Die unsichtbare Volkszählung#
Nach den Niederlanden und der Schweiz verzichtet nun auch Österreich auf Fragebögen – und spart Millionen#
Von der Wiener Zeitung (Freitag, 13. Mai 2011) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Christoph Rella
- Statistik Austria zählt mit Registern.
- Deutschland: Kein anonymer Zensus.
- Kritiker sprechen von "Listenwahn".
Wien. Was haben der ägyptische Pharao Djoser, Kaiser Augustus und Maria Theresa gemeinsam? Sie wollten wissen, wie viele Menschen in ihren Reichen lebten. Ihr Motiv ist bis heute dasselbe geblieben – nämlich so für eine effiziente und nachhaltige Besteuerung der Untertanen sorgen zu können.
Nun ist das Interesse der Herrschenden an den Daten seitdem nicht wirklich geringer geworden. Im Gegenteil: Zählte man früher nur das Hausvieh, die Geburten oder einfach die Anzahl der "Seelen", so geht die moderne Volkszählung heute weit über das Abfragen steuerrelevanter Informationen hinaus. Wobei in den meisten Ländern nicht mehr die Personen selbst, sondern deren Spuren, die sie im endlosen Äther der Staatsverwaltung hinterlassen, für die Ermittlungen herangezogen werden. Der Name des Zählverfahrens, das mittlerweile in vielen europäischen Staaten angewandt wird, verrät bereits, wie eine Registerzählung funktioniert: "Wie bei einem Puzzle werden sämtliche verfügbaren Daten aus verschiedenen Behördenregistern wie etwa dem Melde-, Wohnungs-, Sozialversicherungs- oder Fremdenregister zusammengetragen", erklärte die für die Zählung zuständige Abteilungsleiterin bei der Statistik Austria, Manuela Lenk, im Rahmen eines "Zensus-Workshops" am Donnerstag in Wien.
So eine Registerzählung steht ab 31. Oktober – sekundiert durch EU-Rechtstitel – nun erstmals auch den Österreichern ins Haus. Abgefragt werden laut der Beamtin nicht nur allgemeine Daten wie die Zahl der Personen, Familien und Haushalte in Österreich, sondern auch spezifische Merkmale wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Geburtsland, Beziehungsstatus und Staatsangehörigkeit. Ebenso erhoben werden weiters Berufstyp, Bildungsniveau und die Anzahl der in einem Haushalt lebenden Kinder, so Lenk. An die persönlichen Daten gekoppelt würden zudem Daten zu Gebäuden, Wohnungen, Bauperioden, Ausstattung, Arbeitsstätten oder Nutzflächen.
Haushaltsvorstand neu#
Aus dem Fragenkatalog entfernt wurden lediglich vier Merkmale: Religionszugehörigkeit, Umgangssprache, Beruf und die Bestimmung des Haushaltsvorstandes. Vor allem Letzteres hatte bereits bei der vergangenen, traditionellen Volkszählung (mit Fragebögen) im Jahr 2001 für viel Unmut in der Bevölkerung gesorgt. Allerdings ganz ohne den Titel Haushaltsvorstand auskommen will die Statistik Austria auch 2011 nicht. Anstatt nach Vorständen zu fragen, will man es dabei belassen, diesmal nur noch Haushaltsreferenzpersonen zu ermitteln.
Mitkriegen wird das ohnehin niemand: "Die Österreicher werden von der Registerzählung nichts bemerken", sagte Lenk und betonte gleichzeitig, dass ihr Institut durch die Umstellung auf die Registerzählung insgesamt bis zu 60 Millionen Euro eingespart habe. Dass dies auf Kosten des Datenschutzes gehen könnte, verneint die Statistikerin: "Die Informationen aus den Registern werden über die Datenschutzkommission bezogen und mit einem 172-stelligen Code versehen", sagte sie. "Namen scheinen in der Registerzählung nicht auf." Das Verfahren sei damit immer noch sicherer als etwa in Deutschland: Dort wird mithilfe des vollen Namens über Register und Stichprobenbefragungen ermittelt.
Dass in Deutschland der Name nicht geheim bleibt, ist allerdings historisch begründet: "Die letzte Volkszählung hat in Deutschland 1987 und in der DDR 1981 stattgefunden", erklärte Sabine Berchtold vom Statistischen Bundesamt am Donnerstag in Wien. "Wir betreten mit der Registerzählung 2011 völliges Neuland." Der Schritt sei längst überfällig gewesen, nachdem man die Fehleranfälligkeit der Fortzählungen auf Basis der Daten aus den 80er Jahren erkannt habe, sagte sie. "Wir sind erst bei einer Testzählung 2001 draufgekommen, dass die errechnete Bevölkerungszahl in Deutschland um 1,3 Millionen Personen überhöht war." Die Vorgabe der Politik, den Zensus das nächste Mal nur als Registerzählung durchzuführen, begrüßt Berchtold. "Ich erinnere mich gut an die heftigen Proteste vor mehr als 20 Jahren", fügte sie hinzu. Damals seien Fragebögen öffentlich verbrannt worden. Das Statistische Bundesamt darf sich also freuen. Zumal sich die Proteste gegen die Anfang Mai gestartete namentliche Zählung diesmal in Grenzen halten dürften.
"Zählung ist ein Unfug"#
Kritiker an der Registerzählung gibt es trotzdem genug – so auch in Österreich. "Es ist teilweise schon ein ordentlicher Unfug, was da alles abgefragt wird", meinte etwa der Obmann der "Arge Daten", Hans Zeger, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Besonders stark wurme ihn die Erhebung privater Beziehungs- und Familienverhältnisse. "Zwischenmenschliche Beziehungen funktionieren heute anders als früher. Was darüber in den Registern zu finden ist, hat häufig gar nichts mehr mit der Realität zu tun", erklärte er. Geht es nach ihm, so soll der Staat nur die Personen, die im Melderegister aufscheinen, zählen – was auch EU-konform wäre und weit weniger als die veranschlagten 10 Millionen Euro kosten würde. "Österreich hat einen ausgeprägten Listenwahn", diagnostizierte Zeger. Und will auch wissen, warum: "Das lenkt ab und beruhigt."