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22 | Ständestaat und Rotes Wien
und autoritärer Regierungen in Europa, besonders durch die Einflussnahme Italiens und
Deutschlands, auf die Etablierung eines autoritären Systems in Österreich aus.20 Italien
konnte sich ab 1933 als außenpolitische Schutzmacht gegen das nationalsozialistische
Deutschland präsentieren21 und übte verstärkt außen- und innenpolitischen Einfluss auf
Österreich aus.22
Erst Kurt Schuschnigg23 näherte sich außenpolitisch dem nationalsozialistischen
Deutschland an und reagierte damit auf das politische Bündnis der Achse Berlin – Rom,
das die Heimwehr24 als antidemokratische Kraft obsolet machte.25 Mittels des sogenannten
Juli-Abkommens vom 11. Juli 1936, sollten die außenpolitischen Beziehungen zum natio-
nalsozialistischen Deutschland durch enge wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusam-
menarbeit normalisiert werden. Die Anerkennung eines eigenständigen Staates Österreich
und die Nichteinmischung Deutschlands in die inneren Angelegenheiten konnten auf
bilateraler Ebene durchgesetzt werden.26
Die Propagierung einer eigenen Österreich-Ideologie war zwar defensiv gegen die deutsche
Propaganda der NationalsozialistInnen gerichtet, schöpfte aber aus einem deutschen
Selbstverständnis und der Proklamierung einer österreichischen Variante der Volkstumsi-
deologie. Dem sogenannten österreichisch-katholischen Deutschtum wurde darin die Rolle einer
österreichischen Mission zugedacht, die außen- und innenpolitisch wahrnehmbar gemacht
werden sollte. Die Österreich-Ideologie zielte weitgehend auf die Etablierung eines katholi-
20 Emmerich Talos, Das austrofaschistische Herrschaftssystem, in: Talos, Neugebauer (Hg.), Austrofaschismus, 2005,
S. 411.
21 Vorrangiges Ziel der Außenpolitik Mussolinis war die Errichtung einer Zollunion mit Österreich und Ungarn um die deut-
sche Südosteuropapolitik zu verhindern. Gleichzeitig sollte Frankreich als politischer Faktor in Mittel- und Südeuropa
ausgebootet werden, vgl.: Karl Haas, Die Römische Allianz 1934, in: Erich Fröschl, Helge Zoitl (Hg.), Der 4. März 1933
– Vom Verfassungsbruch zur Diktatur, Wien, 1984, S. 78 f.
22 Helmut Wohnout, Bundeskanzler Dollfuß und die österreichisch-italienischen Beziehungen 1932–1934, in: Wenninger,
Dreidemy (Hg.), Dollfuß/Schuschnigg-Regime, 2013, S. 601–627.
23 Schuschnigg war 1932/1933 Justizminister und verantwortlich für die Wiedereinführung des Standrechts am 11. No-
vember 1933. Nach der Ermordung von Engelbert Dollfuß am 25. Juli 1934 wurde er Bundeskanzler des autoritären
Ständestaates. Der Umgang mit den Hauptprotagonisten des Ständestaates ist in Österreich bis heute problematisch.
Schuschnigg wurde 1945 in Italien befreit. Nach seiner Zeugenschaft im Hochverratsprozess gegen den ehemaligen
Staatssekretär und späteren Minister für die Auswärtigen Angelegenheiten des Ständestaates Guido Schmidt ging er in
die USA, wo er an der St. Louis University, Missouri lehrte. 1962 bekam er eine österreichische Ministerpension zuge-
sprochen und kehrte nach seiner Emeritierung 1967 dauerhaft nach Österreich zurück. Kurt Schuschnigg starb 1977 in
Mutters in Tirol, vgl.: Leonhard Woldan, Kurt Schuschnigg als katholischer „Kulturdeutscher“: Analyse eines politischen
Weltbilds, 2013, Wien, Diplomarbeit.
24 Die Heimwehr war am Beginn der neuen Republik unter dem Vorbild der paramilitärischen Verbände der bayerischen
Rechten und der faschistischen Squadren des italienischen Frühfaschismus als militärischer, antimarxistischer und
antimodernistischer Arm der bürgerlichen und bäuerlichen Schichten entstanden, vgl.: Mittelmeier, Austrofaschismus,
2009, Diplomarbeit, S. 124–126.
25 Kluge, Ständestaat, 1984, S. 86 f.
26 Karl Stuhlpfarrer, Austrofaschistische Außenpolitik – ihre Rahmenbedingungen und ihre Auswirkungen, in: Talos, Neu-
gebauer (Hg.), Austrofaschismus, 2005, S. 332.
Open Access © 2017 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG, Wien Köln Weimar
Das Schwarze Wien
Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Title
- Das Schwarze Wien
- Subtitle
- Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Author
- Andreas Suttner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20292-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 296
- Categories
- Geschichte Nach 1918