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Dogmatische Betrachtung des Computerstrafrechts im engen Sinn
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
beseitigt und die Tathandlung auch hins moderner informationstech-
nischer Darstellungsformen der Tatobjekte angemessen. Das Sich-Ver-
schaffen sollte daher lediglich auf den Vorgang des » An-sich-Bringens «
der Inhalte abstellen, gleichgültig wodurch sie letztlich verkörpert wer-
den. Wenn der Täter die umfassende Verfügungsmöglichkeit über die
Dateien erlangt hat, hat er sie sich tatbildlich verschafft. Der Wortlaut
deckt jedenfalls auch eine solche Auffassung ab. Zudem geht die Ge-
fährlichkeit nicht vom Datenträger, sondern von den Daten ( genauer
gesagt der Information ) aus. In der modernen IKT spielen nämlich die
Trägermedien stets eine untergeordnete Rolle, viel bedeutender ist die
faktische Verfügungsgewalt über die Daten, die anderes als bei körper-
lichen Gegenständen nicht ( nur ) durch die unmittelbare Herrschaft
über den Datenträger gegeben ist.
Ist man hingegen – wie offenbar der historische Gesetzgeber – der
Meinung, dass es auf die Erlangung eines körperlichen Datenträgers
ankomme, so muss geprĂĽft werden, ob bei Bereitstellung des Daten-
trägers durch den Täter selbst überhaupt » neuer Gewahrsam « daran
begrĂĽndet werden kann.
Damit sich dies schlüssig begründen lässt, müsste man wohl auf
die Eigenschaft des Datenträgers vor und nach der Tat abstellen. Vor
der Tat handelt es sich bei diesem bereitgestellten Datenträger zB um
eine sozial adäquate Festplatte mit einem sozial adäquaten Inhalt.
Nach der Tat bleibt zwar die Festplatte an sich in ihrer Funktionali-
tät und physischen Beschaffenheit weiterhin ( sozial adäquat ) unver-
ändert, bezüglich ihres Inhalts trägt sie nun aber einen neuen ( sozial
inadäquaten ) Informationswert, der sie insgesamt – solange diese Da-
ten dort vorhanden sind – zu einem anderen, gefährlichen Datenträger
konvertieren lässt. Die GMat weisen ebenfalls in eine solche Richtung,
wenn davon gesprochen wird, dass wer eine bildliche Darstellung auf
die Festplatte abspeichert, » damit ein mögliches Objekt für unerlaub-
ten Besitz oder unerlaubte Weitergabe schafft «.2327
Man müsste daher argumentieren, dass durch diese vom Täter ver-
anlasste Adaption durch HinzufĂĽgen unrechtsbeladener Tatobjekte ein
quasi » neuer Datenträger « mit anderer Eigenschaft geschaffen wurde,
der nunmehr originär » gewahrsamserlangungsfähig « wird. Dies er-
scheint iZm der Tathandlung des Sich-Verschaffens nicht sachgerecht,
2327 Siehe JAB 106 BlgNR XXIV. GP, 34.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik