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494 Christian Bergauer
Christian Bergauer • Das materielle
Computerstrafrecht¶
kriminalpolitisch nicht sachgerecht. Im letzteren Beispiel liegt ein
strafbarer Besitz des Computerpassworts seitens des Täters vor, da er
den Zettel ( als körperlichen Gegenstand ) in seinem Gewahrsam hat.
Und dennoch spielt der Zettel selbst zwar eine buchstäblich » tragende «,
aber keine deliktische Rolle. Hätte sich der Täter das Passwort bloß ge-
merkt, wäre er hins des Besitzens straflos.2371 Liest jemand ein Passwort
von einem Zettel ab, so macht er sich grundsätzlich – sofern man auf
eine Körperlichkeit der Zugangsdaten bei dieser Tathandlung verzich-
tet – bezüglich des Sich-Verschaffens strafbar. Für das Sich-Verschaffen
darf es folglich nicht ( auch ) auf die Körperlichkeit ankommen.
Man sollte darüber hinaus bei Sachverhalten, in denen 1.) nicht
ausschließlich originale Datenträger samt Bildmaterial und 2.) keine
schreibgeschützten ( dh nicht mehr beschreibbaren ) körperlichen Trä-
germedien ( CD-ROM, DVD-ROM ) verwendet werden, von der unmittel-
baren, grundsätzlich auch fortgesetzten Verfügungsmöglichkeit über
die Daten als einem » besitzähnlichen « Zustand ausgehen. Der Gewahr-
samsbegriff könnte iZm unkörperlichen Computerdaten sachgerecht
gelockert werden. Faktisch Verfügungsberechtigter ist nämlich dabei
nicht bloß derjenige, der den entsprechenden Datenträger in seiner
Herrschaft hat, sondern auch derjenige, der die tatsächliche Verfü-
gungsmacht über den Datenbestand ausüben kann.
Damit könnte auch im hier untersuchten Zusammenhang die Frage
leichter beantwortert werden, wer als Besitzer iSd § 207 a Abs 3 in Frage
kommt, wenn inkriminierte Bilddateien in einem » Online-Speicher «
auf einem Server im Internet abgespeichert sind, über den ein bzw eine
bestimmte Anzahl konkreter ( pädophiler ) Nutzer virtuell verfügungs-
berechtigt 2372 ist.2373 Gerade bei Daten wird deshalb in sehr vielen Fäl-
len Mitgewahrsam vorliegen, wobei nur einer der Gewahrsamsträger
den Datenträger selbst faktisch innehat. Unstrittig ist, dass in diesem
Fall der tatsächliche Inhaber des konkreten Datenträgers ( dem aber
vermutlich wiederum der Herrschafts- bzw Verfügungswille über die
2371 Was wohl eine problematische Beweisfrage darstellt.
2372 Zum leichteren Verständnis wird hier von einer uneingeschränkten Verfügungs-
berechtigung über den zugewiesenen Speicherplatz ausgegangen.
2373 Es wäre auch denkbar, dass ein Einzeltäter die Bilddateien auf einem Server im
Internet versteckt, um sie nicht auf seinem Computer oder anderen Datenträgern
zuhause aufzubewahren.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik