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Mit der Tramway ins Vergnügen#

Was heute selbstverständlich ist, war früher Grund zum Feiern. Die ersten Öffis fuhren zu Unterhaltungsstätten.#


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung, 18. August 2018

Von

Clemens Marschall


Der letzte Wagen der Wiener Pferdetramway. Photographie. 28. Jänner 1902
Der letzte Wagen der Wiener Pferdetramway. Photographie. 28. Jänner 1902.
Foto: © IMAGNO/Austrian Archives

Wien. "Für viele Wiener diente die Tram früher nicht als Beförderungsmittel in die Arbeit, sondern zum Vergnügen am Wochenende", erklärt der Historiker und Zauberkünstler Robert Kaldy-Karo, "denn Arbeitsstelle und Wohnung lagen meist nebeneinander oder übereinander, auf jeden Fall in Gehweite. Deshalb fuhren die ersten öffentlichen Verkehrsmittel auch in Erholungsgebiete, wie z.B. nach Döbling mit den Heurigen oder in die Leopoldstadt mit dem Wurstelprater." Kaldy-Karo steht gerade beim Würstelstand am Pratereingang und nimmt sich eine Käsekrainer vor. Währenddessen deutet er auf die Ausstellungsstraße: "Da sind früher die Pferde der Tramway vorbeigetrabt, während die Menschen aus dem Circus Busch geströmt sind."

Bevor die Tram als Massenverkehrsmittel zum regelmäßigen Einsatz gekommen ist, gab es im Prater immer wieder nicht alltägliche Fahrgelegenheiten, meistens im Zusammenspiel mit Messen oder großen Industrie-Ausstellungen. "Ihre Vorläufer waren Feldbahnen, die sich unter anderem reiche englische Gutsbesitzer auf ihren Besitztümern bauen ließen", erzählt Kaldy-Karo. "Das erste Eisenbahn-Projekt bei uns war mehr zum Bestaunen gedacht, was die Wiener auch gerne taten."

Franz Anton von Gerstner errichtete 1823/24 am Praterstern, am Rande des Praters eine 227,5 Meter lange Probestrecke mit Holzschienen für Pferdebetrieb. Die Anlage diente als Schauobjekt, um Geldgeber für die erste österreichische Pferdebahn von Linz nach Budweis zu finden. Die Genehmigung dafür erhielt Gerstner ein Jahr später. 1834 wurde im Prater eine kurze Versuchsstrecke gebaut, auf der ein Dampfomnibus fuhr. Die Errichtung der ersten Eisenbahnstrecke der Monarchie 1838 von Wien nach Wagram beflügelte die Fantasie der Wiener und der Praterunternehmer.

1840 kaufte der Zauberkünstler Basilio Calafati das Ringelspiel "Zum schwarzen Rössl" und modernisierte es in den folgenden Jahren. Nicht nur wurde es bald mit Dampf betrieben, sondern montierte Calafati neben seinen schwarzen und weißen Holzpferden auch zwei damals futuristisch anmutende Lokomotiven: eine mit dem Namen Hellas, die er auf Nanking umtaufte, die zweite nannte er Peking. Später wurde die Mittelsäule in Form eines asiatischen Amtsträgers mit stolzem Blick umgebaut, von woher sich der Name des legendären Karussells "Zum großen Chineser" herleitet. Zu jener Zeit wurde noch ein weiteres Eisenbahn-Ringelspiel im Prater eröffnet, das sich in der Hütte "Zum goldenen Löwen" befand.

Fahrt auf Holzschienen ins Kolosseum#

Nicht nur der Prater diente als Experimentierfeld für neue technische Entwicklungen, so Kaldy-Karo: "Als echten Urahnen der Wiener Straßenbahn kann man die Brigittenauer Pferdebahn bezeichnen, die von Carl Hör erbaut wurde, dem damaligen Besitzer des riesigen Unterhaltungsetablissements Kolosseum." Die Bahn fuhr vom 2. Juli 1840 bis zum 29. Juni 1842 auf einer eigenen Trasse auf Holzschienen und brachte die Wiener, die es sich leisten konnten, direkt zum Eingang des Kolosseums Ecke Jägerstraße/Zrinyigasse.

Die Strecke führte vom Rotenturmtor längs des Donaukanals über die Obere Donaustraße, den (heutigen) Gaußplatz und die Jägerstraße. Dabei wurden Pferde zwischen zwei Wägen eingespannt: Sie konnten daher gleichzeitig ziehen und schieben. Zum Schutz der Pferde befand sich über ihnen ein Stoffdach. Der Fahrpreis betrug in der 1. Klasse 8, in der zweiten 5 Kreuzer.

Da die Bahn nicht so ausgelastet war wie erhofft, wurde die Strecke zuerst verkürzt, dann ganz geschlossen. "Am Tag der letzten Fahrt gab es im Kolosseum noch ein großes Programm zu erleben. Der Eintritt für alle Vergnügungen betrug 15 Kreuzer", fügt Kaldy-Karo hinzu.

Erstes öffentliche Verkehrsmittel eröffnet#

Anlässlich der Weltausstellung im Prater wurde am 1. Mai 1873 das erste tatsächlich öffentliche Verkehrsmittel feierlich eröffnet, das nicht direkt zu einem Vergnügungslokal gehörte. Die Strecke der privat betriebenen Pferdetramway führte von der Lassallestraße, abzweigend bei der Venediger Au, in die Ausstellungsstraße (vormals Feuerwerksallee).

Zehn Jahre später wurde die Strecke am Praterstern mit anderen Pferdebahn-Linien verbunden und fuhr dann weiter auf der Nordportalstraße bis zur Rotunde. "Die Fahrgäste mussten schnell einsteigen, da die Pferde oft unruhig waren und schnell weiterwollten", so Kaldy-Karo. 1883 fand in der für die Weltausstellung errichteten Rotunde die "Elektrische Ausstellung" statt: Eine elektrische Kleinbahn fuhr von der Jaroschauer Bierhalle im Prater über die Feuerwerkswiese zum Nordportal der Rotunde.

1890 gastierte die "Land- und Forstwirtschaftliche Ausstellung" in dem prächtigen Kuppelbau. Dazu wurde eine Petroleumbahn, von den Wienern liebevoll "Schnackerlbahn" genannt, errichtet. "Der Spitzname lässt sich wohl auf die Geräusche der Dampfmaschine bei der Fahrt zurückführen - aber das ist nur eine Mutmaßung", so Kaldy-Karo.

1897 fuhr die erste elektrische Straßenbahn#

Im Jänner 1897 fuhr die erste elektrische Straßenbahn Wiens auf der heutigen 5er-Linie. Wegen ihrer geringen Lärm- und Geruchsbelästigung sollte sie sich von nun an gegen die Pferde- und die Dampftramway durchsetzen. Im Juni 1903 fuhr die letzte Pferdetramway. Noch aber galt das Phänomen "Tramway" als exotisch und blieb zusätzlich Teil des Unterhaltungssektors: 1898 betrieb die Praterunternehmerin Marie Kek in der Praterhütte 68 am 1. Rondeau ihr Tramway-Karussell. "Sie betonte in der Werbung, dass es Sicherheitsgurte gab und daher für Kinder sehr geeignet sei", so Kaldy-Karo, und, so fügt er schmunzelnd hinzu: "1904 war in der Rotunde eine Ausstellung für Spiritusverwertung und Gärungsindustrie. In der Rotunde konnten die Besucher auf einer mit Spiritus betriebenen Kleinbahn fahren."

Die Liliputbahn wurde anlässlich des Schubertjahrs als Praterattraktion geplant und am 1. Mai 1928 eröffnet. "Sie fuhr nahe am berühmten Varieté Leicht vorbei und störte mit ihren Fahrgeräuschen die dort auftretenden Künstler. Sie mussten dann immer ihre Pointen und Witze hinauszögern, da das Publikum sie ansonsten nicht gehört hätte. Das kann man auch heute noch nachvollziehen, wenn man im Restaurant Luftburg, neben dem Zaun zur Liliputbahn sitzt," so Kaldy-Karo. Von seiner Käsekrainer ist nichts mehr übrig und er erklärt die Zeitreise für beendet.

Wiener Zeitung, 18. August 2018