Page - 373 - in Das materielle Computerstrafrecht
Image of the Page - 373 -
Text of the Page - 373 -
373
Dogmatische Betrachtung des Computerstrafrechts im engen Sinn
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
Daneben stellt die angesprochene Konzeption des § 148 a als Fremd-
schädigungsdelikt einer Betrugsähnlichkeit entgegen.1826 Der Täter un-
ternimmt nämlich – anders als beim Betrug – selbst die Vermögens-
verfügung, die das Opfer unmittelbar schädigt. Der Betrugstatbestand
dagegen beschreibt eine – im Hacker-Jargon typischerweise als » Social
Engineering « 1827 bezeichnete – Handlung, mit der der Täter mittels Täu-
schung über Tatsachen einen anderen dazu bringen muss, eine Vermö-
gensverfügung zu tätigen, die diesen oder einen Dritten unmittelbar
im Vermögen schädigt. Bei einer Manipulation einer Datenverarbei-
tung, bei der kein weiterer Mensch notwendigerweise fĂĽr die Zwecke
des Täters instrumentalisiert wird, dessen irrtumsveranlasste Hand-
lung unmittelbar kausal für den Vermögensschaden ist, kann von ei-
ner Betrugsähnlichkeit nicht gesprochen werden. Dafür spricht erneut
der – oben angesprochene – unterschiedliche Rechtsgüterschutz, was
sich in der Struktur der Delikte des § 146 und § 148 a augenscheinlich
manifestiert. Das bloße Eingeben von Daten iSd § 148 a ist einer Täu-
schung eines Menschen iSd § 146 somit nicht gleichwertig.1828
Als ein Indiz gegen eine tatsächliche Betrugsähnlichkeit kann auch
die fehlende gänzliche Gleichstellung der Strafdrohungen der Delikts-
qualifikationen herangezogen werden, denn die gewerbsmäßige Bege-
hung wird nach § 148 a Abs 2 Fall 1 wesentlich milder bestraft als der
gewerbsmäßige Betrug ( § 148 ).
Darüber hinaus fällt auf, dass es kein dem » Notbetrug « ( § 150 ) ver-
gleichbares Delikt im Bereich des BetrĂĽgerischen Datenverarbeitungs-
missbrauchs gibt.1829 Bei Annahme einer Betrugsähnlichkeit wäre doch
eine adäquate Privilegierung auch für § 148 a in den Fällen indiziert, in
denen die Begehung aus Not mit einem nur geringen Schaden geschieht.
Zur Verwirklichung des § 150 muss der Täter alle Elemente der
Strafbarkeit des Betruges erfüllen.1830 In Not befindet sich nach § 150,
wer objektiv infolge Mittellosigkeit einen Mangel an dem hat, was zum
1826 Der Betrug ( § 146 ) ist – wie oben erwähnt – ein Selbstschädigungsdelikt.
1827 Zur Begrifflichkeit siehe anstatt vieler Borges / Schwenk / Stuckenberg / Wegener, Iden-
titätsdiebstahl, 96 ff.
1828 Siehe jüngst auch Komenda / Madl in SbgK § 148 a Rz 15, die diesbezüglich § 148 a
gegenüber § 146 einen erweiterten Anwendungsbereich zuschreiben.
1829 Siehe auch Tipold in SbgK § 150 Rz 12 ( Stand November 2004 ), der von einer plan-
widrigen Lücke spricht und daher eine Anwendung des § 150 per analogiam an-
gezeigt sieht; siehe dazu auch Reindl-Krauskopf, Computerstrafrecht 2, 74; weiters
Komenda / Madl in SbgK § 148 a Rz 128 ff.
1830 Vgl Tipold in SbgK § 150 Rz 2 und 8.
back to the
book Das materielle Computerstrafrecht"
Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik