Page - 480 - in Das materielle Computerstrafrecht
Image of the Page - 480 -
Text of the Page - 480 -
480 Christian Bergauer
Christian Bergauer • Das materielle
Computerstrafrecht¶
a. Gewahrsamserlangung und Körperlichkeit
Gleichwohl verschafft sich aber pornographische Darstellungen Min-
derjähriger, wer sich derartiges Material aus dem Internet ( aktiv ) he-
runterlädt und auf der Festplatte speichert.2315 Der Täter muss sich
daher die inkriminierten Abbildungen durch eigenes Aktivwerden in
sein Gewahrsam zufĂĽhren. Nach dem JA verschafft sich jemand ein Ta-
tobjekt, wer daran ( durch eigenes ) Zutun » Gewahrsam « erlangt. Die
Tathandlung setzt einen Bezug zu einem » körperlich fassbaren « Ge-
genstand voraus 2316, weshalb man auch von einem ungeschriebenen
Tatbildmerkmal » Gewahrsam « bzw » Gewahrsamsbegründung « ausge-
hen muss.
Dieser Bezug wird in praxi idR durch das Abspeichern auf einen
( eigenen ) Datenträger hergestellt. Die bloße technisch bedingte – vom
Nutzer unbeeinflusste – Vervielfältigung der Abbildung im Arbeits-
speicher 2317 oder die automatische Zwischenspeicherung im Internet-
Cache sind grundsätzlich nicht der Tathandlung des Sich-Verschaffens
unterzuordnen, da der Täter die inkriminierten Dateien nicht bewusst
abspeichert, um sie sich zu verschaffen.2318 Wüsste der Täter aber, dass
durch das Aufrufen der Webseite mit den inkriminierten Darstellun-
gen, diese Bilddateien automatisch auf seiner Festplatte im ( tempo-
rären ) Internet-Cache-Ordner abgespeichert würden, und strebt er an,
in weiterer Folge über diese Dateien zu disponieren, dann wäre der
Aufruf der Internetseite mit einer aktiven Abspeicherung gleichzuset-
zen.2319 Selbst wenn der Täter wüsste, dass die Daten dabei lediglich
flĂĽchtig im Arbeitsspeicher abgelegt wĂĽrden und er sie nur kurzzeitig
( nämlich bis zum Beenden der entsprechenden Anwendung, die ihm
eine Betrachtung der Bilder ermöglicht ) verwenden könnte, wäre das
Sich-Verschaffen durch die bloĂźe Gewahrsamserlangung vollendet.
Auf eine Dauerhaftigkeit und die Kriterien eines etwaigen anschlie-
Ăźenden Besitzes kommt es hier nicht an. Betrachtet man das Tatobjekt
( § 207 a Abs 4 ) genauer, fällt auf, dass die technische Aufbereitung der
pornographischen Darstellungen Minderjähriger – wie oben bereits
2315 Siehe etwa Hinterhofer in SbgK § 207 a Rz 58.
2316 Vgl JAB 106 BlgNR XXIV. GP, 33; vgl JAB 1848 BlgNR XVIII. GP, 3.
2317 Siehe JAB 1848 BlgNR XVIII. GP, 3.
2318 Zum reinen Betrachten beachte aber § 207 a Abs 3 a.
2319 In diesem Sinne, aber auf die Tathandlung des » Besitzes « bezogen, auch Reindl-
Krauskopf, Computerstrafrecht 2, 42.
back to the
book Das materielle Computerstrafrecht"
Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik