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Dogmatische Betrachtung des Computerstrafrechts im engen Sinn
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
Mit dem Sich-Verschaffen von Zugangsdaten ist daher nicht not-
wendigerweise eine von der Tathandlung abtrennbare Wirkung in der
Außenwelt verbunden 1651, weshalb sich daraus kein Erfolgsdelikt ablei-
ten muss. Eine Gewahrsamsverschiebung ist dabei ebenso wenig zwin-
gend erforderlich wie eine Gewahrsamserlangung an einem körper-
lichen Gegenstand 1652. 1653 Das eigene Zutun wird mE teleologisch auf
den Normzweck bezogen bereits in der aktiven Kenntnisverschaffung
der Information ( Computerpasswort ) liegen und nicht erst in einer
entsprechenden körperlichen Gewahrsamsbegründung.
Um nicht über das Ziel hinauszuschießen, sollte man jedoch ein be-
stimmtes Mindestmaß an krimineller Energie bezüglich des Akts des
Sich-Verschaffens verlangen. Die Kenntnisverschaffung bzw sonstige Er-
langung des Zugangscodes muss mE zumindest rechtswidrig sein und
dem Täter eine gewisse Anstrengung abverlangen, um das Passwort
schließlich zu erhalten ( zB durch Abnötigung, Herauslockung im Wege
des Phishing, Errechung mittels » Brute Force «-Software, Wegnahme
usw ). Sofern daher etwa der Berechtigte den PIN-Code direkt auf seine
Bankomatkarte geschrieben hat und die Karte in einer Weise aufbe-
wahrt, dass sie für Dritte zugänglich ist ( zB durch Ablegen auf einem
Tisch mit sichtbarer PIN-Notiz ), ist das Mindestmaß an kriminelle Ener-
gie wohl noch nicht erreicht, um den Tatbestand zu verwirklichen.1654
Was die Tathandlung des Sich-Verschaffens iZm inkriminierten
Computerprogrammen iSd § 126 c Abs 1 Z 1 anlangt, so reicht die bloße
Kenntnisnahme – wie zB bei Passwörtern oder Geheimnissen – dafür
nicht aus. An verschiedenen Stellen 1655 führt der JA dazu an, dass sich
jemand ein Tatobjekt verschaffe, wer daran ( durch eigenes Zutun ) » Ge-
wahrsam « erlangt. Die Tathandlung setze einen Bezug zu einem » kör-
perlich fassbaren « Gegenstand voraus.1656
1651 Vgl generell zB Fuchs, AT I 8 Rz 10 / 40; Kienapfel / Höpfel / Kert, AT 14 Z 9 Rz 6 ff.
1652 Was allerdings in den GMat in vergleichbarem Zusammenhang vorgesehen ist
( vgl ErlRV 674 BlgNR XXIV. GP, 6 ). Siehe zur Problematik des strafrechtlichen Ge-
wahrsamsbegriffs iZm unkörperlichen Daten S 486 ff.
1653 Verschafft sich jemand einen USB-Stick auf dem das Passwort in einer Textdatei
gespeichert wurde, so ist durch die Gewahrsamsverschiebung ein tatbestandli-
cher Erfolg eingetreten. Liest jemand ein Passwort lediglich vom Bildschirm oder
durch Beobachtung der vom Berechtigten verwendeten Tastatureingaben ab, so
beschreibt das diesbezügliche Sich-Verschaffen lediglich eine schlichte Tätigkeit.
1654 Vgl dazu auch die Zettel-Notiz eines Passworts, die unmittelbar an einem Monitor
bzw der Tastatur angebracht wurde ( siehe ähnlich oben zu § 118 a ).
1655 ZB zu § 207 a Abs 3 oder zu § 278 f Abs 2.
1656 Vgl JAB 106 BlgNR XXIV. GP, 33; vgl JAB 1848 BlgNR XVIII. GP, 3.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik