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488 Christian Bergauer
Christian Bergauer • Das materielle
Computerstrafrecht¶
Eine permanente Kontrolle wird aber nicht verlangt, insoweit genügt
eine rasch realisierbare Nachschau durch den Träger des übergeordne-
ten ( Mit- ) Gewahrsams.2346
Im hier interessierenden informationstechnischen Kontext, insb
was ubiquitäre unkörperliche Daten anlangt, ist aber auch dieses so-
ziale bzw gelockerte Verständnis von Gewahrsam unzureichend. Dies
ergibt sich aus der eben erwähnten Tatsache, dass beim gelockerten
Gewahrsam die Zuordnung eines » Gegenstands « zu einer Person maß-
geblich ist. Mit anderen Worten, in den hier untersuchten Fällen muss
der jeweils verwendete Datenträger bzw dessen konkrete Speicherbe-
reiche dem Verfügungsberechtigten über die darin gespeicherten Da-
ten zugeordnet werden.
In Zusammenhang mit unkörperlichen Daten ( -inhalten ), bei de-
nen der Datenträger ausschließlich eine rein faktisch-notwendige Auf-
gabe erfüllt, ist es höchst an der Zeit, eine zweckmäßige Adaptierung
der spezifischen Dogmatik vorzunehmen und dabei iZm unkörperli-
chen Sachen endlich eine Abstraktion von der körperlichen Substanz
sinnvoll einzubeziehen. Insbesondere sind selbstverständlich auch
dynamische Weiterentwicklungsprozesse zu berücksichtigen. Die her-
kömmlichen informationstechnischen Datenträger, wie CDs und DVDs,
werden zunehmend durch moderne abstrakte Modelle, wie » Cloud
Computing « 2347, verdrängt. Im Wesentlichen befinden sich dann das
systemführende IT-System, die verwendete Software und der individu-
elle Datenspeicherplatz, nicht mehr beim Nutzer selbst, sondern wer-
den ihm virtuell über ein Netzwerk als Dienstleistung zur Verfügung
gestellt.2348 Der Verfügungsberechtigte über die Daten hat in solchen
Systemen keine Kenntnis davon, wo sich der jeweilige Datenträger be-
findet, auf dem seine Daten verkörpert werden. Auf den » körperlichen
Datenträger « bezogen fehlt dem Verfügungsberechtigten über die dort
gespeicherten Daten jegliches subjektive Gewahrsamselement.
Da ohnehin grundsätzlich auch der Besitz von pornographischen
Darstellungen Minderjähriger eigenständig strafbar ist, sollte man
mE in diesem Zusammenhang zunächst die Frage nach dem Gewahr-
sam stellen. Für das Sich-Verschaffen darf mE nur der Vorgang der
Erlangung der vollständigen Verfügungs- bzw Kenntnisnahmemög-
2346 Siehe OGH 03. 06. 2003, 14 Os 51 / 03.
2347 Siehe zur Begrifflichkeit zB Sonntag in Jahnel / Mader / Staudegger, IT-Recht 3, ( 1 ) 17.
2348 Vgl Popp, JSt 2012, 30; weiters Kersken, IT-Handbuch 5, 989.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik