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Dogmatische Betrachtung des Computerstrafrechts im engen Sinn
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
gung ( §§ 15, 126 a Abs 1 ) als auch eine vollendete qualifizierte Störung
der Funktionsfähigkeit eines Computersystems ( § 126 b Abs 1, Abs 2
erster Fall ) verwirklicht. Man stößt hier zudem auf einen auffälligen
Aspekt der Figur des » qualifizierten Versuchs « 1560. § 126 b Abs 2 erster
Fall würde – bei Ausdehnung der Subsidiaritätsklausel des § 126 b Abs 1
auch auf Abs 2 – kraft gesetzlicher Anordnung hinter den » einfachen
Versuch « der Datenbeschädigung zurücktreten. Tritt nun aber der Tä-
ter vom Versuch der Datenbeschädigung zB aufgrund des materiell-
rechtlichen Grunds der » Tätigen Reue « ( § 167 ) oder ggf des » Rücktritts
vom Versuch « ( § 16 ) strafbefreiend zurück, entfällt die Sperrwirkung
der Subsidiaritätsklausel und der strengere ( gleichzeitig verwirklichte
aber bislang verdrängte ) Qualifikationstatbestand des § 126 b Abs 2 ers-
ter Fall lebt auf.1561
Dies hat den kriminalpolitisch bizarren Effekt, dass der » verdienst-
lich « handelnde und sich quasi » selbstresozialisierende « Täter, der
vom Versuch zurĂĽcktritt, strenger bestraft wird als derjenige, der an
seinem Vorhaben festhält.
Unter RĂĽckgriff auf den interpretativen Methodenkanon soll nun-
mehr die Reichweite der Subsidiaritätsklausel des § 126 b Abs 1 verdeut-
licht werden.
Streng nach dem Wortlaut interpretiert, bezieht sich die Subsidiari-
tätsklausel ausdrücklich auf die in § 126 b Abs 1 umschriebene Tat. Bei
der » Tat « handelt es sich um einen konkreten Lebenssachverhalt, der
unter die gesetzliche Kategorie der in § 126 b Abs 1 abstrakt formulier-
ten strafbaren Handlung fällt, welche wiederum den sog » Unrechtstat-
bestand « bildet. Die Subsidiaritätsklausel, die nur das Konkurrenzver-
hältnis dieses zu einem anderen, verdrängenden Delikt ( hier § 126 a )
zum Gegenstand hat, steht – ebenso wie die Rechtsfolgenseite des
Abs 1 – außerhalb des Unrechtstatbestands, da sie in ihrer Formulie-
rung selbst auf » die Tat « verweist und folglich auch nicht Teil der Tat
bzw der normierten strafbaren Handlung sein kann. Sie ist lediglich
der Tatbestandsperipherie und daher dem sog » Gesamttatbestand « zu-
gehörig und dient dazu, bei einer ( partiellen ) Überlappung von » Ty-
pen « – zB § 126 a Abs 1 und 2 sowie § 126 b Abs 1 – die Konkurrenzsitu-
ation ausdrücklich aufzulösen. In § 126 b Abs 2 findet sich nun keine
1560 Vgl allgemein Kienapfel / Höpfel / Kert, AT 14, Z 23 Rz 22; va Burgstaller, Die Scheinkon-
kurrenz im Strafrecht ( I ), JBl 1978, 459.
1561 Siehe anstatt vieler Fuchs, AT I 8, Rz 31 / 9; va Burgstaller, JBl 1978, 459.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik