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568 Christian Bergauer
Christian Bergauer • Das materielle
Computerstrafrecht¶
Folge geprüft werden, ob – einem » allgemeinen Ingerenzprinzip « 2712
entsprechend – ein durch aktives Tun geschaffener rechtswidriger Zu-
stand durch anschließendes Unterlassen des Täters ( unter den Vor-
aussetzungen des § 2 2713 ) den rechtskonformen Zustand wiederherzu-
stellen, fortdauernd aufrechterhalten wird.2714 Nur dadurch würde der
Tatbestand ununterbrochen solange weiter verwirklicht werden, bis
der Störvorgang tatsächlich sein Ende gefunden hat ( materielle Been-
digung ).
Genau genommen liegen zwei Delikte vor: eines, das die Herbei-
führung eines rechtswidrigen Zustands durch aktives Tun betrifft und
ein weiteres, was die Unterlassung der Beseitigung dieses rechtswid-
rigen Zustands durch den Täter als Garant ( hier: der Beseitigung des
inkriminierten Kontaktaufrufs im Internet-Inserat ) kraft Ingerenz an-
langt. In diesem Fall geht grundsätzlich ein strafbarkeitsausschöpfen-
des Tun rechtstechnisch betrachtet dem Unterlassen vor.2715
Im vorliegenden Fall wird allerdings durch das anschließende Un-
terlassen des Täters, der noch Einfluss auf das Geschehen hat, die Ver-
anlassung der Kontaktaufnahme mit dem Opfer im Internet ständig
wiederholt, weshalb das Unrecht durch die Fortdauer der Aufrecht-
erhaltung der Veröffentlichung anhält und darüber hinaus noch ver-
größert wird. Das einmalige Tun ( hier: Hochladen des Inserats ) als
Handlungselement stellt im konkreten Fall nicht die für das Rechtsgut
gefährlichere Begehung dar, weil im Zeitpunkt der Veröffentlichung ( =
Zeitpunkt der formellen Vollendung ) gar kein Dritter das Inserat liest
bzw mangels Kenntnis des genauen Veröffentlichungszeitpunkts lesen
kann. Vielmehr wirkt sich folglich das anschließende fortgesetzte Un-
2712 In dem Sinn, dass jedermann die nachteiligen Folgen abzuwenden hat, die aus
seinem ( rechtswidrig oder rechtmäßigem ) Tun entspringen können ( vgl Fabrizy,
StGB 11 § 2 Rz 3a ). Mit anderen Worten, die Schaffung einer Gefahrenquelle er-
zeugt eine Handlungspflicht.
2713 Insbesondere sind das 1.) das Vorliegen eines Erfolgsdelikts; 2.) eine Garanten-
stellung; 3.) die Gleichwertigkeit des Unterlassens der Erfolgsabwendung gegen-
über der Verwirklichung durch aktives Tun.
2714 Vgl zB Schmoller in SbgK § 99 Rz 15 mwN; Leukauf / Steininger, StGB 3 § 99 Rz 10; Triff-
terer AT 2, 65.
2715 Siehe zum » Primat des Tuns « allgemein Fabrizy, StGB 11 § 2 Rz 13; Kienapfel / Höp-
fel / Kert, AT 14, Z 28 Rz 25 ff. Im Urteil dürfte nicht über beide Deliktsbegehungen
nebeneinander abgesprochen werden. Das unechte Unterlassungsdelikt wäre le-
diglich eine » mitbestrafte Nachtat «. Allerdings wäre bei der Strafzumessung die
Fortsetzung über eine längere Zeit als etwaiger Erschwerungsgrund iSd § 33 Abs 1
Z 1 letzter Fall zu berücksichtigen.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik