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Älteste Höhlenkünstler#

Neue Funde zeigen, dass schon die Neandertaler Zeichen und Formen an ihre Wände malten.#


Mit freundlicher Genehmigung der Wiener Zeitung, 23. Februar 2018


Neandertaler-Malereien in der spanischen Höhle La Pasiega
Neandertaler-Malereien in der spanischen Höhle La Pasiega.
Foto: © Science/P. Saura

Southampton/Leipzig/Wien. (gral) Schon Neandertaler hatten ganz offensichtlich künstlerische Fähigkeiten - ähnlich jenen des modernen Menschen, wie Wissenschafter der University of Southampton und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig herausgefunden haben. In drei spanischen Höhlen fanden sie Malereien, die den Umriss einer Hand und geometrische Formen darstellen, die mindestens 64.000 Jahre alt sind und somit gut 20.000 Jahre vor Ankunft des Homo sapiens in Europa entstanden sind.

Bis zuletzt war Höhlenkunst nur dem modernen Menschen zugesprochen worden. Eine mögliche andere Herkunft war aufgrund ungenauer Datierungstechniken auch nicht nachzuweisen. Die sogenannte Uran-Thorium-Datierung brachte nun allerdings Licht ins Dunkel. Die Technik basiert auf dem radioaktiven Zerfall von Uran-Isotopen, die sich dabei in das chemische Element Thorium umwandeln. Durch die Messung der Ausgangs- und Zerfallisotope kann ein Alter von bis zu rund 550.000 Jahren bestimmt werden.

Grundpfeiler des Menschseins#

"Das ist eine unglaubliche und spannende Entdeckung, die darauf hindeutet, dass Neandertaler intellektueller waren als allgemein gedacht", betont Studienautor und Archäologe Chris Standish von der University of Southampton in der im Fachblatt "Science" publizierten Studie. Die Funde stellen die älteste bekannte Höhlenkunst dar.

Die Tierbilder, geometrischen Zeichen und Umrisse von Händen, zumeist in roten Linien gemalt, fanden die Forscher in den Höhlen La Pasiega im nordspanischen Kantabrien, Maltravieso in der Extremadura sowie im andalusischen Ardales unweit von Malaga. "Unsere Datierungsergebnisse zeigen, dass die Höhlenkunst an diesen drei Standorten in Spanien viel älter ist als bisher angenommen", erklärt der Archäologe Alistair Pike.

Kulturelle und intellektuelle Errungenschaften, wie sie von Generation zu Generation weitergegeben werden, waren bis jetzt nur mit unserer Spezies in Verbindung gebracht, bestätigt auch Dirk Hoffmann vom Max Planck Institut.

"Die Entstehung symbolischer Sachkultur stellt eine fundamentale Schwelle in der menschlichen Evolution dar. Es ist eine der Grundpfeiler, auf denen unser Menschsein beruht", erklärt Hoffmann. Frühere bis dato entdeckte Artefakte seien 70.000 Jahre alt und wurden in Afrika mit dem modernen Menschen in Verbindung gebracht. In Europa sind die ältesten Funde, die dem modernen Menschen zugesprochen werden, rund 40.000 Jahre alt.

Schmuck aus Muschelschalen#

Die Neandertaler hatten sich aber offenbar noch viel früher künstlerisch betätigt. So fanden Forscher in der Aviones-Höhle in Südostspanien etwa auch Muschelschalen mit Löchern. Offensichtlich waren diese als Schmuck verwendet worden. Manche Muschelschalen enthielten auch Reste von Farben. Sie wurden auf ein Alter von mindestens 115.000 Jahren datiert.

Jean-Jacques Hublin, Direktor am Leipziger Max-Planck-Institut, der an der Studie nicht beteiligt war, sagt, es habe in den letzten Jahren viele Hinweise gegeben, dass Neandertaler komplexe Wesen waren. Dennoch warnt er vor Spekulationen, sie seien dem modernen Menschen ebenbürtig gewesen. "Die Neandertaler waren uns in vielerlei Hinsicht nahe, aber sie waren nicht wie wir."

Der gemeinsame Vorfahre von Homo sapiens und Homo neanderthalensis lebte vermutlich vor mindestens 500.000 Jahren in Afrika. Neandertaler besiedelten Europa lange bevor der moderne Mensch den Kontinent vor gut 40.000 Jahren erreichte.

Wiener Zeitung, 23. Februar 2018