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416 Christian Bergauer
Christian Bergauer • Das materielle
Computerstrafrecht¶
Art 1 und damit auch nicht auf § 1 DSG ( zur Grundrechtsinterpreta-
tion ) anzuwenden sind.
Somit stellt sich die Frage, ob für die Begriffsauslegung in Verfas-
sungsbestimmungen ein Rückgriff auf einfachgesetzliche Definitionen
überhaupt zulässig wäre. Dohr / Pollirer / Weiss / Knyrim vertreten dazu
die Auffassung, dass die Legaldefinitionen des DSG für die Auslegung
des Grundrechts nur bedingt tauglich seien. Sie begründen dies da-
mit, dass es verfassungsdogmatisch bedenklich wäre, das Grundrecht
durch einfachgesetzliche Vorschriften zu determinieren, sofern das
Grundrecht keinen Ausführungsvorbehalt trifft. Dieser Ausführungs-
vorbehalt 2023 gelte zwar in concreto für die Grundrechte auf Auskunft,
Richtigstellung und Löschung, nicht aber für das Recht auf Geheim-
haltung.2024
Jahnel hingegen bejaht die Berücksichtigung der einfachgesetzli-
chen Legaldefinition zur Ermittlung des Inhalts des Grundrechts, in-
dem er ausführt: » Wenn die Begriffsbestimmungen des § 4 über den
Weg der Ausführungsbestimmungen zu § 1 Abs 3, nämlich § 26 ( Aus-
kunftsrecht ) und § 27 ( Recht auf Richtigstellung und Löschung ) auf
2023 Besser wohl » Ausgestaltungsauftrag « ( vgl Jahnel, Handbuch, Rz 2 / 32 mwN ), denn
dem einfachen Gesetzgeber obliegt es, die Betroffenenrechte bezüglich ihrer
Reichweite und Durchsetzungsmodalitäten näher zu regeln. Diese Ausgestaltung
muss § 1 Abs 4 DSG 2000 iVm § 1 Abs 2 DSG 2000 entsprechen.
Würde es sich tatsächlich – wie es der Wortlaut suggeriert – um einen Ausfüh-
rungsvorbehalt, wie in Art 12 StGG ( Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit )
handeln, wäre jeder Verstoß gegen das Ausführungsgesetz auch eine Grund-
rechtsverletzung. Die Konsequenz wäre, dass jede bescheidförmige Verletzung
des einfachgesetzlichen Ausführungsgesetzes ausschließlich nach dem Bescheid-
beschwerdeverfahren nach Art 144 B-VG vor dem VfGH geltend zu machen wäre
( sog » Feinprüfungsgrundrecht « ), es bestünde keine Zuständigkeit des VwGH
( siehe etwa Berka, Verfassungsrecht 5, Rz 1060 ). Die einfachgesetzlichen Ausfüh-
rungsregelungen zu den Betroffenenrechten fallen aber prinzipiell in die Prü-
fungskompetenz des VwGH, vgl auch § 40 Abs 2 DSG 2000. Eine auch vom VfGH
zu prüfende Grundrechtsverletzung könnte aber etwa dann vorliegen, wenn ein-
zelne Verfahrensregelungen zur Geltendmachung der Betroffenenrechte deren
Ausübung einschränken würden ( vgl Lehner / Lachmayer, Datenschutz im Verfas-
sungsrecht, in Bauer / Reimer [ Hrsg ], Handbuch Datenschutzrecht [ 2009 ] 95 [ 109 ] ).
So sieht das auch der VfGH ( VfSlg 12.194 ), wenn er ausführt: » Das Grundrecht auf
Datenschutz wird zwar nicht durch jeden Fehler bei der Anwendung des DSG ver-
letzt, doch können Verletzungen dieses Grundrechtes auch bei der Vollziehung
dieses – das Grundrecht auf Datenschutz für den Bereich der automationsun-
terstützten Datenverarbeitung konkretisierenden – Gesetzes auftreten ( vgl VfSlg.
11548 / 1987 ) «.
2024 Vgl Dohr / Pollirer / Weiss / Knyrim, DSG 2 § 1 Anm 6.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik