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Schlussbetrachtungen
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
kreten Sachverhalt stets dynamisch beurteilt werden, was zu einer ein-
zelfallbezogenen » Skalierung des Tatobjekts « führt. Diese Beurteilung
ist in weiterer Folge zur Klärung der Frage notwendig, ob eine tatbe-
standsgemäße spezifische Sicherheitsvorrichtung im gegenständli-
chen Computersystem überhaupt angebracht war.
Was das Überwinden dieser Vorkehrung anlangt, so erfordert eine
solche während der Ausführungshandlung die » Konfrontation « des Tä-
ters mit derselben, zB durch Ausarbeitung eines Überwindungsplans
und deren anschließende direkte Bezwingung. Bezüglich des Überwin-
dens der Sicherheitsvorkehrung sind, auch was die kriminelle Energie
des Täters betrifft, höhere Anforderungen zu stellen als bei einem blo-
ßen Umgehen. Eröffnet sich daher eine zusätzliche Möglichkeit für ei-
nen Zugriff auf das System, ohne auf ein Hindernis zu stoßen, so liegt
kein tatbestandliches Überwinden vor.
Im Zusammenhang mit § 118 a Abs 1 wäre es treffender, den Wort-
laut des Tatbestands an die Deliktsbezeichnung anzupassen und auf
den » Zugriff auf « ein Computersystem abzustellen.
Der erste Teil des umfangreichen erweiterten Vorsatzes, die Spio-
nageabsicht, verlangt, dass der Täter zum Tatzeitpunkt in der Absicht
handelt, sich oder einem anderen Unbefugten Kenntnis von in » einem «
Computersystem gespeicherten und nicht für ihn bestimmten Daten
zu verschaffen. Daraus wird ersichtlich, dass sich die subjektive Ziel-
vorstellung des Täters dem Wortlaut nach nicht ausschließlich auf die
Daten des Systems richten muss, auf das sich der Täter auf der äuße-
ren Tatseite widerrechtlich Zugriff verschafft hat. Sinnvollerweise wird
man wohl die überschießenden Innentendenzen an den objektiven
Tatbestand insoweit anschließen müssen, als die Absicht verfolgt wer-
den muss, sich von den Daten Kenntnis zu verschaffen, die sich auch
auf dem Computersystem befinden, zu dem sich der Täter ( nach der
Unrechtsbeschreibung des objektiven Tatbestands ) Zugang verschafft
hat. Der subjektive Tatbestand ist folglich teleologisch zu reduzieren.
Betrachtet man die Natur des § 118 a Abs 1 unter Einbeziehung der
kumulativ erforderlichen überschießenden Innentendenzen, so lassen
sich insgesamt drei Erfolge erkennen. Die Erfüllung des objektiven
Tatbestands führt tatbestandlich betrachtet zum Zwischenerfolg des
Zugriffverschaffens auf ein fremdes Computersystem. Der anvisierte
erste Enderfolg ( die Datenspionageabsicht ) und der beabsichtigte
zweite Enderfolg ( die Vermögensvorteilsverschaffung bzw Nachteils-
zufügung ) müssen dagegen vom Täter nur angestrebt werden. Darü-
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik