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keit, ein Paradoxon, eine Abnormität, und wann immer außerhalb Wiens von
Wien berichtet, Wien beurteilt wird, geschieht dies mißverständlich und unsach-
lich relativierend.47
Innerhalb dieser Zwischenwelt der von den Siegermächten des Zweiten Welt-
kriegs in vier Zonen geteilten Stadt existiert mit dem ersten Wiener Gemeinde-
bezirk noch einmal ein besonderes Areal, da dieser von den USA, der UdSSR,
Großbritannien und Frankreich gemeinsam verwaltet wird und als „internati-
onale Zone“ firmiert. Internationale Zone48 lautet auch der Titel eines 1951 ver-
öffentlichten Romans, den Milo Dor und Reinhard Federmann gemeinsam
geschrieben haben und der sich ästhetisch an der Hard-Boiled-Literatur à la
Raymond Chandler oder Dashiell Hammett orientiert. Darin spielen sowohl die
Zonengrenzen in Österreich als auch deren Überschreitungen eine zentrale Rol-
le.
Die „Zone“ wird allgemein der militärischen Raumbestimmung zugeschrie-
ben, als deren Machtinstrument sie nach außen und innen hin spezifische Funk-
tionen erfüllt: Einerseits ist sie durch ihre Funktion nach außen als Sonderzone
ausgewiesen, da sie gesondert von der zivilen Umgebung ist. Nach innen dage-
gen wird sie zur Polizei- oder Sonderpolizeizone, in der nicht das Gesetz des
bürgerlichen Rechts regiert, „sondern die temporäre Maßnahme, die die Zone
bis auf Widerruf re- und entstrukturiert“.49 Die Aufteilung Österreichs in vier
Zonen durch die Alliierten wurde mit dem Ersten Kontrollabkommen am 4.
Juli
und dem Zonenabkommen am 9.
Juli 1945 beschlossen, womit ein „Exerzierfeld
der Ost-West-Rivalität“50 abgesteckt war. Die Aufteilung der ehemaligen „Ost-
mark“ erfolgte nach Bundesländern, wobei Tirol und Vorarlberg der französi-
schen, Kärnten, Steiermark und Osttirol der britischen, Salzburg und Oberös-
terreich (ohne Mühlviertel) der amerikanischen und das Burgenland,
Niederösterreich sowie das Mühlviertel der sowjetischen Besatzungsmacht zufie-
len. Diese Grenzziehung innerhalb des Landes „war weit mehr als nur eine Auf-
teilung in vier verschiedene Herrschaftsbereiche vier fremder Armeen“, denn
die jeweiligen Zonen waren voneinander völlig abgeschottet, „politisch auf sich
allein gestellt und wirtschaftlich zur Autarkie gezwungen“.51 Die strikte Zonen-
47 Hans Weigel: Brief aus Wien. Ein Bericht über die kulturelle Situation Österreichs. In: Der
Monat 5 (1952) H. 44, S. 179–183, hier S. 179.
48 Milo Dor, Reinhard Federmann: Internationale Zone. Wien: Picus 1994. Im Folgenden als IZ
mit fortlaufender Seitenzahl zitiert.
49 Michaela Schweighart: Diagramm zur Zone. In: Dies. (Hg.): Zonen. Fünf Essays zur Kritik des
Lagers. Wien: Passagen Verl. 2009, S. 11–25, hier S. 12.
50 Otto Klambauer: Der Kalte Krieg in Österreich. Vom Dritten Mann zum Fall des Eisernen Vor-
hangs. Wien: Ueberreuter 2000, S. 21.
51 Günther Bischof, Josef Leidenfrost: Österreich nach dem April 1945: Die bevormundete Nati-
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36 1 Die Grenze
Diskurse des Kalten Krieges
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Title
- Diskurse des Kalten Krieges
- Subtitle
- Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20380-3
- Size
- 15.9 x 24.0 cm
- Pages
- 742
- Categories
- Geschichte Nach 1918