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Der Prozeß
Seite - 57 -
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Fräulein Bürstners Zimmer. Aber er war nicht dorthin eingeladen, sondern in das Eßzimmer, dessen Tür er aufriß, ohne zu klopfen. Es war ein sehr langes, aber schmales, einfenstriges Zimmer. Es war dort nur so viel Platz vorhanden, daß man in den Ecken an der Türseite zwei Schränke schief hatte aufstellen können, während der übrige Raum vollständig von dem langen Speisetisch eingenommen war, der in der Nähe der Tür begann und bis knapp zum großen Fenster reichte, welches dadurch fast unzugänglich geworden war. Der Tisch war bereits gedeckt, und zwar für viele Personen, da am Sonntag fast alle Mieter hier zu Mittag aßen. Als K. eintrat, kam Fräulein Montag vom Fenster her an der einen Seite des Tisches entlang K. entgegen. Sie grüßten einander stumm. Dann sagte Fräulein Montag, wie immer den Kopf ungewöhnlich aufgerichtet: »Ich weiß nicht, ob Sie mich kennen.« K. sah sie mit zusammengezogenen Augen an. »Gewiß«, sagte er, »Sie wohnen doch schon längere Zeit bei Frau Grubach.« »Sie kümmern sich aber, wie ich glaube, nicht viel um die Pension«, sagte Fräulein Montag. »Nein«, sagte K. »Wollen Sie sich nicht setzen?« sagte Fräulein Montag. Sie zogen beide schweigend zwei Sessel am äußersten Ende des Tisches hervor und setzten sich einander gegenüber. Aber Fräulein Montag stand gleich wieder auf, denn sie hatte ihr Handtäschchen auf dem Fensterbrett liegengelassen und ging es holen; sie schleifte durch das ganze Zimmer. Als sie, das Handtäschchen leicht schwenkend, wieder zurückkam, sagte sie: »Ich möchte nur im Auftrag meiner Freundin ein paar Worte mit Ihnen sprechen. Sie wollte selbst kommen, aber sie fühlt sich heute ein wenig unwohl. Sie möchten sie entschuldigen und mich statt ihrer anhören. Sie hätte ihnen auch nichts anderes sagen können, als ich Ihnen sagen werde. Im Gegenteil, ich glaube, ich kann Ihnen sogar mehr sagen, da ich doch verhältnismäßig unbeteiligt bin. Glauben Sie nicht auch?« »Was wäre denn zu sagen?« antwortete K., der dessen müde war, die Augen des Fräulein Montag fortwährend auf seine Lippe gerichtet zu sehen. Sie maßte sich dadurch eine Herrschaft schon darüber an, was er erst sagen wollte. »Fräulein Bürstner will mir offenbar die persönliche Aussprache, um die ich sie gebeten habe, nicht bewilligen.« »Das ist es«, sagte Fräulein Montag, »oder vielmehr, so ist es gar nicht, Sie drücken es sonderbar scharf aus. Im allgemeinen werden doch Aussprachen weder bewilligt, noch geschieht das Gegenteil. Aber es kann geschehen, daß man Aussprachen für unnötig hält, und so ist es eben hier. Jetzt, nach Ihrer Bemerkung, kann ich ja offen reden. Sie haben meine Freundin schriftlich oder mündlich um eine Unterredung gebeten. Nun weiß aber meine Freundin, so muß ich wenigstens annehmen, was diese Unterredung betreffen soll, und ist deshalb aus Gründen, die ich nicht kenne, überzeugt, daß es niemandem Nutzen bringen 57
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Der Prozeß
Titel
Der Prozeß
Autor
Franz Kafka
Datum
1926
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
158
Schlagwörter
Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
  2. Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
  3. Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
  4. Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
  5. Kapitel 5: Der Prügler 60
  6. Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
  7. Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
  8. Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
  9. Kapitel 9: Im Dom 138
  10. Kapitel 10: Ende 155
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