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Die Lurgrotte erzählt...#

Lurgrotte, Ölgemälde von Adolf Mayer
Lurgrotte
Ölgemälde von Adolf Mayer


FRANZ SCHENK - FRANZ WILD

Die Lurgrotte erzählt...


Ein Streifzug durch ihre Geschichte von den Anfängen bis heute


Herausgegeben von den Marktgemeinden Peggau und Semriach anläßlich des Erscheinens der Sonderpostmarke „Lurgrotte" und des Jubiläums „100 Jahre Erforschungsgeschichte der Lurgrotte" im Jahre 1994.

Layout, Satz, Druck: Harry .Design, Harald Jantscher, 8122 Waldstein


Vorwort #

Die Marktgemeinden PEGGAU und SEMRIACH sind von ihrer Struktur her vollkommen verschieden. Was die beiden Gemeinden aber verbindet, ist das zusammenhängende Höhlensystem der Lurgrotte. Die 100. Wiederkehr des Ereignisses der Einschließung von sieben Höhlenforschern im Semriacher Teil der Lurgrotte 1894 und das Erscheinen einer Sonderpostmarke „LURGROTTE PEGGAU- SEMRIACH" der Serie „Naturschönheiten in Österreich" am 29. April 1994 sind der Anlaß für die Herausgabe dieser Broschüre.

Peggau - Wappen
Die Marktgemeinde PEGGAU liegt 20 km nördlich von Graz, im mittleren Murtal und hatte wegen seiner günstigen Lage schon immer eine besondere Bedeutung für den Handel und den Verkehr. Heute wird der Ort durch Gewerbe und Industrie geprägt. Seit einigen Jahren bemüht sich Peggau jedoch verstärkt, durch Ortserneuerungsmaßnahmen für den Tagestouristen attraktiv zu werden. Die Lurgrotte, eine der schönsten Tropfsteinhöhlen Österreichs, von Peggau wie von Semriach aus als Schauhöhle begehbar, ist aber für Peggau die einzige Fremdenattraktion. Die örtliche Gastronomie empfiehlt sich für jedermann, kann aber auch größere Reisegruppen problemlos aufnehmen.

Semriach - Wappen
Die Marktgemeinde SEMRIACH, in 707 m Seehöhe auf einem Hochplateau über dem Murtal gelegen, erstreckt sich bis zum Gipfel des Grazer Hausberges, dem Schöckel (1446 m), und kann im Sommer wie im Winter als reizvoller Erholungsort angesehen werden. Semriach hat daher seine Entwicklung in erster Linie auf die Fremdenverkehrswirtschaft ausgerichtet. Modernst eingerichtete Gaststätten und Pensionen, Privatquartiere, Freibad, Hallenbad, Tennisplätze, Wanderwege und auch kulturelle Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen sorgen für einen angenehmen und abwechslungsreichen Aufenthalt.

Die Orte PEGGAU und SEMRIACH haben also die Lurgrotte als einzigartiges Naturwunder gemeinsam und wollen Sie, verehrte Leser, darüber ausführlich informieren. Die Gemeinden danken auf diesem Wege dem Briefmarkentauschverein Peggau-Deutschfeistritz-Übelbach für den unermüdlichen Einsatz zur Herausgabe der Sondermarke und allen Mitwirkenden für das Zustandekommen dieser Broschüre.


OAR. Werner Rois
Bürgermeister von Peggau
Ing. Jakob Taibinger
Bürgermeister von Semriach



Erreichbarkeit#

Die Erreichbarkeit der Semriacher Lurgrotte hatte sich inzwischen erheblich verbessert. Nachdem 1908 die neue Straße über den Sandberg fertiggestellt worden war, wurde 1925 eine Postautolinie Semriach - Peggau eingerichtet. 1926 wurde die Bahnstation Badl-Semriach eröffnet und 1928 die Kraftwagenlinie Graz-Semriach in Betrieb genommen. Am 23. Mai 1926 (Pfingstsonntag) unternahm die Salzburger Mittelschullehrerin Poldi Fuhrich unter Führung von Hermann Bock eine Höhlenfahrt in die Semriacher Lurgrotte. Sie stiegen durch den Geisterschacht ab und drangen bis zum Kletterabgrund nach dem 1. Syphon vor. Auf dem Rückweg - im Mittelteil des Geisterschachtes - stürzte Poldi Fuhrich vor den Augen ihrer Begleiter in die Tiefe und erlag dort ihren Verletzungen. An diesen Unglücksfall erinnert eine Gedenktafel, die 1935 beim heutigen Treppenabgang in den Geisterschacht angebracht wurde. 1930 wurde die Höhle unter Denkmalschutz gestellt. Im selben Jahr übernahm Peter Schinnerl die Lurgrotte. Im Winter 1934/35 wurden erste Vorbereitungen für eine Durchquerung der Lurgrotte getroffen. Man mußte die seit 1910 verschütteten Syphone freilegen.

Am 13. 2. 1935 wagten sich 15 Männer und 1 Frau an die erste Durchquerung der gesamten Lurgrotte. An dieser nahmen Johann Gangl als Leiter, Hermann Bock, Josef Königshofer, Emmerich Körbisch, Peter Schinnerl, Georg Schinnerl jun., Johann Schinnerl, Leo Pensold sen. und jun., Ludwig Pensold, Dionys Friedl, Leopold Kahr, Josef Sager, Adolf Mayer, Friedrich Kossegg und Berta Gruber teil. Für die Überquerung des Zierhutsees zimmerten eifrige Männer schon vorher aus Brettern ein Boot. Dieses transportierten sie zerlegt in die Höhle. Dort setzten sie es zusammen und vergossen dessen Fugen mit Pech. Zusätzlich bauten sie ein Floß, das aus Autoschläuchen mit einer darauf befestigten Leiter bestand. Nach etwa 17 Stunden kamen die Forscher bei Peggau wieder ans Tageslicht. Weitere Durchquerungen gelangen erst wieder 1942 und ein Jahr später. Ein Versuch, die Höhle erstmals von Peggau nach Semriach zu durchqueren, mißlang am 30. 11. 1946. Hand in Hand mit der Erforschung ging auch der Ausbau der Steig- und Weganlagen sowie der elektrischen Beleuchtung vor sich. Am 19. 8. 1934 war der Ausbau in Peggau bis zum Prinzen, dem Ziel der heutigen einstündigen Führung, beendet.

Der kommerzielle Schauhöhlenbetrieb in Peggau wurde von der Lurgrottengesellschaft aber erst ab 1945 unter Obmann DDDr. Illig selbst geführt. Eine neuerliche Durchquerung von Semriach nach Peggau in der Nacht vom 29./30. Dezember 1946 war Anlaß und Beginn zur Vornahme weiterer Ausbauarbeiten, die am 17. 7. 1948 bis zum Blocksberg, dem Ziel der heutigen zweistündigen Führung, fertiggestellt waren. Als letzter Bauabschnitt wurde der Anschluß an den bereits seit 1895 ausgebauten Semriacher Teil in Angriff genommen. Dabei mußten die größeren Syphone durch Stollen überbrückt werden. Auch der Bau einer Stahlbetonstiege durch den 80 Meter tiefen Geisterschacht war eine besonders schwierige Aufgabe. Obmann Illig hatte den Plan eines großangelegten Rundwanderweges: Von Graz mit dem Zug nach Peggau, Wanderung durch die Lurgrotte nach Semriach, weiter zum Schöckel-Nordlift, mit dem Sessellift bzw. der Gondelbahn über den Schöckel nach St. Radegund und schließlich mit dem Bus wieder nach Graz. Um dem zu erwartenden Besucheransturm besser Rechnung zu tragen, wurde 1952 vor dem Semriacher Eingang das alte Blockhaus mit dem seit 1936 darin bestehenden Höhlenmuseum und Höhlenforscherheim abgetragen und das heutige Lurgrottenhaus errichtet. 1962 waren die Bauarbeiten in der Höhle abgeschlossen. In diesem Jahr schloß die Lurgrottengesellschaft mit der Besitzerin der Semriacher Lurgrotte, Frau Maria Schinnerl, einen Pachtvertrag und übernahm die gesamte Betriebsführung der Schauhöhle. Die Besucher konnten nun über eine fünf Kilometer lange Weganlage die Lurgrotte in drei Stunden durchqueren. Diese außergewöhnlich lange Führung stand aber unter keinem guten Stern. Nach mehreren großen Überflutungen, die immer wieder enorme Schäden und längere Unterbrechungen verursachten, zeichnete sich bereits 1972 ein nahes Ende der Durchquerung ab.

Am 15. Juli 1975 brach eine verheerende Hochwasserkatastrophe über die Lurgrotte herein. Der Rückstau vor dem Semriacher Eingang war 10 m hoch und reichte bis zu den Dachrinnen des Gasthauses. Beim Grottenausgang in Peggau schoß das Wasser beim ursprünglichen Schmelzbachausfluß (heute der Eingang zu den Führungen) fast 2 m hoch heraus und setzte das davor befindliche Gasthaus über 1,5 m unter Wasser. Die Schäden in der Höhle waren so groß, daß sich die Lurgrottengesellschaft außerstande sah, die finanziellen Mittel für den Wiederaufbau der Schauhöhle bereitzustellen. Der Pachtvertrag mit Frau Maria Schinnerl wurde aufgelöst. Ihrem persönlichen Einsatz ist es zu verdanken, daß die Instandsetzungsarbeiten auf der Semriacher Seite sofort wieder aufgenommen werden konnten. Ein Großteil der Weganlagen mußte neu gebaut werden. Bereits am 30. 8. 1975 konnten Besucher, ausgerüstet mit Karbidlampen, wieder an Führungen teilnehmen. Im Frühjahr 1976 erstrahlte die Lurgrotte Semriach wieder im Glanz des elektrischen Lichtes. In den folgenden Jahren wurde die Höhle trotz immer wiederkehrender Hochwässer bis zu 2 km weit ausgebaut, so daß für Interessierte Spezialführungen in die tiefer gelegene Teile möglich sind. Man wollte auch durch kulturelle Veranstaltungen Besucher in die Höhle bringen und inszenierte im Rahmen des Steirischen Herbstes 1985 im Großen Dom eine Jazzoper. Da die Höhle auch Lebensraum für verschiedene Fledermausarten ist, kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Veranstalter und Fledermausschützern. Die Oper wurde schließlich ohne Publikum nur für eine Fernsehaufzeichnung aufgeführt.

Lurgrotte/Steiermark aus der Serie Naturschönheiten in Österreich
Lurgrotte/Steiermark aus der Serie Naturschönheiten in Österreich
© Österreichische Post

Auch in Peggau dachte man an eine Wiedereröffnung der Schauhöhle. Auf Initiative von Bürgermeister Franz Tieber wurde vorerst die Lurgrottengesellschaft neu strukturiert. Er übernahm die Obmannstelle, Geschäftsführer wurde Hermann Pechhacker. Innerhalb kürzester Zeit gelang es durch großen finanziellen und persönlichen Einsatz sowie der Mithilfe vieler Freiwilliger die größten Schäden zu beseitigen. Am 29. 5. 1976 wurde mit einem großen Fest die Wiedereröffnung der Peggauer Lurgrotte gefeiert. In den darauffolgenden Jahren machte man auch die weitere Strecke bis zum Blocksberg begehbar. 1979 konnte ein neues Kassengebäude seiner Bestimmung übergeben werden. Eine Durchquerung der Höhle mit Besuchern ist bis heute (1994) jedoch nicht möglich. 1990 hat die Lurgrotte zwei bedeutende Persönlichkeiten verloren. Am 27. 2. starb der große Gönner der Lurgrotte Peggau, Bürgermeister Franz Tieber. An seine Stelle trat als Obmann Bürgermeister Werner Rois.

In Semriach hatte Maria Schinnerl ein halbes Jahrhundert das Geschehen in der Lurgrotte wesentlich bestimmt. Ab 1940 mußte sie allein den Schauhöhlen- und Gastbetrieb leiten, da ihr Gatte Peter im Krieg fiel. Mit ihrem Tod am 18. 6. 1990 war eine eigene Epoche der Semriacher Lurgrottengeschichte zu Ende gegangen. Seither betreut ihr Sohn Peter Schinnerl mit seiner Familie die Höhle.

In Würdigung dieses einzigartigen Naturwunders sah sich die Österreichische Post veranlaßt, eine Sondermarke „LURGROTTE" der Serie „Naturschönheiten in Österreich" mit dem Ersttag 29. 4. 1994, herauszugeben. Dieser Tag fällt mit dem nachweislichen Beginn der Erforschung der Lurgrotte vor 100 Jahren zusammen. Dieses Jubiläum war Anlaß für zahlreiche Aktivitäten und Veranstaltungen, wie: Sonderpostamt mit Ersttag- und zwei Sonderstempeln, Sonderpostbeförderung durch die Lurgrotte, Briefmarkenausstellungen des örtlichen Briefmarkentauschvereines, Gemäldeausstellung des Höhlenmalers Adolf Mayer sen., Tagungen und Feste. Schon 1989 stand die Lurgrotte mit dem 1. Österreichischen Höhlenpostamt im Mittelpunkt der Philatelisten.

Bleibt zu hoffen, daß die faszinierende Tropfsteinwelt der Lurgrotte noch unzählige Besucher anzieht, um ihnen dieses Naturwunder in der Stille der ewigen Finsternis vor Augen zu führen.

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Erforschung#

Silberbergwerk bei Peggau
Silberbergwerk bei Peggau im Gratzer Kreis.
Lithographie, Josef Kuwasseg, 1841

Bis 1893 waren nur die Vorhöhlen im Eingangsbereich bekannt. Erst von da an war die Lurhöhle in Semriach das Ziel von regelmäßigen Forschertätigkeiten, besonders zweier Gruppen: die Gesellschaft für Höhlenforschung in Steiermark und die Mitglieder des Vereines Die Schöckelfreunde. Alle Versuche, in die Höhle vorzudringen, endeten vorerst an einer Engstelle nach der Eingangshalle. Am 1. April 1894 gelang es einer Gruppe der Gesellschaft für Höhlenforschung unter der Leitung von Max Brunello, eine Verbindung (Schlurf) zu den weiteren Höhlenteilen zu finden. Diese Höhlenräume wurden nach ihren Entdeckern Oswaldhöhle u. Fölzmannhöhle benannt und heißen heute Halle der Eingeschlossenen.

Am 15. April 1894 fand Max Brunello eine weitere Verbindung durch den Toten Gang in den heutigen Tropfsteingang und weiter bis in den Großen Dom. Durch die Berichte in den Tageszeitungen vom 17. April wurden auch die Schöckelfreunde auf die Forschungserfolge aufmerksam. Ein Wettlauf war entstanden. Besonders der Gedanke, daß das Lurloch einen Ausgang in Peggau haben könnte, regte den Ehrgeiz der Forscher unheimlich an. In den folgenden Tagen suchten die Schöckelfreunde erfolglos den Zugang zu den neu entdeckten Höhlenräumen. Am 27. April fanden auch sie ihn und stiegen gemeinsam mit 7 Semriachern in die Höhle ein. Unter ihnen war auch Pfarrer Gasparitz, der aber vor dem engen Schlurf wegen seiner Körperfülle zurückbleiben mußte. Die Grazer Höhlenforscher erfuhren von diesen Aktivitäten. Um der Aufmerksamkeit der Rivalen zu entgehen, stiegen in der Nacht vom 28. zum 29. 4. 1894 sieben Höhlenforscher trotz fraglicher Wetterlage und ohne einen Wachposten zurückzulassen, in das Lurloch ein. Die Gruppe leitete Josef Fasching, weitere Teilnehmer waren: Anton Fölzmann, Karl Kurz, Franz Maier, Karl Oswald, Karl Zweyer und der 15-jährige Realschüler Rudolf Haidt. Sie kamen zügig voran und erreichten sogar den gähnenden Abgrund des Geisterschachtes. Da ein weiteres Vordringen nicht möglich war, machten sie sich auf den Rückweg. Dabei entdecken sie noch das Tropfsteinparadies im Großen Dom. Sie hatten keine Ahnung, daß inzwischen heftiger Regen eingesetzt hatte, und der Wasserstand des Lurbaches bedrohlich angestiegen war. Als sie um 13.30 Uhr zur Engstelle des Schlurfes kamen, war dieser durch Hochwasser nicht mehr passierbar. Josef Fasching erzählte später: „Wir wollten uns zuerst ins Wasser stürzen, um eventuell hinausschwimmen zu können. Vergebens! Die Flut stieg rasch höher und höher und wir mußten uns auf einen hochgelegenen Lehmhügel zurückziehen. Nach mehreren Stunden wollten wir wieder hinaus, umsonst, wir waren abgeschnitten. Große Niedergeschlagenheit bemächtigte sich unser. Wir machten uns ein Lager zurecht und hörten genau, wie draußen ein furchtbares Gewitter niederging. Ich sah auf meine Uhr, es war zehn Uhr nachts geworden; nun löschten wir die Kerze aus und versuchten zu schlafen ..."

Als die Höhlenforscher nicht wie geplant am Sonntag abend in Graz eintrafen, erfuhren die Schöckelfreunde erst von deren Unternehmen. Am Montag, dem 30. April, um 3 Uhr früh, traf ein Bote mit einem Telegramm beim damaligen Pfarrer Dr. Ambros Gasparitz ein: „Bitte sofort der im Lurloch gefährdeten Höhlenforschungsgesellschaft Hilfe zu leisten durch Tieferlegung des Baches. Die Schöckelfreunde Fröhlich Pfarrer Gasparitz verständigte sofort den Bürgermeister und die Freiwillige Feuerwehr. Da wegen der anhaltenden Regenfälle alle Rettungsversuche erfolglos waren, kamen immer mehr Helfer nach Semriach. Unter ihnen waren k. u. k. Soldaten, Bergleute, Arbeiter aus Betrieben der gesamten Umgebung und viele private Hilfskräfte. Immer wieder machte wolkenbruchartiger Regen jegliche Hoffnung zunichte. Nun versuchte man, den Eingeschlossenen auf dem Wasserwege Nahrung zukommen zu lassen. Zu diesem Zweck befestigte man eine Kiste an einer Leine und ließ sie hineintreiben. Nachdem am Dienstag, dem 1. Mai, ein erster Versuch erfolglos war, erreichte am darauffolgenden Tag doch eine Kiste mit Lebensmitteln die Forscher. In einer Botschaft für die Retter draußen bat Fasching um weiteren Proviant sowie Kerzen und gab Anweisungen für eine mögliche Rettung. Diese Mitteilung steckte er in eine Metallkapsel, die eigentlich für die Entdeckungsurkunde bestimmt war, band die Kapsel an die Leine, in der Hoffnung, sie würde die Helfer erreichen. Inzwischen hatte man einen Rettungsplan entworfen: Vor der Höhle begann man, flußaufwärts drei Staudämme aufzuschütten. In der Höhle versuchten Deutschfeistritzer Bergknappen, erste Sprengungen vorzunehmen, aber noch immer behinderte hoher Wasserstand die Arbeiten. Am Donnerstag, dem 3. Mai, war sogar ein Taucher aus Triest gekommen, doch sein Einsatz war vorerst erfolglos. Nach Fertigstellung der Staudämme nahm man am 5. Mai die Sprengung eines Verbindungsstollens in Angriff. Am Montag, dem 7. Mai, beseitigte der eingesetzte Taucher zusammen mit einigen Helfern einen noch festgeklemmten Baumstamm und sah plötzlich einen Lichtschimmer. Im nächsten Augenblick hörte man aus dem Inneren die Laute: „Hoi, hoi!" Auf die Frage: „Wie geht es?" lautete die Antwort: „Ganz gut!" Um 16.35 Uhr wurden die 7 Eingeschlossenen nach neuntägiger Gefangenschaft im Beisein einer großen Menschenmenge lebend aus der Höhle geborgen. Eine Marmortafel über dem Höhleneingang erinnert noch heute an jenes Ereignis.

Bergung der Eingeschlossenen
Bergung der Eingeschlossenen am 7. Mai 1894
Origiitalzeichnung aus einer Tageszeitung

Im August 1894 erschien eine Gedenkmünze zur Erinnerung an die geglückte Rettung. Nach der aufwendigen Rettungsaktion wurde das Lurloch auf Weisung der Bezirkshauptmannschaft durch eine Eisentür verschlossen, um ein neuerliches Unglück zu verhindern. So war mit einem Schlag die Forschungstätigkeit der Gesellschaft für Höhlenforschungen in der Lurgrotte beendet. Von nun an erhielten die Schöckelfreunde das Forschungsrecht in der Grotte. Obwohl es damals noch recht schwierig war, ohne eigenes Verkehrsmittel nach Semriach zu gelangen, waren während der Rettungsaktion bis zu 7000 Schaulustige anwesend. Ein Grazer Dampfwürstler machte das Geschäft seines Lebens. Wer zum Lurloch wollte, mußte entweder mit dem Zug nach Peggau fahren und dann TA bis 2 Stunden zu Fuß über den Berg gehen oder überhaupt von Graz über die Leber nach Semriach wandern. Bereits damals dachten einige interessierte Semriacher an einen Ausbau der Lurgrotte als Schauhöhle. Allerdings fehlten dafür das nötige Geld und eine annehmbare Straße nach Semriach. Eine Semriacher Delegation sprach beim damaligen Landeshauptmann Edmund Graf Attems vor und bat um Unterstützung. Im Mai 1894 statteten beauftragte Wissenschaftler der Lurgrotte einen Besuch ab. Wichtigstes Ergebnis war, daß das Lurloch als Sehenswürdigkeit ersten Ranges bezeichnet wurde. Erstes Ziel war es nun, einen erweiterten Eingang zu schaffen, der es ermöglichen sollte, die Höhle bei jedem Wasserstand besuchen zu können.

Jetzt begannen die planmäßige Erforschung und der Ausbau der Steiganlagen. Es wurden genaue Pläne erstellt, der geologische Aufbau und die Wasserläufe studiert, Tropfsteine fotografiert und Ausgrabungen für das Joanneum gemacht. Dabei wurden in der Bärengrotte Höhlenbärenknochen und Skeletteile anderer Tiere gefunden. Bis Juli 1894 wurde der Rettungsstollen durch Sprengungen vergrößert und eine kleine Grottenbahn in die vordersten Höhlenräume gelegt. Der Verbindungsgang zwischen Schwinde und Tropfsteingang wurde begehbar gemacht. Dieser Abschnitt wird heute noch Toter Gang genannt, da er in Trockenzeiten kein Wasser führt. Der Weg der Forscher führte weiter über den Tropfsteingang zur Bärengrotte und von dort über die Brüdergrotte zu den tieferen Teilen des Großen Domes.

Ausbau mit Grottenbahn um 1900.
Ausbau mit Grottenbahn um 1900.

Im Juli 1894 entdeckte Prof. Walcher die Belvederegrotte und den Riesen. Von der Großen Glocke gab es bereits damals den Abstieg in den Tartarus (heute Zaubergrotte). Mutige Forscher wagten sich bereits in die 80 m tiefe Kaskadenklamm, dem heutigen Geisterschacht hinab. Man beabsichtigte, die Lurgrotte ab Herbst 1894 für Besucher zu öffnen. Für die Beleuchtung plante man ein kleines Kraftwerk am Lurbach oder ein Kabel über die Peggauer Wand und die Tanneben zur Lurgrotte. Beides wurde nie verwirklicht. Für den Ausbau und Betrieb gründete man den Lurgrottenfonds. Dieser leitete von 1894 bis 1900 die Geschicke der Höhle. Am 1. Oktober 1894 brach ein großes Hochwasser herein. Die mühevoll errichteten Steiganlagen wurden wieder zerstört und an eine Eröffnung war nicht zu denken. Im Winter 1894/95 wurden die Ausbauarbeiten wieder aufgenommen. Am 14. August 1895 war die Lurgrotte erstmals für den öffentlichen Besuch zugänglich. Führungen gab es bereits täglich. Die Besichtigung bis zur Lurbachschwinde kostete eine Krone, für die Führung in die weiteren Höhlenräume mußten drei Kronen bezahlt werden. Zum Vergleich kostete damals eine Übernachtung in Frohnleiten ein bis zweieinhalb Kronen. Großartige Raumwirkung erzielte man durch das „Bengalische Licht". Dabei verwendete man Magnesiumlicht mit Spiegelreflektoren. 1896 gab es bereits eine Petroleumbeleuchtung. Wer mit dieser die Höhle erleben wollte, mußte 10 Karten lösen (30 Kronen) und zweieinhalb Stunden warten, bis die Petroleumlichter angezündet waren. 1896 erbaute Martin Schinnerl auf seinem Grundstück ein neues Blockhaus, das als Gaststätte diente. Er führte von 1900 bis zu seinem Tod 1919 selbst die Schauhöhle. Dann übernahmen Georg und Agnes Schinnerl, die seit 1902 Alleineigentümer des Lurgrotteneinganges waren, den Betrieb. Im Winter 1900/01 errichtete man neue Steiganlagen von der Bärengrotte ausgehend für einen Rundgang durch den Großen Dom. Die nächste Errungenschaft war die Installation einer Azetylengasanlage im Jahre 1901. Vor dem Eingang gewann man in einer Hütte Azetylengas aus Karbid, von dort führten Rohrleitungen in die Höhle. Bei einer Führung mußte ein Mann vorausgehen und die Brenner entzünden, ein zweiter begleitete die Gruppe und ein dritter drehte dahinter die Hähne wieder zu, um genügend Gas für die kommende Strecke zu haben.

Mit dem Boot über die Teufelslacke.
Mit dem Boot über die Teufelslacke.

Mittlerweile waren die Erkundungen Richtung Peggau erheblich vorangekommen. Bereits 1895 erreichte eine Forschergruppe den Goldhann-Dom mit der mächtigen Bismarksäule (ca. 1400 m). Für den leichteren Abstieg in den 80 m tiefen Geisterschacht wurden bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts Holztreppen auf Eisentraversen eingebaut. 1905 erreichten Hermann Bock und Adolf Mayer vom Steirischen Höhlenklub bereits die Teufelslacke (ca. 2000 m). 1906 drangen Adolf Mayer, Urbanek und Leo Pensold sen. bis zum Blocksberg (3050 m) vor und erreichten damit erstmals den Ursprung des Schmelzbaches auf der Peggauer Seite. Ab der Teufelslacke mußten die Forscher an mehreren Stellen entweder im eiskalten Wasser schwimmen oder Boote verwenden, um kleine unterirdische Seen zu überwinden. Diese Boote wurden im Herbst zerlegt in die Höhle transportiert und an Ort und Stelle zusammengebaut.

Die Überquerung der Teufelslacke war besonders tückisch. Sogar in trockenen Zeiten reichte die Wasseroberfläche fast bis zur Decke. Deshalb mußten sich die Forscher mit dem Rücken ins Boot legen und sich mit den Händen gegen die Decke stemmen. Dadurch wurde das Boot so tief in das Wasser gedrückt, daß sie durchfahren konnten. Im Winter 1906/07 nahm der neu gegründete Verein für Höhlenkunde seine Arbeit auf. Obwohl 1907 ein größeres Hochwasser manche Anlagen in der Semriacher Lurgrotte zerstört hatte, erreichten am 6. 1. 1908 Bock, Mayer und Pensold nach etwa 4,5 km in der heutigen Siegeshalle das vorläufige Ende der Höhle. Nachdem die letzte Strecke bereits auf einem Wasserrückstau zurückgelegt worden war, versperrte nun eine Felswand den weiteren Weg. Die Forscher hatten das berechtigte Gefühl, nicht mehr weit vom Peggauer Eingang entfernt zu sein. Auf ihrem Rückweg erforschten sie noch einen höher gelegenen Parallelgang und entdeckten dabei die Parzifalgrotte mit den Drei Zinnen. Bald danach erreichten sie einen gähnenden Abgrund mit dem See in der Tiefe, den sie kurz vorher mit dem Boot überquert hatten.

Eine Hochwasserkatastrophe im Mai 1910 brachte einen ungeheuren Rückschlag. Steiganlagen, Gasrohre, Geleise der Grottenbahn und die Treppen im Geisterschacht wurden zerstört. Da sich vor dem Semriacher Eingang ein 7 m hoher Stausee bildete, entstand auch in der Gastwirtschaft großer Schaden. Nun mußte Martin Schinnerl wieder von neuem beginnen. Nachdem Weganlagen und Gasbeleuchtung instandgesetzt waren, wurde die Lurgrotte am 1. August 1910 wiedereröffnet. Die weiter entfernten Räume Richtung Peggau konnten aber in den nächsten 15 Jahren nicht erreicht werden.

Vor dem Peggauer Höhleneingang um 1920
Vor dem Peggauer Höhleneingang um 1920

1906 begann die Erforschung und Aufschließung von der Peggauer Seite her, mit dem großen Ziel, die Verbindung mit den bereits erforschten Höhlenteilen zu schaffen. Ein wassergefüllter Syphon machte dies unmöglich, daher entschlossen sich Adolf und Hermann Mayer, Karl Kriso und andere Freiwillige, einen Umgehungsstollen zu schlagen. Mit den Arbeiten wurde am 5. 11. 1906 begonnen, aber erst ein Jahr später gelang der Durchschlag des 31 m langen Stollens, durch den man auf die Fortsetzung des Schmelzbaches gestoßen war. Von Höhlenbooten aus setzte man die weiteren beschwerlichen Sprengarbeiten fort und mußte schließlich wegen unüberwindbarer Schwierigkeiten dieses Vorhaben aufgeben. Beim Hochwasser von 1910 wurden elektrische Beleuchtungsanlagen und die beiden Boote zerstört. Die Sägemühle wurde verwüstet. Dies mag vielleicht der Anlaß gewesen sein, eine Institution zu gründen, die in der Lage sein sollte, den wirtschaftlichen Grundstock zu einer intensiven Nutzung dieses Naturwunders Lurhöhle zu bilden. 1911 ging man daran, alle an der Erschließung und dem Schauhöhlenbetrieb Interessierte und Beteiligte in einer Gesellschaft zu vereinen. Die Gründungsversammlung der Lurgrotten- Gesellschaft wurde jedoch erst am 8. 12. 1912 im Gasthof Hochhuber in Peggau abgehalten. Grundlage der Satzungen war das Kaiserliche Patent vom 26. November 1852. Die Mitglieder erhielten Anteilscheine, die den Grundeigentümern und öffentlichen Institutionen zuerkannt wurden oder auch durch die Entrichtung eines Betrages von 100 Kronen je Anteilschein erworben werden konnten. Nun wurde die Idee der Errichtung eines 6,6 m unter dem Schmelzbachausfluß liegenden Entwässerungsstollens geboren und auch umgesetzt. Nach Abtragung der Stauanlagen, die dem Betrieb der Turbine der Säge Dirnbacher dienten, wurde am 13. 6. 1913 mit dem Bau des 86 m langen Entwässerungsstollens begonnen.

Der Durchschlag gelang am 1. April 1914, das Wasser floß ab, und die dahinter liegenden Höhlenteile konnten erstmals begangen werden. Um aber die Verbindung mit dem von Semriach aus bereits erforschten Grottenteil herzustellen, waren noch viele Schwierigkeiten zu überwinden. Es mußten weitere Stollen angelegt, Syphone unter- oder umfahren, und enorme Gesteins- und Geröllmassen aus den Höhlenteilen entfernt werden. Immer wieder auftretende Hochwässer erschwerten und verzögerten die Arbeiten. 1916 übernahm Thomas Vollenhals die gesamte Liegenschaft Dirnbacher und den bereits existierenden, provisorischen Schauhöhlenbetrieb vom Steirischen Höhlenklub. Er ließ großzügige Steig- und Beleuchtungsanlagen und auch die schmucke, im steirischen Stil erbaute Lurgrotten-Gastwirtschaft vor dem Höhleneingang errichten. Obwohl die Führungen sehr kurz waren, wurden damals jährlich ca. 40.000 Besucher gezählt. Durch die Nichterlangung der von Ing. Hermann Bock angefertigten genauen Höhlenvermessungspläne und die kostspielige Errichtung von weiteren Stollenbauten durch Adolf und Hermann Mayer verlor Vollenhals sein gesamtes Vermögen und floh ins Ausland. Die Ausbauarbeiten gingen jedoch weiter, und mit der letzten Sprengung am 26. 11. 1924 war die langersehnte Verbindung in die Siegeshalle hergestellt. Nun erst konnte man an eine mögliche Durchquerung der Höhle denken.

Vor dem Semriacher Eingang um 1925.
Vor dem Semriacher Eingang um 1925.

Zwischenzeitlich, als die Schwierigkeiten, den Lauf des Schmelzbaches zu verfolgen, unüberwindlich schienen, versuchte man sogar, von einer Doline am Tannebenplateau aus, darunterliegende, noch unbekannte Höhlenteile zu erreichen, allerdings erfolglos. Die Lurgrottengesellschaft erwarb von den Grundeigentümern über der Lurgrotte das im Grundbuch eingetragene Recht, die darunter liegenden Höhlenräume zu erforschen, zu begehen und für Besucher zugänglich zu machen. Die wirtschaftlich schweren Jahre um 1930 brachten die Gesellschaft in schwere finanzielle Nöte, und die Wirrnisse der politischen Landschaft gingen auch an der Lurgrotte nicht spurlos vorüber. Die Verwaltung erfolgte durch einen Gaubeauftragten für Karst- und Höhlenforschung. In den Kriegsjahren dienten die Höhlenräume als Luftschutzbunker für die Bevölkerung und Lagerraum für elektrisches Material der Steyr-Daimler-Puch-Werke.

Nun aber zurück nach Semriach. Im März 1925 wurde mit der Installation einer elektrischen Beleuchtung begonnen. Das war eine Gleichstromanlage mit Benzinmotor und einer Batterieanlage am Hof von Georg Schinnerl. Über eine Freileitung wurde der Strom in die Lurgrotte geführt. Als diese Anlage nicht mehr funktionstüchtig war, erfolgte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg die Stromzuleitung von Semriach aus.

Quellennachweis#

  • DR. AMBROS GASPARITZ: „Deutsch Feistritz und Peggau", 1890; „Semriach mit Schockel und Lurloch", Graz 1894.
  • KARL ZWEYER: „Im Lurloche neun Tage lebendig begraben", Graz 1894.
  • HANS FOLNESICS: „Eine Höhlenfahrt in das Lurloch bei Semriach", Mitteilungen für Höhlenkunde, 1. Jahrgang, 1. Heft, 1908; „Die sieben Höhlenforscher im Lurloch und ihre Errettung aus Todesgefahr", Semriach 1921.
  • DR. RUDOLF SAAR: „Die Lurhöhle", Wien 1922.
  • HERMANN BOCK: Sonderdruck aus Mitteilungen über Höhlen- und Karstforschungen, Jahrgang 1926, H. 3, Berlin 1926; Sonderdruck aus Mitteilungen über Höhlen- und Karstforschungen, Jahrgang 1928, H. 3, Berlin 1928; Broschüre der Lurgrotten-Gesellschaft, 1935; „Die Höhle", Dez. 1972, 23. Jahrgang, Heft 4.
  • MAG. P. CLEMENS JOH. BRANDTNER: „Die Lurgrotte Semriach", 1986.
  • GÄSTEBUCH DER LURGROTTE SEMRIACH, 1936-1941.
Herausgegeben 1994

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