Wie gefährlich sind die „Aliens“ unter den Pflanzen? (Essay)#
Franz Essl
Wann werden gebietsfremde Pflanzenarten, so genannte Neophyten oder „Aliens“, gefährlich? Und wem machen sie eigentlich Probleme? Kann und soll etwas gegen die Ausbreitung mancher Neophyten getan werden, oder sind sie nicht eine Bereicherung der Landschaft?
Diese Fragen werden nicht nur unterNaturschützern und Biologen, sondern auch in der breiteren Öffentlichkeit kontroversiell diskutiert.
Was sind nun die Fakten?
Nicht jede neue Art führt gleich zu sichtbaren Auswirkungen auf die besiedelten Lebensräume, viele Veränderungen bleiben bedeutungslos. Am erfolgreichsten sind Arten, die an ihre Lebensräume keine besonderen Ansprüche stellen, die besonders konkurrenzstark gegenüber anderen Arten sind und sich besonders erfolgreich vermehren.
Über 1.000 gebietsfremde Pflanzenarten haben sich im Lauf der letzten Jahrhunderte in Mitteleuropa neu angesiedelt; sie stellen inzwischen über ein Viertel der gesamten Flora.
Die große Mehrheit der Neuankömmlinge bleibt unauffällig und selten, aber ca. 30 Neophyten sind für den Naturschutz ein Problem, etwa 15 Arten verursachen wirtschaftliche Schäden im Bereich der Land- oder Forstwirtschaft, ein paar Arten gefährden die menschliche Gesundheit, wie z. B. die allergene Pollen produzierende Beifuß-Ambrosie.
Viele der heute gefürchteten Neophyten wurden anfangs als Zierpflanzen eingeführt und über Gärten weiter verbreitet!
Unter den naturnahen Lebensräumen sind Auen und Flussufer besonders von gebietsfremden Pflanzenarten betroffen. Topinambur, Drüsiges Springkraut und Japanischer Staudenknöterich bilden hier oft große Bestände. Eine aktuelle Erhebung zeigt, dass selbst Schutzgebiete wie der österreichische Nationalpark Donau-Auen durch gebietsfremde Arten stark betroffen sind.
Es darf aber nicht vergessen werden, dass der Verlust von Biodiversität in Mitteleuropa nur in relativ geringem Ausmaß Neophyten anzulasten ist. Die Zerstörung naturnaher Lebensräume, Verbauung und die allgegenwärtige Aufdüngung der Landschaft stehen hier an erster Stelle.
Wenn auch in Mitteleuropa somit glücklicherweise kein Anlass zur Hysterie besteht, so gibt es doch gravierende (und meist auch irreversible) Probleme durch manche Neophyten, die sich in Zukunft durch Fernhandel und den zu erwartenden Klimawandel noch vergrößeren werden – mit aus heutiger Sicht kaum abschätzbaren Konsequenzen.
Gezielte Maßnahmen wie Importbeschränkungen bei problematischen Arten, Aufklärung und – bei einigen wenigen Arten – auch Bekämpfung sind daher nötig. Das Thema erfordert sicher viel Sensibilität und darf nicht politisch vereinnahmtwerden, um eigene gesellschaftliche (Wunsch-) Vorstellungen zu untermauern.
Der Naturschutz kann uns die Frage, wie menschliche Gesellschaften aussehen sollen, nicht beantworten. Eine ausgewogene Darstellung liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Forschern und Medien.
Dieser Essay stammt mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus dem Buch: