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Die Schicksalsinsel der Ida Pfeiffer#

Auf Madagaskar infizierte sich die Weltreisende mit einem Tropenkeim.#


Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus: DIE FURCHE (Freitag, 5. Oktober 2012).

Von

Alfred Schiemer


Ida Pfeiffer
Obere Leiste: Nicht zuletzt F. Grillparzer (l.) und A. v. Humboldt (r.) schätzten Ida Pfeiffer (Mitte: Porträtfoto und Darstellung als Tagebuchschreiberin auf Reisen). – Darunter: Marktszene auf Alt-Madagaskar, daneben Bewohnerin und Bewohner des Hochlandes.
Repros/Spezialgestaltung: Moritz Ziegler

Wird diese Qual nie enden? Ein halbes Dutzend Europäer, unter ihnen eine beinahe 60-jährige Wienerin, schleppt sich mühsam über Sumpfboden und kommt kaum von der Stelle. Seit Wochen eskortieren Soldaten die Gruppe kreuz und quer durch die früher nach dem Mond benannte Insel, für die sich inzwischen der Name Madagaskar eingebürgert hat. Ziel des seltsamen Zuges ist eigentlich die Küste, an der Schiffe ankern.

Die vom Militär befohlene Zickzack-Wanderung führt freilich nicht direkt zum Meer. Böse Absicht? Sicherheitskalkül? Wir schreiben 1857, den Madagassen droht Bürgerkrieg...

Erst nach insgesamt fast acht Wochen erreichen die Weißen einen Hafen und können in See stechen.

Die Österreicherin unter ihnen, die Weltreisende Ida Pfeiffer, segelt nach Mauritius. Die an Strapazen gewöhnte Frau, die neben anderen Touren bereits zwei Fahrten um die Erde (1846- 1848 und 1851-1855) hinter sich hat, braucht meist nicht viel Erholung. Nun aber zwingt eine Krankheit die Unbeugsame nieder. Ein Tropenfieber (oft ist von Malaria die Rede), das in Schüben auftritt, macht ihr schwer zu schaffen. Doch eine Pfeiffer lässt sich nicht so leicht unterkriegen. Sie beißt die Zähne zusammen, um schon kurze Zeit später neue Pläne zu wälzen: Sie will Australien erkunden!

Von all diesen Dingen wusste man allerdings vor 155 Jahren in Mitteleuropa herzlich wenig.

Frankreich, dessen Regierung ein (Kolonial-)Auge auf Madagaskar geworfen hatte, besaß hingegen etwas schnellere Nachrichtenwege in die Region. So gelangten im Oktober 1857 über Paris Meldungen an die Öffentlichkeit, wonach die madagassische Königin Ranavalona I. (sprich: Ranaval) alle Europäer einschließlich der österreichischen Untertanin Pfeiffer ausgewiesen habe.

Ida Pfeiffer
Forscher aus Paris im 19. Jh. auf Madagaskar. Eingeschnitten: Importierter Insel-„Kaiser“ Benjowski (ob.) im 18. Jh.; Königin Ranavalona I. (u.) drohte 1857 der Sturz.
Repros/Spezialgestaltung: Moritz Ziegler

Die Presse des Habsburgerreiches druckte die Information ab, bezweifelte aber umgehend deren Wahrheitsgehalt; man wusste ja, dass sich Ida Pfeiffer nie in politische Intrigen einließ. Die "Wiener Zeitung" stieß unter Berufung auf die mit ihr z.T. kooperierende "Triester Zeitung" noch nach, indem sie ein mit 23. Juni datiertes Pfeiffer-Schreiben aus Madagaskar (Post zwischen Süd- und Nordhalbkugel benötigte Monate!) zitierte.

Demnach, so die "WZ" am 30. Oktober 1857, war die berühmte Reisende auf der Insel sehr zufrieden und sah sich wohl aufgenommen. Am Tag vor dem Verfassen ihres Briefes hatte man sie zum königlichen Hofe berufen (...), um Klavier zu spielen. Sie erntete dabei so viel Beifall, daß ihr die Königin eine Menge Geflügel (...) als Zeichen ihres Wohlgefallens sandte.

Alles stimmte, doch lediglich für den 22./23. Juni. Danach wendete sich für Frau Pfeiffer das Blatt. Davon wusste man an der Donau im Oktober noch nichts bzw. wollte man von Hinweisen aus Paris nichts wissen. Erst später musste man in Wien einräumen, die Berichte von der Seine seien keine haltlosen Gerüchte gewesen.

Ida Pfeiffer
Erfuhr Ida Pfeiffer auf Borneo oder in Batavia/Java (ob.) von Landesidiomen? Repros/Spezialgestaltung: Moritz Ziegler

Konkret fiel die weltreisende Wienerin wegen ihres Kontakts zum französischen Inselbesucher Joseph Lambert, der sich als Spion entpuppte, bei Madagaskars Regentin in Ungnade. Denn Frankreich, das die Unterjochung der Madagassen erstmals 1642 angestrebt hatte, schien 1857 endlich diesem Ziel nahe zu sein - der Pariser Geheimdienst hatte mit schönen Verheißungen Königin Ranavalonas Sohn Rakoto für ein Komplott gegen die Mutter gewonnen.

Die hart regierende Monarchin bekam Wind vom Putschplan und griff durch. Ida Pfeiffer drohte die Exekution. Später erhielt sie Landesverweis, verbunden mit der wochenlangen Eskortierung zur Küste. Hätten die Ausgewiesenen die Strecke wählen dürfen, hätten sie fieberverseuchtes Gebiet gemieden und zudem in acht Tagen das Meer erreicht. Der Marsch sollte für die durch ihre Reisebücher international bekannte Österreicherin schicksalhaft werden: Das Fieber, das sie sich auf dem Weg zur See geholt haben dürfte, wich auf Mauritius nur scheinbar. Es kehrte in arger Form im Februar 1858 wieder; die Kranke ließ ihr Ziel Australien fallen und reiste heim.

In Europa sprach ihr Alexander v. Humboldt, der sie (wie auch Franz Grillparzer) verehrte, Trost zu. An Warnungen vor Madagaskar, die sie ignorierte, mag er insgeheim gedacht haben. (N.B. Auf die Insel war sie vielleicht seit ihrer Weltreise 1851ff unbändig neugierig: Auf dem Malaiischen Archipel könnte sie von faszinierenden Ähnlichkeiten einer Sprache auf Borneo mit Madagassisch erfahren haben.)

Ida Pfeiffer starb am 27. Oktober 1858 in Wien.

DIE FURCHE, Freitag, 5. Oktober 2012


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