Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Elektronische Scherben#

Hermann Maurer

Als Kind habe ich in Carnuntum (bei Wien) auf den neu gepflügten Äckern Terrakotta-Bruchstücke aus der Römerzeit gesucht. Manchmal hielt ich ein kleines Stück in den Händen, sichtlich ein Teil einer Vase oder eines anderen Gefäßes, und das kleine Stück war so schön, dass offenbar auch das ursprüngliche Gefäß schön gewesen sein musste... auch wenn vielleicht z.B. ein Henkel die Rückseite ästhetisch zerstört haben könnte...

Heute geht es mir in elektronischen Netzen, in den Chatrooms des Internets ähnlich. Nur sind die Scherben nicht gebrannter Ton, sondern Stücke (Äußerungen) von Menschen: Ich finde da Bemerkungen, Diskussionen, Ansichten, Antworten auf Fragen, vielerlei Kleinigkeiten, die so schön sind, dass es klar ist: Wer immer solches von sich gibt - diese Person muss ungewöhnlich (toll) sein, auch wenn sie unsichtbare "Henkel" (positive oder negative Seiten) haben mag.

Ein paar Mal bin ich meiner Neugierde nachgegangen, habe dann die Person hinter dem Pseudonym aufgespürt und letztendlich GETROFFEN. Und war BETROFFEN, wie nahe meine Vorstellungen an die Wirklichkeit herangekommen waren: Die Menschen, die ich so traf, waren immer "schön" (in irgendeinem Sinn).

Nicht zuletzt deshalb bin ich Fan (anonymer) elektronischer Netze, obwohl ich hier auch eindringlich von deren Gefahren warnen muss. Die berühmten "Social Networks" wie Facebook führen zu der größten und gefährlichsten Welle des Massenexhibitionismus, um Andrew Keen mit seinem Buch "Das Zeitalter der Stümper" zu zitieren.Übrigens, der Roman "XPERTEN: Kampf dem großen Bruder!" schildert ein besonders drastisches Beispiel.

Besonders interessant ist es auch, dass man bei (textuellen) Chats nicht vom Aussehen der Person, nicht vom Alter, nicht vom Geschlecht, nicht von irgendeiner Behinderung beeinflusst wird, sondern es nur auf das "was und wie" geschrieben wird ankommt. Ist es in diesem Sinn schade, dass in den letzten Jahren die rein textuelle Kommunikation wieder abnimmt, und visuelle Komponenten zugenommen haben?

Dieser Aufsatz basiert auf einer Version im Buch "Der Anfang" aus der XPERTEN-Reihe.