufträge und Höhepunkt dieser Epoche aber sind die Arbeiten im neuen Burgtheater und im Kunsthistorischen Museum gewesen, wo Klimt die prunkvollen Stiegenhäuser dekoriert hat - mit dekorativallegorischen Malereien, die in ihrem Farbenrausch getreues Abbild des damaligen künstlerischen Geschmacks gewesen sind - jenes Geschmacks, von dem sich Klimt später so schnell und so deutlich absentieren sollte.
Vorerst freilich war er gefeiert. Als sein Bruder Ernst in jungen Jahren - 1892 -starb, vollendete Gustav dessen Burgtheater-Gemälde »Hanswurst auf dem Jahrmarkt«. Heute noch sind die Stiegenhäuser des Semper-Hasenauer-Baus am Ring Beweis der fruchtbaren Zusammenarbeit des Brüderpaars. Nach Ernsts Tod blieb Gustav Klimt dann allein - in jeder Bedeutung des Wortes. Die ersten harten Kritiken kamen - man warf ihm Banalität vor. Und doch begann Klimt schon damals, sich langsam von der akademischen Kunsttradition, vom überladenen, protzigen Makart-Stil, von der Trivialität der Nazarener zu lösen; er emanzipierte sich vom Wiener Geist der Eklektik. Die europäischen Jugendstilbewegung schuf auch in Wien Unruhe, und als 1897 die »Vereinigung bildender Künstler Österreichs« dem Künstlerhaus davonlief und sich als »Secession« neu etablierte, war Klimt an der Spitze.
Allerdings nicht lange. Künstler in Wien sein heißt angefeindet werden, heißt Intrigen ausgesetzt sein. Mit den drei sogenannten Fakultätsbildern hat Gustav Klimt den ersten großen Sturm der Entrüstung in der Kaiserstadt ausgelöst. Die Wiener Universität hatte ihn damit beauftragt, für die jeweiligen Institute Symbolbilder zu den Themen Medizin, Philosophie und Jurisprudenz zu schaffen. Klimt, damals bereits mit dem Impressionismus in Kontakt gekommen, entwarf Gemälde, die in krassem Gegensatz standen zur Handgreiflichkeit der früheren allegorischen Konvention. Es waren noch immer Allegorien, natürlich, aber anders, als die gelehrten Auftraggeber es sich vorgestellt hatten, nicht deutlich erkennbar, nicht zu greifen in ihrer Sinnbildlichkeit, sondern zum Nachdenken anregend, verwirrend, nebelhaft. Öffentlichkeit und Zeitungen attackierten Klimt, der die drei Fakultätsbilder in den Jahren 1900 bis 1903 gemalt hatte, so heftig, daß der Meister die Gemälde wieder zurückkaufte; prompt hat die »Philosophie« bei der Pariser Weltausstellung einen Grand Prix zuerkannt bekommen. Die Bilder haben im übrigen den Zweiten Weltkrieg nicht überstanden, sie sind 1945 verbrannt. Nicht so das seinerzeit gleichfalls skandalumwitterte, heute allgemein bekannte und anerkannte sogenannte Beethoven-Fries, das Gustav Klimt für die Ausgestaltung des Secession-Raums malte, in dem eine von dem berühmten deutschen Bildhauer und Maler Max Klinger geschaffene Beethoven-Statue ausgestellt wurde. Das Beethoven-Fries gilt heute als eine der bedeutendsten Arbeiten des Secessionisten - der freilich 1904 zusammen mit Otto Wagner und Josef Hoffmann die Vereinigung wieder verließ, um die Wiener Werkstätte zu gründen, jene Institution, die den Begriff des Wiener Kunsthandwerks weltberühmt machen sollte.
In der Tat ist auch Gustav Klimts Malerei immer wieder in den Dienst des dekorativen Kunsthandwerks getreten; seine Zeichnungen hingegen widmeten sich zumeist dem weiblichen Akt. Es ist ein sehr persönlicher Typ von Frauenschönheit, den Klimt auf rund tausend Blättern skizzierte. Während seine Gemälde - zumeist in quadratischer Bildform, später oft mit Goldton, mosaikartig, ornamental gestaltet - sich häufig traumartig ausdrückten (es war eben, wie gesagt, die Zeit, in der Sigmund Freud in Wien lebte und arbeitete), sind die Aktzeichnungen naturalistisch, teilweise erotisch, handfest. Jedes größere Klimt-Werk entfachte neuen Streit in der Öffentlichkeit, neue Intrigen, neue Diskussionen. Als sich der Künstler um eine Professur an der Akademie bewarb, wurde dies abgelehnt. Gustav Klimt blieb der »Einsiedler von Sankt Veit«, der seinen Morgenspaziergang auf dem Tivoli absolvierte, seine Wochenenden im Wienerwald und seine Sommer im Salzkammergut verbrachte. Und doch hat er die Wiener Malerei zur Weltgeltung zurückgeführt, hat vor allem auch mit seinen späten Gemälden, seinen Hauptwerken, wie dem Beethoven-Fries, dem Bild »Der Kuß«, der Ausgestaltung des von Josef Hoffmann in Brüssel gebauten Palais Stöcklet eindeutig den Rang der größten europäischen Maler seiner Zeit erreicht. Die größte Sammlung seiner Werke hat heute die Österreichische Galerie. Gustav Klimt gehört demnach allen Österreichern. Er hat sie in der Tat reicher gemacht.