Im digitalen Nirwana#
Nach dem Besuch einer Website bin ich etwas ratlos#
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Heute ist mir etwas ganz Sonderbares passiert. Wieder einmal wollte ich meine Seite im Autorenlexikon des Literaturports, vulgo www.literaturport.de, besuchen. Bei dieser Gelegenheit informiere ich mich immer über Neuigkeiten von Kolleginnen und Kollegen, das heißt, Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Dazu muss ich vorausschicken, dass die Seite von den Autoren selbst eingerichtet - und nur von diesen! – upgedatet wird - und werden darf. Und: Welch Wunder! Unter der Rubrik "Zuletzt aktualisiert" sehe ich die große österreichische Schriftstellerin Elfriede Gerstl, die in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof ruht. Jetzt werde ich stutzig und öffne deren Eintrag. Ja, aber! Aber vor den weiteren abenteuerlichen Ausführungen ein Wort zum Autorenlexikon.
Das sogenannte Online-Portal Literaturport, ein Literaturhafen im Internet, ist eine im Jahr 2006 als Gemeinschaftsprojekt des Brandenburgischen Literaturbüros und des Literarischen Colloquiums Berlin, das mich zur Präsentation meiner literarischen Arbeit eingeladen hat, entwickelte Informationsplattform für deutschsprachige Literatur. Es bietet ein Gegenwarts-Autorenlexikon, einen Kalender für Literaturpreisbewerbungen und eine Veranstaltungsinformation. Einfach gesagt, für uns Dichtersmenschen eine feine Sache...
Eintausendsiebenhundert Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus Deutschland, Österreich und der Schweiz können sich nach ihrer Lust und Laune potentiellen Leserinnen und Lesern vorstellen. Das Besondere: Jeder Eintrag ist autorisiert. Und dann das. Bei Elfriede Gerstl steht schwarz-auf-digital "gestorben am: 9.4.2009 gestorben in: Wien". Bitte, überzeugen Sie sich selbst unter der Adresse https://www.literaturport.de/Elfriede.Gerstl ! Ich bin jetzt aufgeregt und suche weiter. Am Ende der Seite finde ich den „zweifelsfreien“ Vermerk "Zuletzt durch Elfriede Gerstl aktualisiert: 08.06.2021". Im ersten Moment bin ich baff, dann fasse ich mich und schreibe dem Betreiber der Homepage eine Mail. Ich frage, ob es zwischen der Berliner Homepage und dem Himmel, in dem ich Elfriede Gerstl natürlich vermute, irgendeine mir und der übrigen Welt noch unbekannte Verbindung besteht.
Die Berliner, ich hätte es nicht anders erwartet, antworten stehenden Fußes. In der Stunde. Aber irgendwie unergiebig beziehungsweise unbefriedigend.
Am Anfang heißt es „Lieber Herr Ferk“ mit einem Beistrich und dann „haha“ mit Rufzeichen. Meine digitale Korrespondenzpartnerin ist eine Frau, deren Namen ich hier aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht verraten darf, aber doch sagen kann, dass mich ihr Familiennamen an mein Sternzeichen erinnert.
Diese Frau meines Sternzeichens schreibt wortwörtlich: „Mir war gestern aufgefallen, dass bei Frau Gerstl und Herrn Chotjewitz zwar ihr Tod in der Vita vermerkt worden war, sie sich aber noch immer einloggen.“ (!) Am Ende der Note hat mir meine Korrespondenzpartnerin „Herzliche Grüße“ geschickt, die mich aus Berlin, meiner Lieblingsstadt, was ich unumwunden zugebe, immer freuen.
Jetzt weiß ich auch, warum mir mein Freund, Germanistikprofessor, Verleger und Weinbauer Hans Kitzmüller bei meinem kürzlichen Aufenthalt im friulanischen Brazzano bei Cormons Folgendes, und zwar ohne ersichtlichen Grund, gesagt hat: „Alle Menschen müssen sterben. Nur die großen Künstler und Dichter bleiben unsterblich.“ (Gemeint haben dürfte er seinen noblen Freund Peter Handke, den er selber in das Italienische und Friulanische übersetzt hat.)
Wie auch immer, Elfriede Gerstl sowie Peter O. Chotjewitz mögen leben, und sei es im digitalen Nirwana. Mich hinterlassen sie derzeit jedenfalls ein bisschen ratlos. (Ein Zustand, den ich schon von „Berufs wegen“ eigentlich nicht kenne.)