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158 | Wien im Ständestaat
Schlafzimmer und ein kleineres Kabinett.679 Die Häuser waren damit für damalige Ver-
hältnisse sehr modern ausgestattet.680
Fünf der von André Roder ausgeführten Hauszeichen sind noch an den Häusern in der
Weitmosergasse erhalten. Sie dienten der Individualisierung der baugleichen Haustypen
und hatten durchwegs religiöse Inhalte: am Haus Nr. 3 St. Severin, an der Nr. 15 St. Kl. M. Hof-
bauer, am Haus Nr. 25 St. Rupert, St. Josef. D. n. am Haus Nr. 39 und St. Johannes d. T. am
Haus Nr. 57.
2.3.3.3 Stil der Wüstenrot-Eigenheim-Plansiedlung
Neben Nothäusern für die Arbeitslosen entstanden auch Eigentumshäuser für den
Mittelstand. Beispielsweise schrieb die Zentralvereinigung der Architekten Österreichs 1936
einen Wettbewerb für eine Bausparer-Mustersiedlung aus, der vom Bundesministerium für
Handel und Verkehr unterstützt wurde. Ziel war ein einheitliches Aussehen und eine damit
einhergehende Normierung der Häuser im Bezug auf Fenstergröße, Türgröße, Situierung,
Dachneigung, Dachdeckung und Einfriedung der Objekte. Die Bauoberleitung der im
selben Jahr durch die Gemeinschaft der Freunde Wüstenrot am Bierhäuselberg in Wien XIV
begonnenen Siedlung übernahm Architekt Alexander Popp.681 Das eigens entworfene
Konzept der Eigenheim-Plansiedlung sah eine einheitlich durchgebildete Eigenheimkolonie
vor. Für die 26 Bauparzellen waren vier Haustypen682 vorgesehen, die zeitgleich errichtet
werden sollten.683 Dieses Bauspar-Eigenheim-Plansiedlungskonzept wurde von Popp, laut
Eigenaussage 1937, als nur unter einer starken Staatsautorität verwirklichbar ideologisiert.684
Stilistisch wurde eine Abkehr von internationalen Lösungen des modernen Bauens
propagiert. Die „kalte, nüchterne Sachlichkeit“ unterlag bei den Entwürfen „dem anhei-
melnden Reiz alter, deutscher Bauten“. Ein Rückgriff auf „eine heimische, traditionelle
679 Magistrat der Stadt Wien (Hg.), Wohnungs- und Siedlungswesen, 1937, S. 17.
680 Baltzarek, Bundeshauptstadt, in: Verein für Geschichte der Stadt Wien (Hg.), Wiener Geschichtsblätter, 29. Jg., Wien,
1974, Sonderheft 2, S. 80 f.
681 Alexander Popp, Die Musterwohnsiedlung am Bierhäuselberg bei Wien, in: Österreichische Bauzeitung, 1. Jg. Wien, Sep-
tember 1936, Nr. 26, S. 318; Norbert Mayr betont, dass widersprüchliche Quellen über die Bauoberleitung Popps exis-
tieren. Einerseits soll es eine Beauftragung durch Clemens Holzmeister gegeben haben, andererseits aber den direkten
Wunsch der Bausparkasse Wüstenrot, vgl.: Mayr, Mustersiedlung, in: Nierhaus, Orosz (Hg.), Werkbundsiedlung, 2013,
Ausstellungskatalog, S. 254.
682 Zum Vergleich: Die Holzhäuser der Stadtrandsiedlungen kosteten rund öS 5.500, die Häuser der Bierhäuselbergsied-
lung je nach Größe zwischen öS 22.000 und öS 50.000. Nimmt man den Durchschnittslohn eines Bauarbeiters der
Siedlung Wolfersberg von öS 1,13 im Jahre 1936 dazu, kann man leicht die Dimensionen der Kosten ermessen. Der
Preis pro m² betrug in der Siedlung Bierhäuselberg alleine öS 4, vgl.: Trübswasser (Hg.): Ergänzungen zur Jubiläums-
broschüre, 1990, S. 6.
683 O. Ponholzer, Die Wüstenroter Mustersiedlung in Wien – Siedlungen aus einem Guß, in: Das Wüstenroter Eigenheim,
Jg. 1935, Mai, Salzburg, S. 122–125.
684 Der Plansiedlungsgedanke in der Welt, in: Bausparen in Österreich, Jg. 1937, Nr. 3, Salzburg, S. 92. Popp war am 1. Ja-
nuar 1934 der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei als illegales Mitglied beigetreten, vgl.: Lackner, Alexan-
der Popp, 1991, Ausstellungskatalog, S. 18.
Open Access © 2017 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG, Wien Köln Weimar
Das Schwarze Wien
Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Title
- Das Schwarze Wien
- Subtitle
- Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Author
- Andreas Suttner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20292-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 296
- Categories
- Geschichte Nach 1918