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508 Christian Bergauer
Christian Bergauer • Das materielle
Computerstrafrecht¶
schen Darbietungen teilnehmen « umschrieben. In jedem dieser Fälle
wird aber auf die strafrechtliche Verantwortung des wissentlichen Zu-
schauers fokussiert, weshalb in den GMat die Tathandlung des » Be-
trachtens « am treffendsten erachtet wird.2435 Ein Betrachten verlangt
hingegen, sowohl nach dem Wortlaut interpretiert als auch wie es in
den GMat umschrieben wird, eine » visuelle Wahrnehmung « 2436. Streng
genommen scheidet daher eine blinde Person als Tatsubjekt a pri-
ori aus. Darbietungen im Sinne eines tatsächlichen Live-Geschehens
sind audiovisueller Natur. Sie bedienen daher sowohl den visuellen als
auch den auditiven Sinn eines Menschen. Ein derartiger Live-Stream
im Internet, würde prinzipiell ebenfalls eine AV-Medienübertragung in
Bild und Ton darstellen. Aus diesem Grund könnte man sich gerade
bei pornographischen Darbietungen, die – anders als bloße Fotogra-
fien – die Eigenschaft der auditiven Wahrnehmbarkeit besitzen, vor-
stellen, dass sich eine sehbehinderte Person ihre sexuelle Erregung an
den geschlechtlichen Handlungen, an denen Minderjährige mitwirken,
allein dadurch verschafft, dass sie die dabei gesprochenen Stimmen,
Laute bzw einstudierten Dialoge anhört, die offensichtlich von einer
minderjährigen Person stammen. Insoweit ist die Tathandlung des Be-
trachtens gegenüber einer Tathandlung » Teilnehmen « 2437 bzw » Besu-
chen « 2438, insb was eine Live-Aufführung anlangt, eingeengt. An einer
anderen Stelle – nämlich zu § 207 a – setzte der JA dem » bloßen Betrach-
ten « den Klammerausdruck » ( der › Konsum ‹ ) « nach, was wohl zum Aus-
druck bringen soll, dass hier das Betrachten iSd Konsumierens zu pö-
nalisieren sei, und ( noch ) nicht der Besitz oder eine auf einen solchen
ausgerichtete Verschaffungshandlung.2439 ( Der Verschaffungsakt selbst
ist kein Konsum, sondern er geht einem solchen idR voran.) Eine ge-
naue Begründung fehlt. Auch findet sich keinerlei Information darüber,
warum im Fall des § 207 a Abs 3 a nun aber das » Zugreifen « ( und daher
nicht bloß der Konsum ) und nicht das » Betrachten « als Tathandlung
gewählt wurde. Wollte der Gesetzgeber das » Betrachten « tatsächlich
iSd umfassenderen Begriffs des » Konsumierens « verstanden wissen,
2435 Siehe ErlRV 1505 BlgNR XXIV. GP, 8.
2436 Vgl ErlRV 1505 BlgNR XXIV. GP, 8; weiters Hinterhofer / Rosbaud, BT II 5 § 215 a Rz 6.
2437 Vgl die deutsche Übersetzung des Art 4 Abs 4 RL 2011 / 93 / EU, wo es mit » an porno-
graphischen Darbietungen teilnehmen « umschrieben wird.
2438 Vgl die deutsche Übersetzung des Art 21 Abs 1 lit c des Europaratsübereinkom-
mens, wo es » Besuch einer pornographischen Darbietung « heißt.
2439 Siehe JAB 106 BlgNR XXIV. GP, 34.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik