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Gentechnik – Fluch oder Segen?#

Helge Torgensen

Die Antwort fällt unterschiedlich aus, je nachdem, um welchen Bereich es geht, wen man fragt und was man mit dem Begriff meint.

Denn inzwischen steht der Begriff für die gesamte moderne Biotechnologie, deren Fortschritte immer wieder Kontroversen auslösen:

Heilungschance oder Machbarkeitswahn, Innovationsvorsprung oder Dominanz von Großkonzernen? Und warum haben die vielen Studien zu Chancen und Risiken samt allen Gesetzen den Streit nicht beenden können?

Das gezielte Erkennen, Verändern und Übertragen Von Genen gilt auch heute noch vielen als neu, die Technik stammt aber aus den 1970er Jahren. Damals war man aus Vorsicht übereingekommen, vorerst bestimmte Experimente zu unterlassen. Als es Sicherheitsrichtlinien gab, ging es rasant voran, bald konnten z. B. veränderte Bakterien menschliches Insulin herstellen.

In den 1980er Jahren kam es zu öffentlichen Debatten über Technikrisiken. Man konnte jetzt Gene gezielt verändern und von einer Art zur anderen übertragen, während bei herkömmlicher Züchtung Individuen nur aus vielen mit zufälligen genetischen Veränderungen auswählt werden können.

Drei Themen dominierten die Debatte: die Moral – der Mensch solle nicht Gott spielen –, das Risiko – die Technik sei unabschätzbar –, und die Verteilungsgerechtigkeit – nur große Konzerne würden profitieren.

Dagegen stand die Chance auf neue Medikamente und Nutzpflanzen sowie als Leitmotiv die technologische Wettbewerbsfähigkeit.

Überdies ließen sich technikspezifische Risiken nicht nachweisen.

Je rosiger die industriellen Perspektiven, desto heftiger wurde die Debatte. Neben der großtechnischen Produktion lehnten viele die Freisetzung von „Gen-Pflanzen“ ab.

So trat die Gentechnik das Erbe der Kernenergie im Streit um moderne Technik an.

Als einige Länder Gesetze erließen, zog die EG 1990 mit Richtlinien nach. Für den Laborbereich bewährten sie sich, bei Produktzulassungen konnten sich die Mitgliedstaaten aber oft nicht einigen. In den USA trat die „grüne“ Gentechnik ihren Siegeszug in der Landwirtschaft an, in Europa stagnierte sie.

Obwohl Gentechnik nichts damit zu tun hatte, trugen diverse Lebensmittelskandale (z. B. BSE) zum Misstrauen gegen die Behörden bei. Neue EU-Bestimmungen, die ein Nebeneinander von gentechnischen und konventionellen Sorten erlauben sollen, müssen sich erst bewähren.

Indessen wurde die „rote“ Gentechnik in der Medizin zur großen Hoffnung. Neue Medikamente sollten Krebs und Aids heilen, genetische Diagnosen Erbkrankheiten abschaffen – vieles blieb ein Traum, obwohl es Fortschritte gab.

So heftig die grüne Gentechnik abgelehnt wurde, so übertrieben waren manche Erwartungen an die rote. Die Entzifferung des menschlichen Genoms 2001 eröffnete zusätzliche Perspektiven, gab aber zunächst mehr Rätsel auf, als sie löste.

Die Debatte um die Gentechnik dürfte uns also noch lange begleiten.


Dieser Essay stammt mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus dem Buch:

© 2007 by Styria Verlag in der, Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG, Wien
© 2007 by Styria Verlag in der
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